Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 5.375,48 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 488,68 S Umsatzsteuer) und die mit 4.219,20 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin 1.500 S Barauslagen und 247,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin kaufte am 25. April 1986 ein vom Beklagten hergestelltes Früchtebrot. Als sie am nächsten Tag davon aß, biß sie auf einen Teil einer Nußschale in der Größe eines halben Fingernagels. Dadurch wurde ein Zahn beschädigt. Die erforderliche Sanierung des Gebisses der Klägerin kostete 24.296,60 S, wovon 3.000 S von der Krankenkasse ersetzt wurden. Den Rest von 21.296,60 S begehrt die Klägerin mit der vorliegenden Klage aus dem Titel des Schadenersatzes vom Beklagten.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging:
Für die Herstellung des Früchtebrots kauft der Beklagte bereits beim Erzeuger aufgeknackte Haselnußkerne in 80 kg-Säcken. Die Haselnüsse werden im Betrieb des Beklagten mit einer Schaufel aus dem Sack entnommen und gewogen. Von dort kommen sie direkt in den Knetprozeß. Sie werden weder über ein schräges Brett abgerollt noch werden sie einzeln ausgesucht. Weder die Verwendung eines Brettes noch das händische Aussuchen der Kerne ist üblich. Auch bei einer solchen unüblichen Vorgangsweise wäre nicht die Gewähr gegeben, daß nicht doch ein Teil einer Nußschale in das Brot gelangen könnte. Es ist nicht zu verhindern, daß dann und wann ein Schalenteil in ein von einem Bäcker hergestelltes Früchtebrot gelangt. Dies kann auch dem aufmerksamsten Bäcker passieren.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Vorgangsweise des Beklagten bei Herstellung des Früchtebrotes habe dem üblichen entsprochen. Ihn treffe kein Verschulden an dem der Klägerin entstandenen Schaden.
Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und billigte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes dahin, daß der Beklagte seine Schuldlosigkeit insoweit bewiesen habe, als das Früchtebrot fachgerecht hergestellt worden sei. Unter Umständen könnte der Beklagte jedoch verpflichtet gewesen sein, schon vor Herstellung des Früchtebrotes die von einem Dritten gelieferten Haselnußkerne zu prüfen. Dies wäre allerdings nur dann anzunehmen, wenn er damit rechnen mußte, daß in den angelieferten Kernen auch Haselnußschalen enthalten sein könnten. Im übrigen sei der Lieferant der Haselnußkerne als Erfüllungsgehilfe des Beklagten anzusehen. Der Beklagte hafte gemäß § 1313 a ABGB auch für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen. Daß den Lieferanten kein Verschulden treffe, müsse ebenfalls der Beklagte beweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.
Richtig haben die Vorinstanzen erkannt, daß der Händler grundsätzlich nicht für ein Verschulden des Produzenten bei der Herstellung der vom Händler in Verkehr gebrachten Ware haftet. Er hat die Ware lediglich auf die übliche Weise zu kontrollieren (SZ 54/116 mit ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Rechtsansicht Reischauers in Rummel).
Den Vorinstanzen ist auch darin beizupflichten, daß der Beklagte im vorliegenden Fall nicht bloß Händler, sondern Produzent des von ihm verkauften Früchtebrotes war. Er hat aber bei der Produktion von einem Dritten gelieferte, von den Schalen befreite Haselnußkerne verwendet. Fest steht, daß die Kontrolle dieser Haselnußkerne durch den Beklagten in der üblichen Weise erfolgt ist. Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß der Beklagte zu einer eingehenderen Kontrolle dieser Kerne demnach nur verpflichtet gewesen wäre, wenn er damit rechnen hätte müssen, daß in den angelieferten Haselnußsäcken Nußschalen enthalten sein könnten. Daß der Beklagte mit dieser Möglichkeit rechnen hätte müssen, hat aber die Klägerin nicht einmal behauptet. Es ist auch nicht ersichtlich, welcher besondere Umstand ihm einen solchen Verdacht hätte nahelegen müssen. Wie festgestellt wurde, erfolgte die Kontrolle der Haselnußkerne durch den Beklagten in der üblichen Form. Demnach wäre eine weitergehende Kontrolle nur bei Vorliegen besonderer Umstände erforderlich gewesen. Auch die einen Vertragspartner gemäß § 1298 ABGB treffende Beweispflicht geht nicht so weit, daß der Beweispflichtige, wenn er bewiesen hat, daß er allen seinen Verpflichtungen im Rahmen des üblichen nachgekommen ist, noch zusätzlich beweisen muß, daß er einer Verpflichtung entsprochen hätte, die ihn nur treffen würde, wenn ein dem üblichen nicht entsprechender Sonderfall gegeben wäre. In einem solchen Fall müssen sich zumindestens Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Sonderfalles ergeben. Derartiges hat das vorliegende Verfahren nicht ergeben.
