OGH 7Ob145/97t

OGH7Ob145/97t28.8.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.I.Huber und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Hans R*****, wider die beklagte Partei R***** reg.Genossenschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, und des auf seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Bernd H*****, vertreten durch Dr.Richard Köhler und Dr.Anton Draskovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 2,000.000,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 10. Jänner 1997, GZ 4 R 143/96y-30, womit infolge Berufungen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18.Juli 1996, GZ 20 Cg 217/94k-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 27.967,50 (darin enthalten S 4.661,25 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Nebenintervenient hat am 1.9.1993 seine Geschäftsanteile an der A***** GesmbH um S 5,253.000,-- an die Firma M***** Limited abgetreten, die durch den Kläger vertreten war. In einer Nebenvereinbarung vom selben Tag verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung einer Konventionalstrafe in Höhe von S 2,000.000,-- unter anderem für den Fall der Preisgabe von Firmengeheimnissen. Deshalb wurde die Fälligkeit des Teilabtretungspreises von S 2,000.000,-- erst mit 31.12.1994 vereinbart. Dieser Teilbetrag sollte jedoch vorzeitig an den Nebenintervenienten "Zug um Zug gegen Übergabe einer abstrakten Garantie einer österreichischen Großbank über den Betrag von S 2,000.000,-- mit einer Laufzeit bis 15.1.1995 an den bestellten Treuhänder, Herrn Rechtsanwalt Dr.Hans R*****" ausbezahlt werden. Der Nebenintervenient machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und erwirkte bei der beklagten Partei eine am 27.9.1993 ausgestellte, an den Kläger adressierte und mit 15.1.1995 befristete Bankgarantie über S 2,000.000,--. Mit am 14.6.1994 bei der beklagten Partei eingelangtem Schreiben rief der Kläger die Bankgarantie mit dem Hinweis auf die Verletzung der Nebenvereinbarung vom 1.9.1993 durch den Nebenintervenienten ab. Nach Einlangen der abgeforderten Originalurkunde der Bankgarantie überwies die beklagte Partei am 22.6.1994 den Garantiebetrag auf das ihr vom Kläger genannte Konto, stoppte dann aber die Durchführung der Überweisung, weil ihr mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 23.6.1994 die Auszahlung von Beträgen aus der Bankgarantie untersagt worden war, wovon sie am 23.6.1994 Kenntnis erhielt. Der Beschluß auf Erlassung der einstweiligen Verfügung wurde vom Rekursgericht bestätigt, vom Obersten Gerichtshof aber am 13.7.1995 dahin abgeändert, daß der Antrag des Nebenintervenienten auf Erlassung dieser einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde.

Der Kläger begehrte die Zahlung der Garantiesumme von S 2,000.000,--. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, wobei sie unter anderem einwendete, die Abberufung der Bankgarantie sei rechtsmißbräuchlich erfolgt.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision im Hinblick auf die widersprüchlichen Entscheidungen 1 Ob 607/89 und 8 Ob 645/91 zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Die Vorinstanzen haben die von der beklagten Partei abgegebene Haftungserklärung zutreffend als abstrakte Bankgarantie qualifiziert, für die der Ausschluß von Einwendungen aus dem Grundgeschäft wesentlich ist. Die in der ausdrücklich als "Bankgarantie" bezeichneten Erklärung enthaltene Wendung, es werde die "unwiderrufliche Garantie" übernommen, "ohne weitere Prüfung binnen acht Tagen nach Einlangen der schriftlichen Aufforderung" zu zahlen, läßt keine andere Auslegung zu (ÖBA 1994/432 mwN). Die Ausführungen der Revision, es sei hier "von keiner völlig abstrakten Zahlungsverpflichtung" auszugehen, verkennen das Wesen der Bankgarantie, das darin liegt, daß dem Begünstigten zunächst einmal auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, Zahlung zu verschaffen ist und daß der Vertragspartner auf die Rückforderungsklage verwiesen wird.

Einwendungen, die sich aus dem Inhalt der Garantieerklärung ergeben, stehen dem Garanten zwar zu, doch darf dies nicht zu einer Aufweichung der Selbständigkeit der echten Garantieverpflichtung führen, ist diese erst einmal - wie im vorliegenden Fall - als solche erkannt. Die Verfehlung des Sicherungszweckes einer Garantie könnte daher nur dann eine Einwendung des Garanten begründen, wenn er sich die genaue Angabe des Sicherungszweckes in der Abruferklärung ausbedungen hätte und die Einforderung des Garantieversprechens im konkreten Fall diesen formellen Anforderungen nicht entspräche. In der bloßen Bezugnahme auf das Valutaverhältnis bei der Abgabe des Garantieversprechens liegt jedoch kein solcher Vorbehalt. Vor allem erlaubt dieser (auch in Bankgarantien) allgemein übliche Hinweis keinen Schluß auf eine akzessorische Haftung, weil dadurch primär nur umschrieben werden soll, welche Leistung eines bestimmten Dritten dem Begünstigten garantiert werden soll (ÖBA 1994/432). Daß im einleitenden Text der Garantieurkunde auf den Abtretungsvertrag und die Nebenvereinbarung vom 1.9.1993 Bezug genommen wurde, steht daher der Abstraktheit der Haftungserklärung nicht im Wege. Soweit die Formulierung, "sofern Sie Ansprüche aus dem oben angeführten Geschäft stellen" überhaupt als vereinbartes Erfordernis, darauf in der Einforderung der Garantiesumme Bezug zu nehmen, anzusehen ist, hat der Kläger diesem ohnehin entsprochen, indem er auf eine Verletzung der Nebenvereinbarung durch den Nebenintervenienten hinwies.

