European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00158.15H.1016.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner ist schuldig, den Antragstellern die mit 922,07 EUR (darin enthalten 153,68 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
1. Auch eine nachträgliche Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse, die im Zeitpunkt der Enteignung als wahrscheinlich vorhergesehen werden konnte, kann die Höhe des zu ersetzenden Verkehrswerts beeinflussen (RIS‑Justiz RS0053483 [T1]), wobei nach dem hier anzuwendenden § 11 Abs 4 NÖ Straßengesetz, Werterhöhungen nach der ersten nachweislichen Information über ein konkretes Straßenvorhaben, nicht zu berücksichtigen sind. Für die Bewertung eines Grundstücks ist daher allgemein nicht die bestehende Widmung, sondern die realistisch beurteilte künftige Verwendungsmöglichkeit samt ihrer Auswirkung auf den Marktwert das Entscheidende (RIS‑Justiz RS0058043 [T3]). Bei Grundstücken mit tatsächlich oder rechtlich durchsetzbarer Möglichkeit, eine Umwidmung in Bauland zu erreichen, muss diese Erwartung auf den Grundstücksmarkt tatsächlich bereits preisbestimmend sein, also nach der Verkehrsauffassung schon zum Zeitpunkt der Enteignung ein zusätzliches werterhöhendes Moment darstellen und nicht eine bloße Werterhöhungschance; entscheidend ist daher lediglich, ob sich das Entwicklungspotential zum Bewertungszeitpunkt schon auf den Marktpreis auswirkt (6 Ob 161/10k, 3 Ob 46/11b; 1 Ob 25/14d; RIS‑Justiz RS0110846 [T1, T2]). Für die Wertung als „Bauerwartungsland“ muss die bevorstehende Parzellierung und Aufschließung nicht nur rechtlich und tatsächlich möglich, sondern darüber hinaus auch aufgrund besonderer Umstände „in naher Zukunft“ wahrscheinlich sein (RIS‑Justiz RS0057977); wenn schon zur Zeit der Enteignung die Möglichkeit einer künftigen Verbauung so konkret Gestalt angenommen hat, dass sie nach der Verkehrsauffassung bereits als zusätzlich werterhöhendes Moment angesehen werden konnte, gebührt dem Enteigneten dieser höhere Wert als Ersatz eines positiven Schadens, der über eine bloße Gewinnchance hinausgeht (RIS‑Justiz RS0058043).
2. Ob eine Liegenschaft als landwirtschaftlich genutztes Grünland, als Bauerwartungs‑(Bauhoffnungs-)land oder als Bauland anzusehen und dementsprechend zu bewerten ist, ist eine nicht vom Sachverständigen, sondern aufgrund der gesamten Verfahrensergebnisse vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0007824). Legen die Gerichte der Entscheidung über die Festsetzung aber die tatsächlichen Ausführungen des Sachverständigen zugrunde, beantworten sie Fragen auf der Tatsachenebene (vgl 3 Ob 46/11b; 1 Ob 25/14d). Die Ermittlung des Verkehrswerts von Liegenschaften gehört nämlich dem Tatsachenbereich an (RIS‑Justiz RS0043122 [T4, T6, T11], RS0043704), der vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbar ist (RIS‑Justiz RS0043704 [T5], RS0109006 [T6]). Die vom Sachverständigen (zum Beispiel bei der Ermittlung des Wertes enteigneter Grundstücke) zur Gewinnung von Tatsachenfeststellungen anzuwendenden Regeln der Wissenschaft, Sachkunde und Kunstfertigkeit sind Erfahrungsgrundsätze zur Gewinnung des Sachverhalts; ihre Anfechtung betrifft die rechtliche Beurteilung nur insoweit, als dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze und zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (RIS‑Justiz RS0043122). Besteht für die Wertermittlung durch einen Sachverständigen keine gesetzlich vorgeschriebene Methode, so unterliegt das von der Tatsacheninstanz gebilligte Ergebnis eines Gutachtens keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, weil es um die Tatfrage geht (RIS‑Justiz RS0118604).
3. Die Liegenschaft, die die Flächenwidmung „Grünland‑Landwirtschaft‑Forst“ aufweist, liegt zwischen einer Landstraße und einer Bahntrasse in unmittelbarer Nähe zu dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegenen Bauland‑Betriebsgebiet (Einkaufszentrum Spar‑Markt), das über alle erforderlichen Zufahrten und Anschlussmöglichkeiten verfügt. Bereits in den Stadtentwicklungsplänen (STEP) 2000 und 2006 der Stadt M***** schien die Liegenschaft als Betriebs‑Erweiterungsgebiet auf. Der Sachverständige kam aufgrund seiner Fachkenntnis zum Ergebnis, dass wegen dieser Gegebenheiten nach der Verkehrsauffassung bereits eine realistische Wahrscheinlichkeit für eine Umwidmung in „Betriebsbauland“ binnen 10 bis 15 Jahren ab 2006 ‑ daher ab dem Enteignungszeitpunkt (= Jänner 2013) binnen rund sieben Jahren ‑ gegeben sei und deshalb von einem gegenüber der tatsächlich bestehenden Widmung „Grünland“ erhöhten Verkehrswert auszugehen sei. Das Rekursgericht erachtete diese Ausführungen des Sachverständigen in Übereinstimmung mit dem Erstgericht auch ohne Festlegung eines prozentuellen Grades der Wahrscheinlichkeit der Umwidmung (was ohnedies nur eine Scheingenauigkeit darstellen würde) und ohne Erhebung bereits tatsächlich aufgrund des höheren Marktpreises erfolgter Kaufabschlüsse als der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend und leicht nachvollziehbar. Damit hat es diese Frage aber auf Tatsachenebene abschließend und endgültig erledigt, weshalb deren Überprüfbarkeit durch den Obersten Gerichtshof zu verneinen ist. Der daraus gezogene rechtliche Schluss, es handle sich bei dem enteigneten Grundstück um Bauerwartungsland, ist aber jedenfalls vertretbar.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 11 Abs 5 NÖ Straßengesetz 1999 iVm § 44 Abs 2 EisbEG. Bemessungsgrundlage ist der von den Antragstellern ersiegte Betrag von 12.594,14 EUR.
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