OGH 7Ob111/99w

OGH7Ob111/99w28.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard M*****, vertreten durch Dr. Hermann Aflenzer und Mag. Christian Ebmer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Hannelore S*****, vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Eigentumsübertragung (Streitinteresse S 720.500), infolge ordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 3. Februar 1999, GZ 1 R 6/99d-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 23. November 1998, GZ 3 Cg 66/98a-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 21.996 (hierin enthalten S 3.666 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Von folgendem (bereits in erster Instanz zwischen den Parteien außer Streit gestellten) Sachverhalt ist auszugehen:

Mit Kaufvertrag vom 1. 10. 1982 verkaufte und übergab der Vater des Klägers an seine damalige Lebensgefährtin und Mutter der nunmehrigen Beklagten den Hälfteanteil an einer Liegenschaft um den Betrag von S 170.000. In Punkt VII. dieses Vertrages vereinbarten die Vertragsparteien ein obligatorisches Belastungs- und Veräußerungsverbot; des weiteren räumte die Käuferin dem Verkäufer zur Absicherung dieses obligatorischen Belastungs- und Veräußerungsverbotes ein Vorkaufsrecht ein. In Punkt IX. räumte die Käuferin auch dem nunmehrigen Kläger ein solches obligatorisches Belastungs- und Veräußerungsverbot samt Vorkaufsrecht ein und verpflichtete sich die Käuferin im selben Punkt des Kaufvertrages überdies, "den vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteil Herrn Gerhard M***** [= Kläger] entweder zu Lebzeiten zu übergeben oder letztwillig zu hinterlassen." Der Kaufvertrag wurde nicht in Form eines Notariatsaktes errichtet; die Vertragsparteien unterfertigten den Kaufvertrag und wurden die Unterschriften notariell beglaubigt. Die Käuferin ist am 7. 8. 1997 verstorben und hat den Hälfteeigentumsanteil an der genannten Liegenschaft dem Kläger weder zu Lebzeiten übergeben noch letztwillig hinterlassen. Die Liegenschaftshälfte wurde vielmehr der Beklagten als Alleinerbin mit Einantwortungsurkunde vom 21. 11. 1997 zur Gänze eingeantwortet. Das Eigentumsrecht an der anderen Liegenschaftshälfte war dem Kläger bereits aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 20. 2. 1995 nach seinem Vater einverleibt worden.

Mit der am 28. 4. 1998 eingebrachten Klage begehrte der Kläger unter Berufung auf Punkt IX. dieses Vertrages die Verurteilung der Beklagten zur Einräumung seines Eigentumsrechtes an der der Beklagten gehörigen Liegenschaftshälfte.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und beantragte kostenpflichtige Klageabweisung, weil der Kaufvertrag die gesetzlich vorgeschriebenen Formvorschriften weder für ein Schenkungsversprechen, eine Schenkung auf den Todesfall oder eine letztwillige Anordnung erfülle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß von einer Schenkungsabsicht des Vaters des Klägers letztlich an diesen auszugehen sei; eine (solche) Schenkung ohne wirkliche Übergabe sei jedoch notariatsaktpflichtig. Auf Seiten der Mutter der Beklagten liege nicht nur kein formgültiges Schenkungsversprechen, sondern auch keine formgültige letztwillige Anordnung vor. Auch für die Annahme einer Schenkung auf den Todesfall fehlten die Voraussetzungen; ein derartiger Vertrag sei ebenfalls notariatsaktpflichtig und bedürfe weiters des ausdrücklichen Verzichtes auf das Widerrufsrecht. Demnach stünde dem Kläger kein unmittelbarer Anspruch gegen die Beklagte auf Einräumung des Eigentumsrechtes der nunmehr ihr gehörigen Liegenschaftshälfte zu.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer Klagestattgebung ab. Es beurteile den Sachverhalt rechtlich dahin, daß die vom Vater des Klägers mit der Mutter der Beklagten geschlossene Vereinbarung ein vertraglich festgelegtes Besitznachfolgerecht beinhalte, welches den Regeln der fideikommissarischen Substitution als "quasi-fideikommissarische Substitution" unterliege und einen tauglichen Titel für den Herausgabeanspruch des Begünstigten, also des Klägers gegen die Erbin, darstelle.

Das Berufungsgericht sprach darüber hinaus aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000 über-, S 260.000 jedoch unterschreite und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, "da zu einer Fallkonstellation wie der gegenständlichen keine Judikatur des OGH zur Verfügung steht".