Der Einwand der beklagten Partei, der Kläger sei nicht klagslegitimiert, weil die Garantiesumme nicht ihm, sondern der M***** Limited zustehe, läßt außer acht, daß nach Form und Inhalt der Garantieerklärung unzweifelhaft der Kläger zur Inanspruchnahme der Garantie berechtigt ist, wobei aufgrund der Abstraktheit der Verpflichtung der Frage, wem die Garantiesumme letztlich zugutezukommen hat, nicht weiter nachzugehen ist. Im übrigen kann nach dem Inhalt der vom Erstgericht festgestellten Vereinbarungen keinerlei Zweifel daran bestehen, daß der Kläger mit entsprechender Inkassovollmacht ausgestattet war.

Der Ausschluß von Einwendungen aus dem Valuta- und Deckungsverhältnis ist für die Bankgarantie typisch (SZ 54/189; RdW 1987, 498 uva). Das Gemeinsame aller abstrakten Ansprüche besteht eben darin, daß bei ihrer Inanspruchnahme die Frage der endgültigen materiellen Berechtigung erst in einem "Nachverfahren" geprüft werden soll (SZ 67/111). Dabei soll dann der Begünstigte die für ihn vorteilhaftere Beklagtenrolle haben. Die Schutzwürdigkeit des Begünstigten ist jedoch dann nicht mehr gegeben, wenn er eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl schon eindeutig feststeht, daß er keinen derartigen Anspruch gegen den Dritten hat und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herauszugeben hätte. Die Inanspruchnahme der Garantie würde hier rechtsmißbräuchliche Rechtsausübung darstellen. Bei Beurteilung der Frage, ob dem Begünstigten der Vorwurf des Rechtsmißbrauches zu machen ist, kommt es auf dessen Wissensstand bzw die Beweislage im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie an, wobei allenfalls die Entwicklungen innerhalb eines gewissen kurzen Zeitraumes, nämlich insbesondere noch innerhalb der vereinbarten Leistungsfrist, zugrundezulegen sind. Sofern der vom Gericht zweiter Instanz zur Begründung seines Zulässigkeitsausspruches zitierten Entscheidung 1 Ob 607/89 (= JBl 1990, 177), die einen nicht vergleichbaren Sachverhalt betraf, die allgemeine Aussage einer Maßgeblichkeit des Sachverhaltes bei Schluß der Verhandlung über die gerichtliche Einforderung der Garantieleistung unterstellt werden kann, ist diese durch die nachfolgende Judikatur überholt (ÖBA 1994/432 mwN). Es kommt daher nicht darauf an, ob sich in diesem Verfahren erweisen ließe, daß der Nebenintervenient nicht gegen seine durch Konventionalstrafe gesicherte Verpflichtung, keine Firmengeheimnisse preiszugeben, verstoßen habe.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen rief der Kläger die Bankgarantie deshalb ab, weil sein Bekannter Thomas A***** im Zuge seiner Einvernahme als Kläger in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren gegen die A***** GesmbH am 17.5.1994 angab, daß der Nebenintervenient für seinen Geschäftsanteil S 5,247.000,-- oder S 5,250.000,-- erhalten habe, der stille Gesellschafter Wolfgang F***** nur S 200,000.000,--, obwohl er S 600,000.000,-- an Kapital bereitgestellt habe. Auf die Frage, woher Thomas A***** den Abtretungspreis an den Nebenintervenienten wisse, verwies Thomas A***** auf den Nebenintervenienten und die eingesehenen Verträge. Daß von diesem bereits im Verfahren über den Antrag des Nebenintervenienten auf Erlassung der einstweiligen Verfügung als bescheinigt zugrundegelegten Sachverhalt auch im gegenständlichen Verfahren auszugehen ist, kann nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht zweifelhaft sein. Die diesbezüglichen Ausführungen des Erstgerichtes können im Zusammenhang mit den sonstigen Feststellungen und seiner Beweiswürdigung nur in diesem Sinne und nicht bloß im Sinne der Wiedergabe des Aktenvermerkes, den der Kläger über die betreffenden Äußerungen des Thomas A***** angefertigt hat, verstanden werden. Soweit daher die Revision darzulegen versucht, daß der Aktenvermerk inhaltlich unrichtig ist und daß Thomas A***** eine derartige Äußerung nicht von sich gegeben habe, bekämpft sie in unzulässiger Weise die vom Berufungsgericht gebilligte Beweiswürdigung des Erstgerichtes und geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Der in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht bereits verneint worden sind (hier: die unterlassene Einvernahme des Thomas A*****), können im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 13.7.1995, 6 Ob 595/95, betreffend die vom Nebenintervenienten angestrengte einstweilige Verfügung (die Anlaß dafür war, daß die beklagte Partei die bereits angeordnete Überweisung des Garantiebetrages an den Kläger widerrufen hat) ausgeführt hat, gehört der Abtretungspreis, den der neue Gesellschafter für die Übertragung des Geschäftsanteiles an den Nebenintervenienten zu leisten hatte, zu den Geschäftsgeheimnissen. In dieser Entscheidung wurde dem Kläger auch bereits aufgrund der von ihm im Aktenvermerk festgehaltenen Äußerungen des Thomas A***** zugebilligt, daß ihm mangels eindeutiger und evidenter Beweise für die Unrichtigkeit dieser Äußerungen kein Garantiemißbrauch im Sinne der ständigen Rechtsprechung zu unterstellen sei.

Die Revision der beklagten Partei gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz, die all diese Aspekte bereits berücksichtigte und die der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspricht, war daher zurückzuweisen.

Gemäß den §§ 41 und 50 ZPO hat die beklagte Partei dem Kläger die Kosten der Revisionsbeantwortung, in der auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, zu ersetzen.

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