European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00067.23F.0925.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen stellten fest, dass die Stiftungsurkunde und die Stiftungszusatzurkunde der Erstbeklagten jeweils im Umfang zweier bestimmter Punkte der Änderungsurkunde vom 10. 4. 2014 unwirksam sind. Die darüber hinausgehenden Begehren des Klägers auf Aufhebung der Urkunde über die Änderung der Stiftungsurkunde vom 17. 4. 2009 ex tunc, der Feststellung der Unwirksamkeit der Stiftungszusatzurkunde im (gesamten) Umfang der Änderungsurkunden vom 9. 1. 2009, 17. 4. 2009, 10. 4. 2014 und 3. 12. 2015 sowie der Stiftungsurkunde im Umfang der Änderungsurkunde vom 10. 4. 2014 (samt den jeweiligen Eventualbegehren und der Verpflichtung der zugehörigen Anmeldungen im Firmenbuch) wiesen sie ab.
Rechtliche Beurteilung
[2] In seiner dagegen erhobenen außerordentlichen Revision kann der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen:
[3] 1. Hinsichtlich der begehrten Feststellung der Unwirksamkeit der Stiftungszusatzurkunde in der Fassung vom 9. 1. 2009 geht die Revision auf die Begründung des Berufungsgerichts zum fehlenden rechtlichen Interesse an der Feststellung (weil jene Fassung durch die nachfolgende Änderung vom 17. 4. 2009 „obsolet“ geworden sei) nicht ein.
[4] 2. Zur angeblich krassen Verkennung der Rechtslage in Ansehung der Regelung über eine nachträgliche Beschränkung des Änderungs‑ und Widerrufrechts eines verbliebenen Stifters auf Basis der Stiftungsurkunde vom 17. 4. 2009 kann die Revision auf die Entscheidung 6 Ob 200/20k verwiesen werden.
[5] 3. Wenn sämtliche früheren Fassungen der Stiftungsurkunde (der im Jahr 2000 errichteten Stiftung) ebenfalls hinsichtlich des Änderungsrechts des Stiftungsvorstands ein Zustimmungserfordernis vorsahen, der Kläger aber weder sämtliche Fassungen, vor allem aber auch nicht die „Ursprungsfassung“ angreift, sondern vielmehr im Eventualbegehren die Unterfertigung eines Notariatsakts anstrebt, der auf Fortgeltung der früheren im Firmenbuch eingetragenen Stiftungsurkunden gerichtet ist, erweist sich seine Fragestellung auch hier (zur Änderung vom 17. 4. 2009) als solche von rein theoretischer Natur (vgl RS0002495). Es fehlt ihm diesbezüglich wiederum ein Feststellungsinteresse.
[6] 4. Das Berufungsgericht erkannte die Berufung des Klägers auf § 879 Abs 3 ABGB (im Zusammenhang mit einer fehlenden Einbindung des Klägers bei der Vorbereitung der Urkunde) aus zweierlei Gründen als nicht berechtigt. Es sah die Ausführungen in der Berufung dazu zum einen als gegen das Neuerungsverbot verstoßend und zum anderen überdies auch als inhaltlich nicht zutreffend an. Gegen die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Neuerungsverbot wendet sich der Kläger anlässlich seiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der vermeintlichen Anwendung von § 879 Abs 3 ABGB auf den vorliegenden Fall nicht.
[7] 5. Zur Frage der Teil‑ oder Totalnichtigkeit von Änderungen besteht bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (zur Stiftung vgl 6 Ob 122/16h [ErwGr 2.5.1.]). Danach ist bei objektiver Betrachtung darauf abzustellen, ob der Beschluss auch ohne den nichtigen Teil gefasst worden wäre.
[8] Der dem Berufungsgericht gemachte Vorwurf, es habe bei seinem Verweis auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts nach § 500a ZPO übersehen, dass nicht nur das Änderungsrecht, sondern auch das Widerrufsrecht (in Bezug auf die Änderungen vom 10. 4. 2014) betroffen sei, ist unrichtig, zumal das Berufungsgericht ausdrücklich den Standpunkt des Klägers zu einer „Gesamtnichtigkeit der Änderungs‑und Widerrufsbestimmungen“ referierte und es das Ersturteil auch zur Unwirksamkeit von Punkt 14. der Stiftungsurkunde vom 10. 4. 2014 („Widerrufsbestimmungen“) bestätigte. Überdies erwähnte das Erstgericht in den verwiesenen Ausführungen, die sich das Berufungsgericht gemäß § 500a ZPO zu eigen machte, beide Punkte („Änderung und Widerruf“; „Punkte Dreizehntens und Vierzehntens“) und ging auf deren Trennbarkeit von den „übrigen Änderungen“ ein.
