OGH 7Ob153/23k

OGH7Ob153/23k27.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T* V.a.G., *, vertreten durch Haslwanter Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Mag. Alexandra Berger-Hertwig, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen 428.471,71 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. Juli 2023, GZ 5 R 29/23p‑41, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00153.23K.0927.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Großvater des Beklagten ist Alleineigentümer eines bei der Klägerin feuerversicherten Hauses, das bei einem Brand am 12. 5. 2020 schwer beschädigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt bewohnte der Beklagte aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Großvater eine Wohnung im Obergeschoss dieses Hauses. Brandursache war eine in einem Restmüllsack gemeinsam mit anderen Müllresten entsorgte – zuvor in einer Tasse ausgedrückte – Zigarette. Die Klägerin ersetzte ihrem Versicherungsnehmer den Schaden in Höhe des Klagsbetrags.

[2] DieKlägerin begehrte vom Beklagten 428.471,71 EUR, weil derSchadenersatzanspruch ihres Versicherungsnehmers gegen den Beklagten gemäß § 67 Abs 1 VersVG auf sie übergegangensei.

[3] DerBeklagte wendete einen für leichte Fahrlässigkeit vereinbarten Regressverzicht gegen den Wohnungsinhaber ein.

[4] Das Erstgerichtgab dem Klagebegehren statt, das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in eine Klagsabweisung ab, weil es den Beklagten als Wohnungsinhaber ansah und dessen Verhalten nicht als grob fahrlässig wertete.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Klägerin zeigt mitihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

[6] 1. Die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[7] 2.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen dabei zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).

[8] 2.2. Dass das Berufungsgericht den Beklagten als Wohnungsinhaber im Sinne des von der Klägerin verwendeten Begriffs angesehen hat, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.

[9] 3.1. Grobe Fahrlässigkeit wird allgemein im Versicherungsvertragsrecht dann als gegeben erachtet, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen, wenn jedenfalls völlige Gleichgültigkeit gegen das vorliegt, was offenbar unter den gebotenen Umständen hätte geschehen müssen (RS0080371). Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist (RS0030272; vgl jüngst 7 Ob 59/23m). Ob der Schädiger leichte oder grobe Fahrlässigkeit zu verantworten hat, ist nach den konkreten Umständen des Falls zu beurteilen und bildet daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RS0087606 [T8]).

[10] 3.2. Im vorliegenden Einzelfall hat das Berufungsgericht mit der Verneinung grober Fahrlässigkeit, den ihm in solchen Wertungsfragen zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Der von der Klägerin in der Revision herangezogene Sachverhalt der Entscheidung 7 Ob 301/06z ist anders gelagert.

[11] 4. Die Revision war damit als unzulässig zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte