Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das pflegebefohlene Kind kam am 2. Oktober 1982 als eheliches Kind zur Welt. Die sechs Monate zuvor geschlossene Ehe seiner Eltern wurde mit Beschluß vom 18. September 1985 gemäß § 55 a EheG geschieden. Die Obsorge für das Kind kommt im Sinne einer pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vereinbarung der Eltern der Mutter allein zu, bei der das Kind auch seit der Trennung der Eltern aufwächst. Jeder der beiden Elternteile ist eine neue Ehe eingegangen.
Zum persönlichen Verkehr zwischen Kind und Vater hatten die Eltern in der im Zuge des Scheidungsverfahrens geschlossenen Vereinbarung ihre Einigung darüber ausgedrückt, daß der Vater "ein Recht auf freien Verkehr in Ausübung des Besuchsrechtes" haben sollte. Dennoch widersetzte sich die Mutter schon einen Monat nach der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung dieser Vereinbarung im Zusammenhang mit einem vom Vater gestellten Antrag auf konkretere Regelung seines persönlichen Verkehrs mit dem Kind jeder Besuchsausübung und begründete das mit einer angeblichen Abneigung des Kindes gegen seinen Vater. Das Pflegschaftsgericht traf mit dem Beschluß vom 5. Dezember 1986 (ON 26, bestätigt durch Rekursentscheidung vom 3. Februar 1987, ON 34) die Regelung, daß der Vater berechtigt ist, das Kind an jedem zweiten Samstag im Monat um 8 Uhr von der Wohnung der Mutter abzuholen, wobei die Mutter verpflichtet ist, das Kind zur Abholung durch den Vater bereitzuhalten, und der Vater verpflichtet ist, das Mädchen am Besuchstag um 19 Uhr wieder zur Mutter zurückzubringen (näheres in 6 Ob 561/87).
Diese Regelung blieb - ungeachtet der Beiziehung von Beamten des Jugendamtes - praktisch unausgeführt.
Aus der erklärten subjektiven Ansicht, es wäre für das Kind gut, wenn es den Vater überhaupt vergesse, nahm die Mutter die verschiedensten Umstände zum Anlaß, ihre Tochter dem Vater jeweils nicht zur Besuchsausübung zu übergeben, zuletzt mit der Begründung, das Kind fürchte den Vater, lehne ihn ab und sträube sich gegen jeden persönlichen Verkehr mit ihm. Einem am 24. Juli 1987 gestellten Antrag des Vaters auf Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter zur Durchsetzung der Besuchsausübung setzte die Mutter den Antrag auf Aussetzung jeder Besuchsausübung durch den Vater entgegen. Das Pflegschaftsgericht wies den Antrag der Mutter ab und verhängte gleichzeitig über sie wegen Verhinderung der Besuchsausübung durch den Vater eine Geldstrafe von S 5.000,--, die das Rekursgericht auf S 3.000,-- herabsetzte (näheres in 6 Ob 587/88).
Am 15. November 1988 stellte die Mutter durch ihren anwaltlichen Vertreter den Antrag, die Besuchsausübung durch den Vater zumindest auf die Dauer eines Jahres auszusetzen. Das Pflegschaftsgericht holte ein psychologisches Gutachten ein und wies auf dieser Grundlage den Antrag der Mutter auf Aussetzung der Besuchsausübung durch den Vater ab. Gleichzeitig verhängte es über die Mutter wegen fortgesetzter Verhinderung der Besuchsausübung eine Geldstrafe von S 10.000,--. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Am 23. Januar 1989, noch vor Fällung der zuletzt erwähnten bestätigenden Rekursentscheidung, stellte die Mutter unter Darstellung des gescheiterten Besuchstermines vom 21. Januar 1989 neuerlich einen, beim Erstgericht am 27. Januar 1989 eingelangten Antrag auf Aussetzung der Besuchsausübung auf ein Jahr. Gleichzeitig beantragte sie, wie schon einmal im Februar 1988 damals als Studentin, wegen "Komplexität des Rechtsstreites" die Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Beigabe eines Rechtsanwaltes. Die ihr seinerzeit bewilligte Verfahrenshilfe war mit Beschluß vom 15. November 1988 mit Rücksicht auf ihr Einkommen als Versicherungsangestellte "aufgehoben" worden (II. Band, AS 67). Der Vater berichtete dem Pflegschaftsgericht über einen gescheiterten Versuch der Besuchsausübung vom 4. März 1989, sprach sich entschieden gegen die neuerlich beantragte Aussetzung der Besuchsausübung aus und beantragte am 10. März 1989 die Anwendung weiterer Zwangsmittel:
Mit dem Beschluß vom 10. März 1989 wies das Pflegschaftsgericht den Antrag der Mutter auf Aussetzung der Besuchsausübung ab (Punkt 1), verhängte über die Mutter wegen Verhinderung der Besuchsausübung eine weitere Geldstrafe von S 20.000,-- (Punkt 2) und wies den Verfahrenshilfeantrag der Mutter ab (Punkt 4). Die Mutter schloß ihrem Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluß den Bericht eines Fachpsychologen über seine Wahrnehmungen anläßlich der versuchten Besuchsausübung des Vaters vom 4. März 1989 samt gutächtlicher Äußerung dazu an.
Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung in sämtlichen angefochtenen Punkten.
Dazu führte das Rekursgericht zur neuerlich beantragten Aussetzung der Besuchsausübung aus, die Verhältnisse seien in den entscheidenden Belangen seit der unmittelbar vorangegangenen Entscheidung gleich geblieben, woran auch der Inhalt des dem Rekurs angeschlossenen Privatgutachtens nichts zu ändern vermöge. Die Verhängung einer weiteren Beugestrafe sei gerechtfertigt, weil nach der Aktenlage bescheinigt sei, daß es die Mutter weiterhin an einer entsprechenden, ihr zumutbaren Einwirkung auf das nun im 7. Lebensjahr stehende Mädchen fehlen ließe, um das Kind auf die Besuche des Vaters vorzubereiten. Die Abweisung des Verfahrenshilfeantrages der Mutter billigte das Rekursgericht aus der Erwägung, daß die Bemühungen der Mutter ausschließlich auf eine Vereitelung der Besuchsausübung durch den Vater abzielten und dieses Verhalten als Mutwille zu qualifizieren wäre.
Die Mutter ficht die bestätigende Rekursentscheidung unter Benennung der Aktenwidrigkeit und der offenbaren Gesetzwidrigkeit als Rechtsmittelgründe mit den Anträgen auf Stattgebung ihres Aussetzungsantrages und ihres Verfahrenshilfeantrages sowie auf Abweisung des Vollstreckungsantrages des Vaters an; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Die Anfechtung der zweitinstanzlichen Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag ist unzulässig, weil die nach Art VIII, § 3 Abs 1 VerfHG angeordnete sinngemäße Anwendung der Regelungen über die Verfahrenshilfe im Verfahren außer Streitsachen auch die Anwendung des Rechtsmittelausschlusses nach § 528 Abs 1 Z 3 ZPO bedeutet (EvBl 1977/175 uva).
Die rekursgerichtliche Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung zur Besuchsausübung kann gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nur wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder wegen Nichtigkeit angefochten werden. Keiner dieser Anfechtungsgründe wird im Revisionsrekurs schlüssig ausgeführt. Die Auffassung des Rekursgerichtes, an der rechtlichen Verpflichtung der Mutter als dem sorgeberechtigten Elternteil, ihr nunmehr ins schulpflichtige Alter getretene Kind - unter Beherrschung ihrer eigenen Animositäten gegenüber dem geschiedenen Ehepartner - auf die Besuche durch den Vater als dem nicht sorgeberechtigten Elternteil auch einstellungsmäßig vorzubereiten (wie das von ihr beispielsweise auch für den Pflichtschulbesuch oder eine Pflichtschutzimpfung erwartet werden müßte, auch wenn sie selbst aus subjektiver Überzeugung gegen einen Schulbesuch oder eine Impfung des Kindes eingestellt wäre), habe sich auch durch die fortdauernde emotionale Ablehnung und die damit ausgeübte Wirkung auf die Einstellung des Kindes nichts geändert, kann nicht offenbar gesetzwidrig sein.
Von einem verantwortungsbewußten Erzieher müßte erwartet werden, unter tunlichster Hintansetzung eigener Gefühle und Ansichten, ein Kind vor der Vorstellung zu bewahren, von einem minderwertigen, menschlich abzulehnenden, verabscheuungswürdigen Mann abzustammen, mit einem solchen Mangel leben und sich unter Umständen dafür genieren, jedenfalls aber kränken zu müssen. Dem Kind sollte vielmehr nach seinem jeweiligen Entwicklungsgrad ein eigenes Erleben und eine eigene kritische Beurteilung auch in dieser Frage ermöglicht werden.
Diese Grundauffassung ist durch das vom gerichtlich bestellten Sachverständigen eingeholte Gutachten vollauf gedeckt. Das Rekursgericht hat sich durch die gutächtliche Stellungnahme in dem dem Rekurs angeschlossenen Privatgutachten nicht veranlaßt gesehen, das vom Gericht erster Instanz eingeholte Sachverständigengutachten inhaltlich in Zweifel zu ziehen. Es hat die Ausführungen in dem Privatgutachten weder dem Wortlaut noch dem Sinne nach in einer von der Urkunde abweichenden Weise wiedergegeben. Die Rechtsmittelwerberin verkennt das Wesen der Aktenwidrigkeit, wenn sie unter diesem Anfechtungsgrund rügt, daß das Rekursgericht ihr wesentlich erscheinende Teile des Privatgutachtens "verschwiegen" hätte. Das Rekursgericht hat unmißverständlich seine Erwägungen dargelegt, aus denen es die auf dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen beruhenden tatsächlichen Grundlagen der erstinstanzlichen Entscheidung durch die gutächtlichen Äußerungen des von der Rechtsmittelwerberin außerhalb des gerichtlichen Verfahrens beigezogenen Fachpsychologen in den entscheidenden Punkten nicht als erschüttert ansah. Es ist eine Frage der vom Obersten Gerichtshof nicht mehr zu überprüfenden Beweiswürdigung, wenn das Gericht zweiter Instanz in diesem Sinne die erstinstanzlichen Tatsachengrundlagen für die Entscheidung als ausreichend und weitere Beweisaufnahmen als entbehrlich ansah. Die Rechtsmittelwerberin erblickt darin einen Verstoß gegen den Stoffsammlungsgrundsatz nach § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG. Wenn das Rekursgericht aber aus nachvollziehbaren Gründen im Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen eine hinreichende Entscheidungsgrundlage erblickt hat, liegt dem keinesfalls eine offenbar gesetzwidrige Rechtsansicht zugrunde, auch ein mit Nichtigkeit bedrohter Verfahrensverstoß wird damit nicht schlüssig aufgezeigt.
Ist aber das Rekursgericht ohne offenbare Gesetzwidrigkeit davon ausgegangen, daß die Besuchsausübung im Sinne der beschlußmäßigen Regelung bis auf weiteres nicht auszusetzen sei, dann kann auch in der Anwendung weiterer Zwangsmittel zur Durchsetzung der beschlossenen Regelung keine offenbare Gesetzwidrigkeit gelegen sein. Auf die Eigenheiten einer Vollziehung nach § 19 AußStrG hat der Oberste Gerichtshof bereits in dieser Pflegschaftssache in der Entscheidung vom 19. Mai 1988 (6 Ob 587/88 = ON 96) ausdrücklich hingewiesen. Das Rekursgericht ist vom aufrechten Bestand der Besuchsausübungsregelung und den damit verbundenen Verpflichtungen der Rechtsmittelwerberin sowie von einer fortgesetzten Hintertreibung einer solchen Besuchsausübung ausgegangen und hat damit das Vorliegen eines Oppositionsgrundes gegen die Verpflichtung aus dem formell aufrechten Titel der Sache nach verneint. Daß das Rekursgericht dabei Wertungen des Privatgutachters zur Verschuldensfrage nicht geteilt hat, vermag weder eine Aktenwidrigkeit noch eine offenbare Gesetzwidrigkeit aufzuzeigen. Der Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen, soweit er nicht in sinngemäßer Anwendung des § 528 Abs 1 Z 3 ZPO unzulässig ist, mangels schlüssiger Ausführung eines nach § 16 Abs 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes zurückzuweisen.
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