[9] 6. Der Fachsenat hegt keine Bedenken dagegen, dass im streitigen Verfahren bezogen auf Bestimmungen, die allesamt im Firmenbuch (als notwendige Bedingung der Wirksamkeit) schon eingetragen waren und zu denen nur bei einzelnen Gründen für deren Gesetzwidrigkeit vorliegen, die Vorinstanzen nach durchgeführter objektiver Betrachtung unter Abwägung der diesbezüglichen Argumente von einem auf Restgültigkeit gerichteten Willen ausgingen. Deren Beurteilung, es wäre lebensfremd anzunehmen, dass die anderen Änderungen ansonsten (nämlich ohne die „inkriminierten“ einzelnen Bestimmungen) nicht vorgenommen wären, stellt die Revision auch keinerlei stichhaltigen Argumente entgegen. Die vom Kläger vorgenommene (aber schon in 6 Ob 122/16h [ErwGr 2.5.3.] und 6 Ob 100/22g [Rz 48] nicht geteilte) Auslegung (grundsätzlich kein Zurückfallen auf davor gültige Regelungen) hätte die Konsequenz, dass jegliche Neufassung einer Stiftungsurkunde schon bei jedem geringsten Beschlussmangel in Bezug auf einzelne abgegrenzte Punkte zum Fehlen einer Stiftungsurkunde überhaupt führen würde. Jede Art der Neufassung der Stiftungsurkunde könnte damit dem häufig verfolgten Zweck, Klarheit in Bezug auf den gesamten Inhalt der („einen“) Stiftungsurkunde zu schaffen, nicht dienen, sondern wäre dieser Vorgang mit erheblichem und in aller Regel von den Stiftern naturgemäß nicht gewolltem Risiko behaftet.
[10] 7. Wenn das Privatstiftungsgesetz von „der“ Stiftungsurkunde spricht, bedeutet dies nicht, dass sich aufgrund von deren Änderungen ihr gesamter Inhalt nur aus einer einzigen, nicht aber aus mehreren Urkunden ergeben kann. Gerade § 39 Abs 3 PSG (Vorlage einer [zusätzlichen] separaten Urkunde mit dem gesamten nun gültigen Wortlaut bei Vornahme einer Änderung; vgl auch § 51 Abs 1 GmbHG, § 148 Abs 1 AktG), auf den sich die Revision für einen „Grundsatz der einen und einzigen Urkundenfassung“ beruft, zeigt deutlich, dass sich die aktuelle Fassung der (einen) geänderten Stiftungsurkunde aus mehreren Beschlussfassungen und den damit einhergehenden Urkunden ergeben kann. Regelungsanliegen des § 39 Abs 3 PSG ist es, beim Firmenbuch jederzeit ohne fehleranfällige Kompilierungsmaßnahmen den aktuellen Inhalt der Stiftungsurkunde feststellen zu können (Arnold, PSG4 [2022] § 39 Rz 12).
[11] Im Hinblick darauf, dass mit dem Urteil bindend zwischen der Stiftung und allen Stiftern Klarheit darüber geschaffen ist, welche Bestimmungen nicht wirksam sind, wird es hier in sinngemäßer Anwendung von § 33 Abs 3 und § 39 Abs 3 PSG geboten sein, nach Vorliegen des rechtskräftigen Urteils in diesem Verfahren im Firmenbuch auch diesbezüglich eine Eintragung einer Rechtstatsache vorzunehmen („Urteil vom ....: Unwirksamkeit der Bestimmungen der Stiftungsurkunde in den Punkten … laut Änderung vom ….“) und der Anmeldung eine sich nach den Wirkungen des Urteils ergebende Fassung (Kompilation) des aktuellen Wortlauts der Stiftungsurkunde iSd § 39 Abs 3 PSG beizufügen.
[12] 8. Dass mehrere Mitstifter grundsätzlich eine wechselseitige Treuepflicht trifft, aus der sich im Einzelfall – sofern sich die Mitstifter dieses Recht vorbehalten haben – auch eine Pflicht zur Änderung der Stiftungserklärung ergeben kann, ist bereits in der Rechtsprechung des Höchstgerichts anerkannt, ebenso dass sich Inhalt und Grenzen dieser Treuepflicht nach dem Stiftungszweck und den den Mitstiftern zustehenden Einwirkungsmöglichkeiten ergeben (vgl RS0115134 [T2]). Wie weit die Treuepflicht geht und ob sie im Einzelfall verletzt wurde, ist eine Frage des Einzelfalls. Ein Gleichbehandlungsgebot ähnlich § 47a AktG ist im Privatstiftungsrecht nicht normiert, sondern prävaliert vielmehr die Privatautonomie.
[13] Die unter dem Titel Treuepflichtverletzung angestellten Überlegungen dazu, ob einem Stifter ohne seine Mitwirkung und sogar gegen seinen Willen sein Recht zur Mitwirkung an der Änderung der Stiftungserklärung bzw am Widerruf der Privatstiftung entzogen werden könnte, müssen nicht nachverfolgt werden, weil rechtskräftig feststeht, dass die diesbezüglichen Regelungen der Punkte 13. und 14. der Änderungsurkunde vom 10. 4. 2014 unwirksam sind. Hinsichtlich der Begünstigtenstellung kann ausgehend von der notwendigen Einzelfallbezogenheit dieser Frage ebenfalls keine Unvertretbarkeit des berufungsgerichtlichen Ergebnisses dargestellt werden, wenn die Stellung als Begünstigter beim Kläger überdies noch vom Vorversterben der Drittbeklagten abhängig ist, sodass dem Kläger als aktuell nicht Begünstigtem noch gar keine Begünstigtenrechte zukommen (vgl 6 Ob 24/21d; 6 Ob 179/21y).
[14] Der Kläger hat im Übrigen – anders als die anderen Stifter – keine Sacheinlage eingebracht. Seine Leistung beschränkte sich auf einen (wertmäßig viel geringeren) Barbetrag von 5.000 ATS. Ein Pflichtteilsverzicht wurde nicht abgegeben und bestanden auch keine Zusagen im Sinne einer unabänderlichen oder nur mit seiner Zustimmung abänderbaren Begünstigtenstellung. Inwiefern spätere und gar nicht klagsgegenständliche Änderungen bezogen auf zeitlich zum Teil bis zu mehr als zehn Jahren zurückliegende Änderungen und der schlichte Umstand einer Vielzahl von Änderungen („in einer Gesamtbetrachtung“) einen Verstoß gegen Treuepflichten zur Folge haben sollten, erschließt sich nicht.
[15] 9. Rechtliche Schlüsse, die aus „vorenthaltenen“ Änderungen bzw einer „unbekannten“ Entwurfsfassung gezogen werden, finden keine Deckung im festgestellten Sachverhalt, sodass die daran geknüpften Ausführungen nicht beachtlich sind.
[16] Der (überstimmte) Kläger war bei den Beschlussfassungen am 10. 4. 2014 und 3. 12. 2015 anwesend und unterschrieb die Notariatsakte jeweils (siehe dazu auch Beil ./BA [RS0121557]). Die von ihm behauptete mangelnde Geschäftsfähigkeit eines bestimmten Stifters steht nicht fest. Es bedarf die zur Meinung des Klägers, es liege „Gesamtnichtigkeit der Änderungen vom 10. 4. 2014 sowie 3. 12. 2015 infolge Nichtmitwirkung der klagenden Partei bei Errichtung der jeweiligen Notariatsakte“ vor, abschlägige Beurteilung des Berufungsgerichts, er habe ausreichend an der Errichtung der Notariatsakte mitgewirkt, keiner Korrektur im Einzelfall. Dahingestellt bleiben kann damit, ob es wegen der Änderungsklausel (wonach für einen „wirksamen“ Beschluss auf Änderung der Stiftungserklärung die einfache Mehrheit der Stifter erforderlich ist) nicht ohnehin genügt, wenn (bloß) die dem Mehrheitserfordernis entsprechende Anzahl an Stiftern an der Erklärung mitwirkt (vgl die Überlegungen von Briem in seiner Glosse zu 6 Ob 210/14x, GesRZ 2015, 148).
[17] 10. Insgesamt vermag die Revision damit nicht darzustellen, dass anlässlich des konkreten Rechtsstreits erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zu klären wären (vgl RS0043644 [T3, T4]).
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