Richtig ist, daß der Produzent dem Konsumenten auch für die bei der Erzeugung eingesetzten Hilfspersonen gemäß § 1313 a ABGB haftet (Koziol Österreichisches Haftpflichtrecht2 II, 90 f). Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes kann jedoch der Lieferant des Rohstoffes oder der Bestandteile für das vom Schuldner zu fertigende Werk nicht als dessen Erfüllungsgehilfe angesehen werden (Koziol aaO 340). Hat nämlich der Endhersteller eines Produktes dessen fehlerhafte Teile nicht selbst erzeugt, so wird ihm kein Verschulden vorgeworfen werden können, außer er hat den von einem Dritten gelieferten Teil nicht ausreichend kontrolliert oder er hat den Zulieferer nicht sorgfältig ausgewählt. Wegen eines bei der Produktion selbst unterlaufenen Mangels kann der Käufer den Endhersteller nicht in Anspruch nehmen. Der Zulieferer kann auch nicht als Erfüllungsgehilfe angesehen werden, für den der Erzeuger gemäß § 1313 a ABGB einzustehen hätte. Der Erzeuger einer Ware ist nicht verpflichtet, alle Rohstoffe selbst aufzuarbeiten oder alle Bestandteile selbst zu erzeugen, wenn diese in der arbeitsteiligen Wirtschaft ganz allgemein von anderen Unternehmen hergestellt werden (Koziol Grundfragen der Produktehaftung, 23 f). Die Judikatur ist in diesem Punkte Koziol gefolgt (SZ 54/116 ua). Auch in einer weiteren Entscheidung (7 Ob 604/84) hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, daß den Produzenten grundsätzlich nur Überwachungs- und Kontrollpflichten treffen. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof nur die Rechtsansicht Reischauers (in Rummel Rz 40 ff zu § 1295) angedeutet, derzufolge der Zulieferer als Erfüllungsgehilfe des Werkunternehmers angesehen werden könnte, jedoch bei diesem Hinweis schon ausgeführt, daß dies nur ausnahmsweise der Fall sein könnte, wobei auf die Entscheidung SZ 52/74 verwiesen wurde. Diese bezieht sich jedoch nur auf Fälle, in denen eindeutig weitergehende Kontrollpflichten bestanden, die verletzt worden sind. Im übrigen hat der Oberste Gerichtshof auch in der Entscheidung 7 Ob 604/84 auf die oben wiedergegebene Rechtsansicht Koziols verwiesen und deutlich Zweifel an der Rechtsansicht Reischauers geäußert. In einer weiteren Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof zwar die Haftung des Produzenten für eine Hilfsperson nach § 1313 a ABGB bejaht, doch wurde dort das Fehlverhalten nicht von einem bloßen Zulieferer gesetzt (8 Ob 608/78). Der erkennende Senat schließt sich aus den von Koziol angeführten Gründen dessen auch in der Entscheidung SZ 54/116 geteilten Rechtsansicht an. Der Zulieferer ist also grundsätzlich nicht Erfüllungsgehilfe des Produzenten. Den Produzenten trifft lediglich die übliche Kontrollpflicht bezüglich der zugelieferten Teile für das von ihm hergestellte Werk. Aus der Natur der Sache, insbesondere aus der Art der zugelieferten Teile, kann sich eine verstärkte Kontrollpflicht ergeben. Verletzt der Produzent diese verstärkte Kontrollpflicht, so wird er aufgrund seines Vertrages mit dem Konsumenten diesem gegenüber haften. Dies ist aber keine sich aus § 1313 a ABGB ergebende Haftung. Da also im vorliegenden Fall eine Haftung des Beklagten für Verschulden des Zulieferers gemäß § 1313 a ABGB nicht gegeben ist und der Beklagte bewiesen hat, daß er die sich aus der Natur der Sache ergebende Kontrollpflicht ausreichend erfüllt hat, erweist sich das Schadenersatzbegehren der Klägerin als nicht gerechtfertigt, weshalb die Entscheidung des Erstgerichtes wieder herzustellen war (§ 519 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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