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, in Stattgebung des Rechtsmittels das klageabweisliche Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung der ordentlichen Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage, hilfsweise die Nichtstattgebung des Rechtsmittels ihrer Gegenpartei beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen ist; der Oberste Gerichtshof hatte nämlich - entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes - Vertragskonstruktionen ähnlich der gegenständlichen mit einem Dritten eingeräumtem Besitznachfolgerecht bereits in zahlreichen Entscheidungen zu beurteilen gehabt und treffen die dort entwickelten Rechtsgrundsätze damit auch auf den vorliegenden Fall zu. Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision ist der Oberste Gerichtshof im übrigen an den Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO auch nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Vorauszuschicken ist zunächst, daß das Berufungsgericht nicht gehalten war, den Einheitswert der streitgegenständlichen Liegenschaftshälfte einer gesonderten amtswegigen Einheitswertermittlung zu unterziehen, ehe es seinen Bewertungsausspruch (über S 52.000 und unter S 260.000) faßte. Die Parteien haben nämlich bereits im Verfahren erster Instanz ausdrücklich und übereinstimmend diesen Einheitswert mit S 167.000 bezeichnet (Klage Punkt 5.; Klagebeantwortung Seite 4). Davon geht die Revisionswerberin selbst auch in ihrem Rechtsmittel aus. Damit ist aber die Bewertung des berufungsgerichtlichen Entscheidungsgegenstandes auch unter Bedachtnahme auf § 60 Abs 2 JN iVm § 500 Abs 3 ZPO nicht zu beanstanden; jedenfalls kann keine Rede davon sein, dieses habe zwingende Bewertungsvorschriften verletzt. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht ohnedies die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision in diesem Streitwert-Zwischenbereich bejaht; läge der (anteilige) Einheitswert unter S 52.000, wäre das Rechtsmittel der Beklagten überhaupt - selbst bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage - jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

Auch der geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor. Dies bedarf gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO keiner näheren Begründung. Klarstellend ist der Revisionswerberin hiezu bloß entgegenzuhalten, daß auch die Qualifizierung der gegenständlichen Vertragskonstruktion als "Besitznachfolgerecht im Sinne einer quasi-fideikommissarischen Substitution" (so bereits ausdrücklich etwa NZ 1982, 138 = RIS-Justiz RS0007955) durch das Berufungsgericht im Tatsachenvorbringen des Klägers, der seinen Anspruch von Anfang an und ausschließlich aus dem Kaufvertrag seines Vaters mit der Mutter der Beklagten ableitete, Deckung findet; daß er selbst seine hierin (unstrittig) von den Rechtsvorgängern beider Streitteile verankerte Rechtsposition als "echten Vertrag zugunsten Dritter" (im Sinne des § 881 Abs 2 ABGB) bezeichnete (ON 4), war - im Gesamtzusammenhang - nur eine (wörtliche) Wiedergabe der vom seinerzeitigen notariellen Vertragsverfasser in Punkt IX. Einleitungssatz des Vertrages Beilage A hiefür gewählten Terminologie, welche das Berufungsgericht somit nicht an einer rechtlichen Umqualifizierung hinderte, weil es insoweit nicht über das Tatsachenvorbringen hinausging und somit lediglich im Rahmen seiner umfassenden rechtlichen Beurteilungspflicht handelte (idS bereits SZ 44/112). Eine Parteiengehörverletzung (zu Lasten der beklagten Partei) ist dem Berufungsgericht damit gleichfalls nicht unterlaufen, weil der beklagten Partei aufgrund des beiderseitigen (großteils sogar ausdrücklich außer Streit gestellten) Vorbringens klar sein mußte, daß die Auslegung des schriftlichen Vertrages vom 1. 10. 1982 nicht nur von Bedeutung, sondern entscheidungsrelevant sein werde, sodaß schon deshalb von einer Überraschung mit einer Rechtsansicht, wenn das Berufungsgericht diese Auslegung in einer der Auffassung der beklagten Partei entgegengesetzten Weise gelöst hat, ebenfalls keine Rede sein kann (6 Ob 620/83).

Die Lösung der aufgeworfenen Rechtsfrage hängt ausschließlich von der Auslegung der Vertragsklausel Punkt IX. im Kaufvertrag vom 1. 10. 1982 ab. Einer Auslegung einer Vertragsklausel kommt - wie der Oberste Gerichtshof bereits vielfach betont hat (RS0044358; 7 Ob 142/97a, 2 Ob 85/99k) - eine über den konkreten Einzelfall hinausreichende Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nur dann zu, wenn aufgezeigt wird, daß die Auslegung durch die Vorinstanzen bestehenden Auslegungsregeln widerspricht, unlogisch oder gar mit den Sprachregeln unvereinbar ist (MietSlg XXXVIII/32; 2 Ob 534/93). Keine dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen wird von der beklagten Partei in ihrer Revision aufgezeigt.

