European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00097.18K.0628.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.849,92 EUR (darin 308,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.769,94 EUR (darin 222,49 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger schloss am 30. 12. 2014 über Vermittlung der beklagten Partei mit der T***** Consulting einen Vertrag über ein Nachrangdarlehen in Höhe von 20.000 EUR. Das Nachrangdarlehen war mit einer Laufzeit bis zum 31. 12. 2016 befristet; es war eine Verzinsung in Höhe von 7 % pA vereinbart. Gleichzeitig wurde eine Option unterfertigt, die dem Kläger am Laufzeitende des Darlehens das Recht einräumte, 1.000 Stück stimmrechts‑ und nennwertlose Vorzugsaktien der e***** AG zum Preis von 20 EUR pro Stück zu erwerben.
Der Kläger war an die beklagte Partei mit dem Wunsch herangetreten, in die e***** AG zu investieren. Dies beruhte auf einer Empfehlung seines Sohnes. Ziel der Investition war vorrangig Wertzuwachs, wobei dem Kläger grundsätzlich klar war, dass bei einer Verzinsung von 7 % ein höheres Risiko besteht als bei Sparbüchern. Für das Produkt des Nachrangdarlehens mit der T***** Consulting lag kein Kapitalmarktprospekt auf. Dies war der beklagten Partei bekannt. Diese ging davon aus, dass für dieses Produkt kein Prospekt nötig ist.
Der Kläger begehrt den Ersatz der von ihm geleisteten 20.000 EUR sowie weitere 131,78 EUR aus entgangener alternativer Verzinsung. Hilfsweise begehrt er die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für die Folgen deren Vermittlung dieser Veranlagung. Ihm sei das Nachrangdarlehen als solide Geldanlage verkauft worden, obwohl es sich um ein hochriskantes Produkt gehandelt habe. Die beklagte Partei habe es unterlassen, über die mit dieser Beteiligung verbundenen Risken aufzuklären. Er habe aufgrund der Zusicherungen des Geschäftsführers der beklagten Partei nicht erkennen können, dass es sich um eine hochriskante Veranlagungsform handle. Außerdem liege kein geprüfter Prospekt vor. Es wäre ein kontrollierter Prospekt zu hinterlegen gewesen. Wäre der Kläger über diese Umstände informiert worden, hätte er die Veranlagung nicht erworben. Er hätte vielmehr sein Geld auf dem Sparbuch belassen.
Die beklagte Partei bestritt und beantragte die Klagsabweisung. Dem Kläger als Unternehmer habe klar sein müssen, dass das Nachrangdarlehen eine hochriskante Form der Veranlagung darstelle, für die kein Handelsplatz bestehe. Es liege eine kaum zu übertreffende Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten vor, die ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von 99 % begründe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei ging es von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus. Ergänzend stellte es Folgendes fest:
In den Beratungsgesprächen wurde von der beklagten Partei das Projekt e***** AG sehr positiv dargestellt. Es wurden hauptsächlich die Vorteile dieses Produkts in den Vordergrund gerückt, während die Risken nicht in dem Maße dargestellt wurden, dass für den Kläger das gegebene Risiko eines Totalverlusts des veranlagten Kapitals offenbar wurde. Das von der beklagten Partei aufgesetzte Vertragsdokument über ein Nachrangdarlehen wurde zwar durchgesprochen; eine detaillierte Aufklärung darüber, dass es sich um eine hochriskante Investition handelt, erfolgte allerdings nicht. Die beklagte Partei klärte auch nicht darüber auf, dass für das klagsgegenständliche Nachrangdarlehen kein Kapitalmarktprospekt auflag. Wäre der Kläger darüber informiert worden, dass kein Kapitalmarktprospekt aufliegt, obwohl ein solcher vorgeschrieben gewesen wäre, so hätte er von der Investition Abstand genommen und den Geldbetrag auf seinem Konto belassen.
Die beklagte Partei nahm Nachforschungen über das von ihr angebotene Produkt (Nachrangdarlehen) dahingehend vor, dass im E‑Mail‑Verkehr mit dem Geschäftsführer der T***** Consulting Details und Zukunftsprognosen über die e***** AG erfragt wurden. Die beklagte Partei verließ sich auf die erteilten Auskünfte und stellte keine weiteren Nachforschungen an.
Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass qualifizierte Nachrangdarlehen eine Prospektpflicht nach § 2 KMG auslösten, da sie den Tatbestand der Veranlagung gemäß § 1 Abs 1 Z 3 KMG erfüllten. Bereits in der Entscheidung 4 Ob 184/11d habe der Oberste Gerichtshof auf das Kriterium des Totalverlustrisikos abgestellt. In der Folgeentscheidung 4 Ob 47/16i habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass es vor allem aufgrund des von der Rechtsprechung betonten Anlegerschutzes unvertretbar gewesen sei, anzunehmen, dass die Darlehenskonstruktion im konkreten Fall den Tatbestand der Prospektpflicht nicht erfülle. Die beklagte Partei könne sich daher nicht auf eine vertretbare Rechtsauffassung berufen.
Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der beklagten Partei liege darin, dass diese das Nachrangdarlehen angeboten habe, obwohl kein Kapitalmarktprospekt vorgelegen sei. Auch der Umstand, dass die beklagte Partei nicht über das Fehlen des Prospekts aufgeklärt habe, stelle ein rechtswidriges Verhalten dar.
Die beklagte Partei habe als Versicherungs‑ und Finanzberater den Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB zu vertreten. Sie habe sich als Sachverständiger in fahrlässiger Unkenntnis der Prospektpflicht befunden und hätte daher das Nachrangdarlehen nicht anbieten dürfen.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab.
Von einer ungenügenden Aufklärung des Klägers, eines zum Vertragsabschluss nicht ganz 60 Jahre alten, auch als gerichtlicher Sachverständiger tätigen Unternehmers könne keine Rede sein. Schon aufgrund seiner Lebenserfahrung müsse dem Kläger der Begriff des „Darlehens“ und die damit verbundenen Risken geläufig sein. Zudem sei in der groß textierten Überschrift des vom Kläger unterzeichneten Vertrags der Begriff „Nachrang“ deutlich hervorgehoben. Selbst bei flüchtiger Betrachtung der letzten Seite des Vertrags sei für einen Unterzeichner deutlich die Überschrift „§ 8 Risikobelehrung“ ersichtlich. Schon diese Überschrift verleite zumindest zum Überfliegen des weiteren Textes, in dem ein Totalverlust dieser Anlage angeführt wird. Zusammenfassend habe der Kläger trotz seiner Einstufung als sicherheitsorientierter und konservativer Investor eine selbst für einen Laien auf dem Gebiet der Geldveranlagung leicht erkennbare hochriskante Veranlagung getätigt, bei der schon nach der augenfälligen Natur eines Nachrangdarlehens keine weitere Beratung, insbesondere ein Hinweis auf einen Totalverlust geboten gewesen sei.
Zur Prospektpflicht habe der Kläger kein entsprechendes Vorbringen erstattet. Vielmehr habe sich der Kläger allein auf den weiteren Tatbestand einer „Veranlagung“ gestützt.
Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe bislang die Voraussetzungen zum Vorliegen der Prospektpflicht nicht ausreichend vorgebracht, sei mit ihm nicht erörtert worden. Dem Kläger sei darin beizupflichten, dass die Beurteilung, das auf Tatsachenbehauptungen beruhende notwendige Vorbringen könne durch die rechtliche Beurteilung des Klägers, das Nachrangdarlehen sei „prospektpflichtig“ gewesen, nicht ersetzt werden, in dieser Deutlichkeit erstmals im Berufungsurteil geäußert wurde.
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt.
1.1. Nach § 2 KMG besteht Prospektpflicht ua bei „öffentlichen Angeboten“ über „Veranlagungen“; diese Begriffe werden in § 1 Abs 1 Z 1 und 3 KMG definiert. Nach § 1 Abs 1 KMG in der zum Veranlagungszeitpunkt (30. 12. 2014) anzuwendenden Fassung ist ein öffentliches Angebot eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Bedingungen eines Angebots (oder einer Einladung zur Zeichnung) von Wertpapieren oder Veranlagungen und über die anzubietenden Wertpapiere oder Veranlagungen enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere oder Veranlagungen zu entscheiden. Diese Definition gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren oder Veranlagungen durch Finanzintermediäre. Veranlagungen sind nach § 1 Abs 1 Z 3 KMG Vermögensrechte, über die keine Wertpapiere ausgegeben werden, aus der direkten oder indirekten Investition von Kapital mehrerer Anleger auf deren gemeinsame Rechnung und gemeinsames Risiko oder auf gemeinsame Rechnung und gemeinsames Risiko mit dem Emittenten, sofern die Verwaltung des investierten Kapitals nicht durch die Anleger selbst erfolgt; unter Veranlagungen im Sinne des KMG sind auch alle vertretbaren, verbrieften Rechte zu verstehen, die nicht in § 1 Abs 1 Z 4 KMG genannt sind; Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten unterliegen nicht der Prospektpflicht gemäß § 2 KMG.
