OGH 6Ob81/00f

OGH6Ob81/00f13.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Matthias P*****, geboren am 15. September 1987, Sonja P*****, geboren am 19. März 1989, und Sabine P*****, geboren am 19. November 1991, ***** hier vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft A***** als Unterhaltssachwalter, über deren Revisionsrekurs und den Revisionsrekurs des Vaters Anton P*****, vertreten durch Dr. Gert Üblacker-Risenfels, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 15. Dezember 1999, GZ 10 R 399/99z-25, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Amstetten vom 27. Oktober 1999, GZ 1 P 243/98y-21, teilweise bestätigt und abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der drei Kinder wurde am 17. 12. 1998 im Einvernehmen geschieden. In dem am selben Tag geschlossenen und pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich vereinbarten die Eltern, dass die Obsorge der Mutter zukommen solle. Der Vater verpflichtete sich, ab Dezember 1998 monatliche Unterhaltsbeiträge von 2.900 S für Matthias und von je 2.550 S für Sonja und Sabine zu leisten. Der Unterhaltsvereinbarung wurde der Satz angefügt: "Dieser Unterhaltsverpflichtung des Kindesvaters liegt zugrunde, dass dieser derzeit arbeitslos ist und ein tägliches Arbeitslosengeld von 385,60 S bezieht". Als Berufsbezeichnung des Vaters wurde sowohl im Scheidungsbeschluss als auch im Scheidungsvergleich "Dachdecker" angeführt.

Am 2. 3. 1999 stellte die Mutter den Antrag, die Unterhaltsbeiträge ab 1. 3. 1999 auf je 3.740 S monatlich für Matthias und Sonja und auf 3.250 S monatlich für Sabine zu erhöhen, weil der Vater seit Mitte Jänner 1999 wieder beschäftigt sei, weshalb eine Neubemessung der Unterhaltsbeiträge gerechtfertigt sei.

Der Vater hielt dem entgegen, dass er sich im Scheidungsvergleich "bei prozentueller Unterhaltsbemessung" zu viel zu hohen Unterhaltsbeiträgen verpflichtet habe. Die Unterhaltsbeiträge habe damals sein Anwalt ausgerechnet, dem er vertraut habe. Der Vater stellte seinerseits den Antrag, die monatlichen Unterhaltsbeiträge ab 1. 3. 1999 für Matthias auf 2.550 S und für Sabine auf 2.100 S monatlich herabzusetzen und jene für Sonja nicht zu erhöhen.

Das Erstgericht gab diesen Anträgen des Vaters statt und wies das Erhöhungsbegehren der Mutter ab. Es ging von folgendem Sachverhalt aus:

Der Vater war vom 18. 1. bis 29. 3. 1999 mit einer Unterbrechung in der Zeit vom 2. bis 7. 2. 1999 bei der Firma B***** GesmbH beschäftigt und bezog dort ein monatliches Nettoeinkommen von rund 15.247 S inklusive der anteiligen Sonderzahlungen und unter Einrechnung der Hälfte der Schmutz- und Erschwerniszulage. Vom 30. 3. bis 18. 4. 1999 war er arbeitslos und bezog ein tägliches Arbeitslosengeld von 364,80 S inklusive dreier Familienzuschläge. Seit 19. 4. 1999 ist er bei der Firma G***** GesmbH als Lagerarbeiter beschäftigt und erhält dort 14.635 S netto monatlich inklusive anteiliger Sonderzahlungen. Der Vater ist nicht wieder verheiratet und hat keine weiteren Sorgepflichten. Er ist vermögenslos.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, dass die Unterhaltsbeiträge in der Relation zur Leistungsfähigkeit des Vaters im Scheidungsvergleich viel zu hoch bemessen worden seien. Auf Grund der prozentuellen Berechnungsmethode, nach der - unter Berücksichtigung der Sorgepflichten jeweils für die anderen Kinder - Matthias 17 % und Sabine 15 % des monatlichen Durchschnittsnettoeinkommens des Vaters zustünden, ergäben sich die dessen Antrag entsprechenden Beträge.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des inzwischen bestellten Unterhaltssachwalters teilweise Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichtes dahin ab, dass es sowohl den Erhöhungsantrag der Mutter als auch den Herabsetzungsantrag des Vaters abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass die Parteien den Scheidungsvergleich geschlossen hätten, ohne sich nähere Gedanken über die Höhe der Unterhaltsbeiträge und deren Relation zur Bemessungsgrundlage zu machen. Vielmehr hätten beide Parteien im Wesentlichen übereinstimmend angegeben, ihre Anwälte hätten die Unterhaltsbeiträge ausgerechnet und sie hätten ihnen vertraut. Es stehe daher nicht fest, dass nach der Parteienabsicht diese Relation auch in Zukunft beibehalten werden sollte. Den Parteien und dem Gericht seien alle für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Faktoren bei Vergleichsabschluss und Vergleichsgenehmigung bekannt gewesen. Ein Irrtum über die Tatsachengrundlagen liege daher nicht vor. Am ehesten könne von einem gemeinsamen Rechtsirrtum ausgegangen werden. Ein solcher ändere aber an der materiellen Rechtswirkung des Vergleiches nichts. Dazu bedürfe es vielmehr einer Änderung der Umstände. Daraus folge, dass derzeit weder eine Herabsetzung noch eine Erhöhung der väterlichen Unterhaltspflicht entsprechend einer "Vergleichsrelation" vorzunehmen sei. Es sei eben nicht Parteienabsicht gewesen, eine bestimmte Relation festzusetzen, deren Beibehaltung bei gestiegenem Einkommen des Vaters gleichsam automatisch zu einer Erhöhung der Unterhaltsbeiträge führen müsse. Eine Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge scheitere am gestiegenen Einkommen des Vaters. Im Sinn des § 914 ABGB sei davon auszugehen, dass redliche Parteien für diesen Fall niemals eine Herabsetzung der Unterhaltspflicht vereinbart hätten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu einem vergleichbaren Fall (gemeinsamer Rechtsirrtum der Eltern bei Abschluss des Scheidungsvergleichs auf der Basis umfassend bekannter tatsächlicher Umstände und nachfolgender pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung) noch nicht Stellung genommen habe.