Lehre und Rechtsprechung beurteilen die einem rechtsgeschäftlich Bedachten auferlegte Verpflichtung, die übergebene Sache einer bestimmten dritten Person späterhin zu überlassen, als im Rahmen der grundsätzlich herrschenden Vertragsfreiheit zulässige Vereinbarung eines sog Besitznachfolgerechtes (Eccher in Schwimann, ABGB III2 Rz 8 zu § 608; SZ 44/112, 64/34; NZ 1977, 28, NZ 1989, 217; RS0017044) im Sinne eines Vertrages zugunsten dieses Dritten, der daraus einen mittelbaren Anspruch erwirbt (SZ 44/112; RS0017044). Dieses von der Praxis herausgebildete Rechtsinstitut eines vertraglichen Nachfolgerechtes wird aufgrund seiner Eigentumsbeschränkung wegen der bestehenden Rechtsähnlichkeit (ausführlich Umlauft, Zur Frage der Verbücherungsfähigkeit von Besitznachfolgerechten, NZ 1985, 222 [223 und 227]) regelmäßig wie eine echte fideikommissarische Substitution behandelt (SZ 51/65; 5 Ob 84/95, 4 Ob 194/98b), wobei es aber auf die Bezeichnung nicht entscheidend ankommt; auch eine Eintragung im Grundbuch ist möglich (NZ 1989, 217; SZ 40/94; besonders ausführlich 5 Ob 84/95; 4 Ob 194/98b), jedoch nicht unbedingt erforderlich. Die Analogie zur fideikommissarischen Substitution erscheint dabei umso zwingender, je näher eine solche Vereinbarung an die Regelung typischer Anliegen der Nacherbschaft herankommt (SZ 64/34; 4 Ob 194/98b; RS0012539).

Im gegenständlichen Fall ist diese Rechtsähnlichkeit besonders auffällig und äußerte sich nicht bloß in allfälligen wirtschaftlichen Interessen und Überlegungen, sondern vielmehr in dem besonderen familienrechtlichen Element der zufolge aufrechter Lebensgemeinschaft zwischen dem Rechtsvorgänger (Vater) des Klägers und der Rechtsvorgängerin (Mutter) der Beklagten bestandenen Beziehung, welche es letzterer als Empfängerin zwar freistellte, über den Liegenschaftsanteil entweder zu Lebzeiten oder von Todes wegen, hiebei jedoch ausschließlich zugunsten des nunmehrigen Klägers (Sohn des Verkäufers) und keines anderen zu verfügen und damit die Rückführung dieses Liegenschaftsanteiles in den wie vorher ungeteilt bestandenen Familienbesitz zu gewährleisten. Eine solche Anordnung zwischen den Vertragsteilen als Besitznachfolgerecht im Sinne einer fideikommissarischen Substitution zu qualifizieren, war damit keineswegs rechtlich verfehlt. Daß daran auch die nunmehrige Beklagte gebunden ist, folgt aus ihrer Stellung als Universalsukzessorin im Sinne der §§ 547 ff ABGB.

Zum selben Ergebnis kommt man im übrigen, wenn man im Wege der Auslegung (RS0017113) die vertragliche Verpflichtung der Mutter der Beklagten, die Liegenschaft dem Kläger "entweder zu Lebzeiten [also durch Rechtsgeschäft] zu übergeben oder letztwillig zu hinterlassen", von vornherein als (echten) Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB qualifizierte; abgesehen davon, daß es sich auch hiebei um eine nach den Umständen des Einzelfalles zu lösende Rechtsfrage handelte (RS0017145), wurzelt auch in diesem Fall das "Besitznachfolgerecht" des vertraglich berechtigten Klägers in dem zwischen dem Übergeber als dem Versprechensempfänger und der Übernehmerin als der Versprechenden abgeschlossenen Vertrag (RS0017098), für welchen jedoch - weil es nur auf dieses unmittelbare sog Deckungsverhältnis ankommt - keine besonderen Formvorschriften Platz greifen; die Ausführungen in der Revision zur Rechtsunwirksamkeit wegen behaupteter Nichteinhaltung der Form eines Notariatsaktes wurden vom Obersten Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 5 Ob 17/73 widerlegt (ebenso auch SZ 51/82 sowie RS0017074, 0017109 und 0017147, jeweils mwN). Von einer vertraglichen Verpflichtung (der Mutter der Beklagten) - ausschließlich - zur letztwilligen Hinterlassung der Liegenschaftshälfte an den Kläger im Sinne einer an die Notariatsform gebundenen Schenkung auf den Todesfall kann demnach keine Rede sein. Titel zum Eigentumserwerb des Klägers ist vielmehr der zwischen dem Versprechensempfänger (Vater) und der Versprechenden (Mutter der Beklagten) geschlossene Vertrag zu seinen Gunsten; zwischen dem Versprechenden und dem Dritten (= Kläger) besteht hingegen keine direkte Kausalbeziehung (RS0017174). Unverständlich und nicht nachvollziehbar ist demnach auch der von der Revisionswerberin dem Kläger gemachte Vorwurf, daß er "in diesem Prozeßverfahren nicht als Gesamtrechtsnachfolger seines Vaters und Vertragspartner des Kaufvertrages vom 1. 10. 1982 geriert, sondern seinen Klagsanspruch daraus ableitet, er sei jener begünstigte Dritte aus diesem Vertrage", weil ja gerade und nur aus dieser Rechtsstellung heraus seine Anspruchsberechtigung abgeleitet werden kann.

Zusammenfassend erweist sich damit die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht nicht nur als zutreffend, sondern auch mit dieser ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes in Übereinstimmung stehend. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt demnach nicht vor.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.

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