1.2. Nach § 2 Abs 1 KMG darf ein öffentliches Angebot im Inland nur erfolgen, wenn spätestens einen Bankarbeitstag davor ein nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erstellter und gebilligter Prospekt veröffentlicht wurde. Dies gilt nicht für öffentliche Angebote, die in den Anwendungsbereich des Alternativ-finanzierungsgesetzes (AltFG) fallen.
Nach § 2 Abs 2 KMG ersetzt bei Veranlagungen die Kontrolle gemäß § 8 Abs 2 KMG die Billigung durch die FMA.
1.3. Der Kläger hat sich von Anfang an auf eine Verletzung der Prospektpflicht berufen. Dabei hat er ausdrücklich vorgebracht, dass es sich um ein öffentliches Angebot im Sinne des § 2 KMG handelte. Die Beklagte hat in erster Instanz dieses Vorbringen sowie die Prospektpflicht als solche nie ausdrücklich bestritten, sondern lediglich vorgebracht, die Beklagte habe im Sinne einer vertretbaren Rechtsauffassung davon ausgehen dürfen, dass das klagsgegenständliche Darlehen nicht prospektpflichtig gewesen sei. Bei dieser Sachlage war das Erstgericht aber nicht verpflichtet, von Amts wegen das allfällige Vorliegen von Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Prospektpflicht zu prüfen. Das Vorliegen einer Ausnahme nach § 3 KMG hätte die Beklagte in erster Instanz zu behaupten gehabt (vgl RIS‑Justiz RS0039939 [insb T14 und T19]).
Soweit die Revisionsbeantwortung nunmehr ausführlich das Vorliegen eines öffentlichen Angebots bestreitet und dabei insbesondere geltend macht, es sei die Ausnahme nach § 3 Abs 1 Z 14 KMG vorgelegen, wonach eine Prospektpflicht dann nicht bestehe, wenn sich ein Angebot an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro EWR‑Vertragsstaat richtet, die nicht qualifizierte Anleger sind, handelt es sich dabei um unbeachtliche Neuerungen. Im Übrigen kann die in der Revisionsbeantwortung zitierte Parteienaussage ein Vorbringen nicht ersetzen (RIS‑Justiz RS0043157).
2.1. Zutreffend hat bereits das Erstgericht darauf verwiesen, dass es sich nach der Entscheidung 4 Ob 47/16i, in der auch zahlreiche einschlägige Literaturmeinungen zitiert wurden, bei einem qualifizierten Nachrangdarlehen grundsätzlich um eine „Veranlagung“ iSd § 1 Abs 1 Z 3 KMG handelt. Im Sinne dieser Entscheidung und der darin zitierten Vorentscheidung 4 Ob 184/11d ist dabei das Vorliegen einer gesellschafts‑ oder schuldrechtlich organisierten Risikogemeinschaft wesentlich, wobei es keinen Unterschied macht, ob diese rechtlich (etwa durch Beteiligung an einer Gesellschaft) oder bloß wirtschaftlich begründet ist. Entscheidendes Bezugsmerkmal für das Vorliegen einer Risikogemeinschaft ist demnach das Bestehen eines Totalverlustrisikos und dass dieses Risiko von der wirtschaftlichen Gebarung bzw vom wirtschaftlichen Erfolg der Emittentin abhängt; daneben spricht auch der Normzweck des KMG für einen möglichst umfassenden Anlegerschutz.
2.2. Nach dieser Judikatur kommt dem Umstand, dass im hier vorliegenden Fall nur eine Laufzeit von zwei Jahren vereinbart war, wobei das Darlehen vorzeitig nur aus wichtigem Grund gekündigt werden konnte, während zu 4 Ob 47/16i ein Darlehen mit einer vierjährigen Kündigungssperrfrist zu beurteilen war, keine entscheidende Bedeutung zu, zumal dies am Vorliegen einer Risikogemeinschaft nichts ändert und das Totalverlustrisiko nicht wesentlich verändert. Der Laufzeit kommt demgegenüber nur untergeordnete Bedeutung zu. Die hier zu beurteilende Laufzeit von zwei Jahren liegt zudem immer noch deutlich über der von Teilen des Schrifttums vertretenen Auffassung, wonach die Untergrenze für den Veranlagungsbegriff erst bei einem Jahr zu ziehen sei (vgl Pittl/Steiner, Wann handelt es sich bei nachrangigen Darlehen um eine Veranlagung iSd KMG?, ZFR 2014, 159). Im Übrigen wäre die Ausnahme für Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten in § 1 Abs 1 Z 3 KMG sinnlos, wenn kurzfristige Veranlagungen von unter einem Jahr nie unter den Veranlagungsbegriff des § 1 Abs 1 Z 3 KMG fielen.