Die gegen diesen Beschluss sowohl vom Vater als auch vom Jugendwohlfahrtsträger namens der Kinder erhobenen ordentlichen Revisionsrekurse sind zulässig; sie sind aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Kann ein pflegschaftsgerichtlich genehmigter Vergleich bei Bedachtnahme auf die im § 914 ABGB verankerten Auslegungsgrundsätze nur dahin verstanden werden, dass die darin festgehaltenen Relationen auch weiteren Unterhaltsfestsetzungen zugrunde gelegt werden sollten, dann darf die Entscheidung über ein Unterhaltserhöhungsbegehren nicht einfach von der bisherigen vergleichsweisen Regelung abgekoppelt und der darin unter Bedachtnahme auf die damals gegebenen Verhältnisse zum Ausdruck gebrachten Konkretisierung der Bemessungsgrundsätze völlig losgelöst getroffen werden (RZ 1992/58). Es ist die Auslegungsfrage entscheidend, was die Parteien mit ihrem Unterhaltsvergleich für die Zukunft regeln wollten, wobei es auf die allgemeinen Auslegungsgrundsätze ankommt (6 Ob 207/98d). Wollten die Parteien eine für spätere Zeiträume verbindliche feste Relation zwischen dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen und den Unterhaltsleistungen nicht herstellen, ist bei einem späteren Erhöhungsbegehren von der gesetzlichen Regelung auszugehen (1 Ob 529/92; 2 Ob 33/99p). "Vergleichsrelationen" sind bei späteren Unterhaltsfestsetzungen (nur) dann zu berücksichtigen, wenn im Vergleich darauf abgestellt wurde, dass diese Relation auch in Zukunft keine Änderung erfahren solle (1 Ob 281/98z). Dies gilt auch dann, wenn die Relation zwischen Einkommen und vereinbartem Unterhalt im Vergleich nicht zum Ausdruck kommt (3 Ob 69/91; 7 Ob 208/98h).

Eine Neufestsetzung des Unterhalts ist dann zulässig, wenn neue Umstände hervorgekommen sind, die eine andere Sachlage ergeben als jene, die dem Vergleich zugrunde lagen, wobei dies auch für einen Unterhaltsherabsetzungs- oder -erhöhungsantrag gilt, wenn im Unterhaltsvergleich irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen wurde. Eine Anfechtung des Vergleiches wegen Irrtums im streitigen Verfahren ist in einem solchen Fall nicht erforderlich (9 Ob 302/97w mwN; 4 Ob 319/98k). Wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, sind aber im vorliegenden Fall keine Umstände hervorgekommen, die einen Irrtum der Parteien über die tatsächlichen Grundlagen der Unterhaltsbemessung, insbesondere über das Einkommen des Vaters, nahelegen.

