European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121960
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens sind Anträge der Mutter (Antragstellerin) der am 20. 3. 1998 geborenen A* F*, die an einer Chromosomendeletion mit schwerer gesamter Entwicklungsretardierung leidet und sich verbal nicht mitteilen kann, auf Einräumung von (weiteren) Kontakten beziehungsweise der Durchsetzung eines im Jahr 2010 festgelegten begleiteten Kontaktrechts. Der Antragsgegner ist der Vater von A*, bei dem diese lebt. Die Anträge wurden überwiegend vor Erreichen der Volljährigkeit von A* eingebracht; kurz nach diesem Zeitpunkt modifizierte die Antragstellerin ihren Kontaktrechtsantrag dahin, dass ihr ein Kontakt alle fünf Wochen an zwei aufeinander folgenden Tagen in der Dauer von jeweils einer Stunde eingeräumt werde. Sowohl der Antragsgegner als auch A* selbst, vertreten durch ihre Sachwalterin, sprachen sich gegen Kontakte aus; diese lägen nicht im Wohl von A*. Die Vorinstanzen wiesen die Anträge ab.
Rechtliche Beurteilung
1. Mit Beschluss vom 19. 7. 2016 (ON 685) hob das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts ON 675, mit dem dieses das Pflegschaftsverfahren betreffend A* infolge deren eingetretener Volljährigkeit für beendet erklärt hatte, auf und trug dem Erstgericht eine Sachentscheidung über die Kontaktrechtsanträge auf. Über das Zugangsrecht eines Elternteils zu einem volljährigen, jedoch nicht geschäftsfähigen Kind sei zwar im streitigen Verfahren zu entscheiden, der Grundsatz der perpetuatio fori des § 29 JN gelte aber auch im Verhältnis streitiges/außerstreitiges Verfahren; dass A* zwischenzeitig volljährig geworden sei, ändere nichts an der Fortsetzung des Kontaktrechtsverfahrens auf dem außerstreitigen Rechtsweg.
Das Rekursgericht hat mit diesem Beschluss (jedenfalls im Ergebnis) eine Prüfung der Zuständigkeit nach § 40a Satz 2 JN vorgenommen und – wenn auch bloß in der Begründung (vgl 5 Ob 3/88) – festgehalten, dass über die verfahrensgegenständlichen Anträge im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist. Dieser Beschluss wurde mangels Anfechtung rechtskräftig und entfaltet bindende Wirkung (Mayr in Rechberger, ZPO4 [2014] § 40a JN Rz 7 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Auf die Frage der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs kann somit auch vom Obersten Gerichtshof nicht mehr eingegangen werden.
2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 10 Ob 38/12d (EvBl 2013/80 [Fucik]) klargestellt, dass § 148 ABGB (nunmehr: § 187 ABGB idF KindNamRÄG 2013) schon seinem Wortlaut nach nur für minderjährige Kinder gilt, sodass nach Erreichen der Volljährigkeit ein Besuchsrecht (nunmehr: Kontaktrecht) nach dieser Bestimmung nicht mehr bestehen kann. Die Antragstellerin stützt ihre Anträge primär (vgl Revisionsrekurs S 5 Mitte) auf § 148 aF bzw § 187 nF ABGB. Damit bedarf aber die abweisliche Entscheidung der Vorinstanzen insoweit keiner Korrektur. Entgegen der von der Antragstellerin in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs vertretenen Auffassung trat außerdem der vor Erreichen der Volljährigkeit A*s geschaffene Kontaktrechtstitel mit deren 18. Geburtstag außer Kraft. Hinsichtlich des Zeitraums bis zum Eintritt der Volljährigkeit fehlt es schließlich dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin sogar an der Beschwer, ist doch jener Zeitraum, für den Kontakte nach § 187 ABGB angeordnet hätten werden können, längst verstrichen (vgl RIS‑Justiz RS0006880 [T10, T16]).
3. Die Antragstellerin erwähnt in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs „auch“ § 137 ABGB, ohne sich allerdings mit dieser Anspruchsgrundlage näher auseinander zu setzen.