2.3. In der zum UWG ergangenen Entscheidung 4 Ob 47/16i (ErwGr 4.3.) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass es sich bei der Ansicht, ein qualifiziertes Nachrangdarlehen stelle keine Veranlagung im Sinne des KMG dar, nicht um eine vertretbare Rechtsansicht handle, weil die Rechtslage bereits seit der Entscheidung 4 Ob 184/11d eindeutig klargestellt gewesen sei. Im vorliegenden Fall erfolgte die Investition am 30. 12. 2014 und damit deutlich nach dem Vorliegen der genannten Entscheidung.
2.4. Wenngleich aus der Beurteilung eines bestimmten Verhaltens als „unlauter“ iSv § 1 UWG und der Qualifizierung einer Rechtsauffassung als „unvertretbar“ im lauterkeitsrechtlichen Sinn noch nicht zwingend auf ein Verschulden im Sinne des Schadenersatzrechts geschlossen werden kann, ging im vorliegenden Fall das Erstgericht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass der beklagten Partei ein Sorgfaltsverstoß zur Last fällt. Die beklagte Partei hat sich zwar auf die Rechtsauffassung der FMA berufen, wonach diese seit März 2014 davon ausgegangen sei, dass qualifizierte Nachrangdarlehen unter Umständen als Veranlagung gelten könnten. Dies müsse jedoch für den jeweiligen Einzelfall gesondert und abhängig von der tatsächlichen Ausgestaltung beantwortet werden. Eine derartige Prüfung hat die beklagte Partei aber im vorliegenden Fall nicht vorgenommen. Dies hat sie auch nicht behauptet. Nach der Aussage des Geschäftsführers der beklagten Partei hat sich dieser vielmehr bezüglich der Prospektpflicht nur bei Herrn T***** erkundigt. Dass zum Veranlagungszeitpunkt eine entsprechende Einzelfallprüfung möglicherweise zu einem abweichenden Ergebnis hätte führen können, vermag die beklagte Partei jedenfalls dann nicht zu entlasten, wenn sie gar keine diesbezügliche Prüfung angestellt hat.
3.1. Die Beklagte bestreitet auch, dass sie die Prospektpflicht zu beachten habe, weil sie die Definition eines „Anbieters“ iSd § 1 Abs 1 Z 6 KMG nicht erfülle. Nach dieser Gesetzesstelle ist „Anbieter“ eine juristische oder natürliche Person, die Wertpapiere oder Veranlagungen öffentlich anbietet. Grundsätzlich ist von einem weiten Verständnis des Gesetzgebers dahingehend auszugehen, dass jeder, dem eine an das Anlegerpublikum gerichtete Mitteilung iSd § 1 Abs 1 Z 1 KMG zugerechnet werden kann, als Anbieter zu qualifizieren ist (Zib/Russ/Lorenz, KMG § 1 Rz 87). Anbieter ist daher jeder, der eine Mitteilung an das Publikum macht (vgl Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht² [2015] § 11 Rz 25). Neben dem Emittenten hat auch der Anbieter sicherzustellen, dass die Vorschriften des KMG eingehalten werden; ist er hiezu nicht in der Lage, zB weil der Emittent keinen den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechenden Prospekt veröffentlicht, so hat der Anbieter das öffentliche Angebot zu unterlassen bzw zurückzunehmen (RIS‑Justiz RS0125644). Wenn die Beklagte die Veranlagungen öffentlich anbietet, dann trifft sie daher auch die Prospektpflicht; dementsprechend wurde auch in der Entscheidung 2 Ob 32/09h die Verletzung der Prospektpflicht durch ein Kreditinstitut angenommen, „das unter anderem die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere, den Handel mit Wertpapieren auf eigene oder fremde Rechnung sowie die Beratung und die Veranlagung von Kundenvermögen durchführt“.
3.2. Im Übrigen hätte die beklagte Partei, auch wenn sie selbst keine Prospektpflicht träfe, im Rahmen der umfassenden Beratung auf das Fehlen eines erforderlichen Prospekts hinweisen müssen.