Dem Rekursgericht ist aber insoweit beizupflichten, dass sich unter den gegebenen Umständen eine Auslegung des Vergleiches dahin, die Parteien hätten eine fixe Relation zwischen den für die Kinder im Vergleich festgelegten Unterhaltsbeiträgen und dem im Zeitpunkt des Scheidungsvergleiches erzielten Einkommen des Vaters, also dem Arbeitslosengeld von lediglich 385,60 S täglich (11.568 S monatlich), festlegen wollen.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits ausgesprochen, es könne nicht zweifelhaft sein, dass die Parteien weitere Unterhaltsfestsetzungen an die im Vergleich festgehaltenen Bemessungsparameter binden wollten, wenn im Vergleich dargelegt wurde, dass der Unterhalt auf der Grundlage eines dort näher bezeichneten Einkommens vereinbart wurde (4 Ob 201/97f; 1 Ob 281/98z; 2 Ob 33/99p). Daraus lässt sich aber für den vorliegenden Fall nicht der Schluss ziehen, der Vater habe sich tatsächlich verpflichten wollen, seinen drei Kindern jetzt und in Zukunft insgesamt 70 % (oder bei fortschreitendem Alter der Kinder auch noch mehr) seines jeweiligen Einkommens zur Verfügung zu stellen.Vielmehr ergibt sich aus dem Hinweis im Vergleich auf die derzeitige Arbeitslosigkeit des Vaters und aus der Tatsache, dass der Vater bis kurz vor der Scheidung berufstätig war (vgl die Darstellung der Mutter anlässlich ihres Erhöhungsantrages ON 6), bereits im Jänner 1999 wieder Arbeit gefunden hat und nach kurzer Arbeitslosigkeit abermals eine Arbeitsstelle antrat, dass im Scheidungszeitpunkt mit einer bloß kurzfristigen Arbeitslosigkeit und baldigen Wiederaufnahme einer Beschäftigung des Vaters zu rechnen war. Die Parteien konnten wohl davon ausgehen, dass der Vater in absehbarer Zeit wieder ein für seinen Ausbildungsstand übliches Einkommen erzielen werde, zumal gerade in der Baubranche saisonbedingte Zeiten der Arbeitslosigkeit (speziell im Winter) nichts Außergewöhnliches sind. Hätte der Vater nicht mit einem baldigen Wiedereintritt ins Berufsleben gerechnet, wäre es überhaupt unverständlich, dass er sich eine Unterhaltspflicht von 8.000 S monatlich aufbürdete, weil ihm vom aktuellen Arbeitslosengeldbezug dann etwa nur 3.500 S zum Leben geblieben wären.

Nach herrschender Ansicht ist bei schwankendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen das in einem längeren Beobachtungszeitraum erzielte Durchschnittseinkommen als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen. Bei saisonbedingt immer wiederkehrender kurzfristiger Arbeitslosigkeit des Unterhaltsschuldners bildet das auf der Basis des Jahresnettoeinkommens errechnete monatliche Durchschnittseinkommen eine geeignete Bemessungsgrundlage. Eine kurzfristige saisonelle, d.h. zeitlich ungefähr vorhersehbare Arbeitslosigkeit gibt keinen Anlass für eine Unterhaltsherabsetzung. Vom Unterhaltspflichtigen ist zu erwarten, dass er seiner schwankenden Einkommenssituation durch entsprechende Vorkehrungen Rechnung zu tragen hat (7 Ob 248/99t mwN). Im Sinn dieser Rechtsprechung ist der Verweis auf die "derzeitige" Arbeitslosigkeit des Vaters im Zusammenhang damit, dass die Unterhaltsverpflichtung von 8.000 S monatlich bei einem längeren Bezug von bloß etwa 11.500 S monatlich für einen vermögenslosen Erwachsenen kaum zu erfüllen ist, nur dahin zu verstehen, dass der Vater eine kurzfristige Arbeitslosigkeit nicht als Anlass dafür ansah, seinen Kindern in dieser Zeit geringere Unterhaltsleistungen als sonst zu erbringen.

Da sich seine Einkommenssituation nunmehr offenbar erwartungsgemäß normalisiert hat, kann von einer wesentlichen, zur Neubemessung des Unterhaltes in die eine oder andere Richtung Anlass gebenden Änderung der Verhältnisse keine Rede sein. Der Erhöhungs- wie auch der Herabsetzungsantrag wurden nur wenige Monate nach der im Scheidungsvergleich fixierten Unterhaltsverpflichtung gestellt. Obgleich die mj Sonja in der Zwischenzeit 10 Jahre alt wurde und damit in eine Altersgruppe kam, in der der Bedarf schematisch gesehen sprunghaft wächst, besteht für eine Erhöhung mitten im Schuljahr ohne sonstige Änderung der Verhältnisse auch bei ihr kein Anlass.

Der Vater hat nicht einmal selbst behauptet, seine Einkommenssituation sei im Zeitpunkt des Scheidungsvergleiches (selbst bei Zugrundelegung eines jährlichen Durchschnittseinkommens auch während der Zeit der Arbeitslosigkeit) wesentlich besser gewesen, sodass auch eine Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge nicht in Betracht kommt. Eine allfällige Verbesserung der Verhältnisse zum Vorteil des Vaters kann, wie schon das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht dazu führen, dass die Unterhaltsleistung herabgesetzt wird (vgl die bereits vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 4 Ob 242/97k). Das nunmehr erstmals im Revisionsrekurs des Vaters erstattete Vorbringen, er habe sich nur deshalb zu derart hohen Unterhaltsbeiträgen verpflichtet, weil er den Kindern unmittelbar nach der Scheidung eine Mehrleistung zukommen lassen wollte, damit diese eine sicherlich schwierige Zeit leichter durchstehen, lässt sich mit dem Wortlaut des Vergleiches nicht in Einklang bringen und besagt im Übrigen noch nicht, dass dieses Motiv auch der Mutter bekannt war und die im Scheidungsvergleich fixierten Unterhaltsbeiträge tatsächlich nach dem übereinstimmenden Parteiwillen befristet sein sollten.

Die die jeweiligen Begehren auf Änderung der Unterhaltsbeiträge abweisende Entscheidung des Rekursgerichtes war daher zu bestätigen.

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