OGH 7Ob110/22k

OGH7Ob110/22k24.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Z*Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 395.275,99 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. April 2022, GZ 5 R 154/21k‑134, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00110.22K.0824.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Schlüssigkeit des Klagsvorbringens kann jeweils nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden. Die Schlüssigkeitsfrage bildet daher – vom Fall einer Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0037780; RS0116144). Eine solche Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor.

[2] 2. Für das Vorliegen des Versicherungsfalls trifft nach der allgemeinen Risikoumschreibung den Versicherungsnehmer – hier die Klägerin – die Beweislast (RS0043438) und damit die Behauptungslast. Die Klägerin begehrt für bei einem Einbruchsdiebstahl gestohlene bzw beschädigte Sachen Ersatz.

[3] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sie in erster Instanz nicht vorgebracht habe, welche vom gegenständlichen Versicherungsvertrag umfassten Sachen gestohlen, beschädigt oder zerstört worden sein sollen, sie sich dazu und zum angeblichen Wert dieser Sachen zunächst mit dem Verweis auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten und in weiterer Folge mit dem bloßen Verweis auf die Ausführungen des vom Erstgericht bestellten Sachverständigen begnügt habe, obwohl sich die von beiden Sachverständigen beurteilten Gegenstände keineswegs vollständig deckten, ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe Ausdehnungen und Einschränkungen des Klagebegehrens vorgenommen, ohne darzulegen, wie sich die jeweils aktuellen Klagebegehren konkret zusammensetzten. Dass sie damit ihrer Behauptungslast für das Vorliegen des Versicherungsfalls nicht ausreichend entsprochen habe und das Klagebegehren damit unschlüssig sei, ist nicht korrekturbedürftig.

[4] 3. Fehlendes Vorbringen kann grundsätzlich weder durch Verweis auf eine Urkunde noch durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens ersetzt werden (RS0037780 [T13]). Dass der Revisionswerberin die Aufgliederung der begehrten Versicherungsleistung nicht zumutbar gewesen wäre (vgl RS0037907 [T13]), behauptet sie nicht. Mit dem Verweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, dass „die Stromanlage [...] durch die gegenständlichen Kupferdiebstähle unbrauchbar“ geworden sei und der Bezugnahme auf das gerichtliche Sachverständigengutachten zeigt sie nicht auf, dass sie konkretes Vorbringen dazu erstattet hätte, welche einzelnen Gegenstände beschädigt oder gestohlen worden wären. Warum die Auflistung der einzelnen Beschädigungen an der „(Strom‑)Anlage“ „nicht geboten“ sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Die Leistungspflicht des beklagten Versicherers erfasst den Ersatz der versicherten Sachen, die beim Einbruchsdiebstahl entfernt oder beschädigt worden sein sollen. Eine diesbezügliche Aufschlüsselung lässt der erstinstanzliche Sachvortrag der Revisionswerberin vermissen.

[5] 4. Nach § 182a ZPO hat das (Berufungs‑)Gericht das Sach‑ und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und darf seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (RS0037300 [T46]). Es darf daher den Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie nicht aufmerksam gemacht wurden (RS0037300). Nach der herrschenden Rechtsprechung bedarf es aber keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu beurteilen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Verpflichtung nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen der Prozessgegner aufzeigte (RS0122365).

[6] Der behauptete Verfahrensmangel des Berufungsgerichts, der darin liegen soll, dass es eine Überraschungsentscheidung gefällt habe, weil es die Erörterung des Klagebegehrens mit der Revisionswerberin nicht veranlasst habe, liegt nicht vor. Die Beklagte wendete bereits gegen das ursprünglich erhobene Klagebegehren ein, dass die Klägerin darzulegen habe, welche Sachen beschädigt und gestohlen worden wären. Nachdem die Klägerin ihr Klagebegehren ohne nähere Erläuterungen ausgedehnt hatte, verwies die Beklagte darauf, dass der Betrag der Klagsausdehnung nicht nachvollziehbar sei und der gesamte Klagebetrag unschlüssig sei. Sie hielt daher den Unschlüssigkeitseinwand aufrecht. Nachfolgend schränkte die Klägerin ihr Klagebegehren im Hinblick auf das vom Sachverständigen erstattete fünfte Ergänzungsgutachten ein und begehrte nicht mehr die Wiederherstellungskosten, sondern nur mehr den Zeitwert. Weiterhin blieb unklar, für welche konkreten versicherten Gegenstände die Klägerin infolge des Einbruchsdiebstahls Ersatz begehrt. Sie präzisierte trotz entsprechenden Einwands der Beklagten nicht ihr Klagebegehren, sodass das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei die Unschlüssigkeit aufgreifen durfte.

[7] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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