3.3. Das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger von der Investition Abstand genommen hätte, wenn er gewusst hätte, dass der vorgeschriebene Prospekt nicht vorlag. Diese Feststellung hat die Beklagte nicht bekämpft. Auf deren Plausibilität ist im Revisionsverfahren daher nicht einzugehen; der Oberste Gerichtshof ist keine Tatsacheninstanz (RIS‑Justiz RS0123663). Da das KMG gerade den Zweck hat, Schädigungen von Anlegern zu vermeiden, liegt der vom Kläger erlittene Schaden auch innerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhangs.
4.1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Klagebegehren nicht schon deshalb unschlüssig, weil nicht auszuschließen ist, dass die T***** Consulting in der Lage sein könnte, ihren Verpflichtungen doch noch nachzukommen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist in den Fällen der Fehlberatung der Schaden bereits durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts eingetreten (RIS‑Justiz RS0022537 [T24]). Der Anleger kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt hätte, ihn also richtig aufgeklärt hätte; der Anleger kann daher nicht die mit dem gekauften Wertpapier theoretisch zu erzielende Rendite fordern, sondern die Beträge, die er bei richtiger Beratung erzielt hätte (RIS‑Justiz RS0108267). In diesem Sinne haftet der Anlegeberater für den Vertrauensschaden (RIS‑Justiz RS0108267 [T2]). Hätte der Anleger bei richtiger Beratung das Produkt nicht erworben, hat er im Rahmen der Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) – Zug um Zug gegen Übertragung der Wertpapiere – Anspruch auf Rückzahlung der gezahlten Kaufpreise abzüglich der erhaltenen Zinszahlungen (vgl RIS‑Justiz RS0108267 [T5]).
4.2. Mit diesen Grundsätzen steht aber die Überlegung des Berufungsgerichts, der Kläger hätte vorbringen und beweisen müssen, dass die T***** Consulting weder die versprochenen Zinsen geleistet noch das Darlehenskapital zurückgezahlt habe, nicht in Einklang. Der Schaden liegt vielmehr bereits im Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Investments (vgl RIS‑Justiz RS0120784).
4.3. Im vorliegenden Fall hat der Kläger schließlich die Verurteilung der Beklagten ohne gleichzeitige Zug-um-Zug-Verpflichtung zur Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Darlehensvertrag begehrt. Dem liegt zu Grunde, dass das mit dem Nachrangdarlehen zur Verfügung gestellte Geld offensichtlich in die „e***** AG“ investiert wurde, die unstrittig insolvent ist. Daher muss davon ausgegangen werden, dass das investierte Geld verloren ist und der Kläger aus dem Darlehensvertrag keine Zahlungen mehr erhalten wird.
4.4. Nach der Rechtsprechung ist ein Verkauf der Wertpapiere für die Geltendmachung des Differenzschadens nicht erforderlich, wenn die Veranlagung endgültig wertlos geworden ist (RIS‑Justiz RS0120784 [T12]). Die Uneinbringlichkeit einer Forderung des Anlegers gegen die Emittentin, über die ein Insolvenzverfahren wegen Vermögenslosigkeit eröffnet wurde, ist einer (endgültigen) Wertlosigkeit der Anlage gleichzuhalten (RIS‑Justiz RS0120784 [T20]). Aus diesem Grund wurde in der Entscheidung 4 Ob 140/12k die Verurteilung des Anlegeberaters zur Rückzahlung des vollen investierten Betrags an den Anleger nicht beanstandet, weil bei einem wertlos gewordenen Investment ein Verkauf weder möglich noch erforderlich sei und somit der Subtrahend bei der Schadensberechnung mittels Differenzrechnung mit Null anzusetzen sei (ErwGr 4).
4.5. Diese Überlegung lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen. Dass es nicht gänzlich auszuschließen ist, dass die T***** Consulting dem Kläger vielleicht noch eine Zahlung leisten wird, steht einer Klagsstattgebung nicht entgegen, weil auch im Fall einer insolventen Emittentin dem Anleger nicht zugemutet werden kann, mit der Klage gegen den Berater bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens über die Emittentin zuzuwarten; im Fall der Leistung einer Zahlung durch die Emittentin an den Anleger etwa im Insolvenzverfahren stünde dem Berater, der den Schadenersatzanspruch erfüllt hat, ein Regressanspruch gegen den Anleger zu (4 Ob 140/12k ErwGr 4. ff).
5. Zusammenfassend erweist sich die Revision daher als berechtigt, sodass die zutreffende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Im Berufungsverfahren war zu berücksichtigen, dass der Streitwert nach der Klagseinschränkung nur mehr 20.131,78 EUR beträgt, was einen Tarifsprung zur Folge hatte.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)