3.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits erwähnten Entscheidung 10 Ob 38/12d ausgeführt, es könne sich aus den zwischen Eltern und Kindern bestehenden wechselseitigen Beistandspflichten nach § 137 Abs 2 ABGB (nunmehr: Abs 1 idF KindNamRÄG 2013), der auch für volljährige Kinder gilt, eine Verpflichtung zum persönlichen Kontakt ergeben. Nach ganz herrschender Auffassung ist die Beistandspflicht aber eine Rechtspflicht, die (im Eltern-Kind-Verhältnis) unmittelbare Sanktionen nur im Unterhaltsrecht (§ 234 Abs 1 ABGB), im Erbrecht (ausführlich dazu jüngst Gitschthaler, Erbunwürdigkeit/Enterbung bei Vernachlässigung familienrechtlicher Pflichten, EF‑Z 2018/51, 108) und (bei minderjährigen Kindern) im Obsorgerecht (§ 181 ABGB) hat, sonst aber lex imperfecta ist (1 Ob 46/01y; 6 Ob 29/09x EF‑Z 2009/137 [Stefula]; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ [2000] § 137 ABGB Rz 4; Barth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2008] § 137 ABGB Rz 14; Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB4 ErgBd 1a [2013] § 137 Rz 22; Fischer-Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 [2017] § 137 Rz 9); denkbar sind vielmehr etwa Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüche, allenfalls auch eine strafrechtliche Verfolgung (Stefula, Zu den allgemeinen familiären Beistandspflichten, ÖJZ 2005, 609; Gitschthaler aaO; Fischer-Czermak aaO). Daran haben auch die Entscheidungen 4 Ob 186/09w und 4 Ob 98/11g (EF‑Z 2012/21 [Hawel, 55] = Zak 2011/702 [Ondreasova, 367]) nichts geändert, wird dort doch bloß klargestellt, dass die lebenslange Beistandspflicht für die Beteiligten ein rechtlich anerkanntes Kontaktverhältnis begründet, in dessen Schutzbereich auch das geschützte Streben nach gegenseitigem persönlichen Kontakt und Zugang fällt, welches von Dritten zu respektieren ist, wobei die Ausübung des Zugangsrechts voraussetzt, dass der zu Besuchende den gewünschten Besuchskontakt nicht ablehnt (dazu Gitschthaler, EF‑Z 2018/51, 108 [113]) und dass das Recht auf eine Weise ausgeübt wird, durch die Rechte Dritter möglichst unberührt bleiben.
3.2. Dass der Oberste Gerichtshof mit der Entscheidung 10 Ob 38/12d im Verhältnis zwischen Eltern und volljährigem Kind einen durchsetzbaren Kontaktanspruch (wie nach § 187 ABGB) begründen wollte, lässt sich dieser Entscheidung nicht zwingend entnehmen (Gitschthaler, EF‑Z 2018/51, 108 [113]; vgl auch Fucik, EvBl 2013/80 [Entscheidungsanmerkung], der mutmaßt, dass „wahrscheinlich dem Obersten Gerichtshof ein streitiges Verfahren zwischen den Eltern vor[schwebte], also [in concreto] eine Klage der Mutter auf Duldung bzw Einräumung von Kontakten gegen den Vater“; möglicherweise aA G. Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB5 [2017] § 137 Rz 1 und Fischer-Czermak aaO – beide aber lediglich unter Hinweis auf die Entscheidung 10 Ob 38/12d), ging es doch dort um die Frage, in welcher Verfahrensart ein derartiges Begehren zu behandeln ist. Einer abschließenden Stellungnahme hiezu bedarf es hier jedoch nicht, weil sich die Antragstellerin zum einen in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs mit dieser Frage überhaupt nicht auseinandersetzt und zum anderen (etwa) ein Begehren auf Unterlassung von Behinderungen oder Störungen von Kontakten gegen den Antragsgegner (vgl 4 Ob 186/09w) nicht erhoben hat.
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