OGH 6Ob587/88

OGH6Ob587/8819.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Monika B***, geboren am 2. Oktober 1982, im Haushalt der Mutter Mag. Anna Maria G***, im Haushalt, Stummerberg 10 a, wegen Adoption und wegen zwangsweiser Durchsetzung einer Besuchsrechtsregelung, infolge Revisionsrekurses der Mutter, nunmehr vertreten durch Dr. Hans Mayr, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 9. März 1988, GZ 1 b R 42, 43/88-87, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 29. Januar 1988, GZ P 166/85-76, bestätigt und der weitere Beschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 2. Februar 1988, GZ P 166/85-75, dem Grunde nach bestätigt und der Höhe nach abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das pflegebefohlene Mädchen wurde am 2. Oktober 1982 als eheliches Kind geboren. Die am 7. April 1982 geschlossene Ehe der Eltern wurde mit Beschluß vom 18. September 1985 gemäß § 55 a EheG geschieden. Die Ausübung der elterlichen Rechte und Pflichten steht im Sinne einer pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vereinbarung der Eltern der Mutter allein zu. Der persönliche Verkehr des Vaters zu seiner Tochter ist im Sinne des erstinstanzlichen Beschlusses vom 15. Dezember 1986, ON 26, (bestätigt durch die Rekursentscheidung vom 3. Februar 1987, ON 34, der dagegen erhobene Revisionsrekurs wurde zurückgewiesen, ON 45 = 6 Ob 561/87) derart geregelt, daß der Vater berechtigt ist, das Kind beginnend mit Januar 1987 an jedem zweiten Samstag um 8 Uhr abzuholen, wobei die Mutter verpflichtet ist, das Kind zur Abholung durch den Vater bereitzuhalten, und der Vater verpflichtet ist, das Mädchen am Besuchstag um 19 Uhr wieder zur Mutter zurückzubringen.

Die am 28. Oktober 1959 geborene Mutter des pflegebefohlenen Kindes hat sich am 22. September 1986 mit einem am 14. März 1959 geborenen Mann wieder verehelicht. Im Zusammenhang mit dieser zweiten Eheschließung hat sie ihren Wohnsitz nach Stummerberg verlegt. (Einzelheiten können der Sachverhaltsdarstellung in den Revisionsrekursentscheidungen vom 14. Mai 1987, 6 Ob 561/87 = ON 45, und vom 10. Dezember 1987, 6 Ob 721/87 = ON 73, entnommen werden.)

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Adoption:

Der - damals 28 Jahre alte - Ehemann der Mutter des Kindes schloß mit dem durch die Mutter vertretenen Mädchen am 24. Juni 1987 einen Vertrag über die Annahme an Kindes Statt. Er stellte in einer mit 22. Juni 1987 datierten Eingabe den Antrag auf gerichtliche Bewilligung dieser Adoption. Gleichzeitig beantragte das durch seine Mutter vertretene Kind die Ersetzung der Zustimmung seines Vaters zur Annahme an Kindes Statt.

Das Pflegschaftsgericht hat den Antrag des Wahlvaters auf Bewilligung der Adoption wegen Fehlens des zur Adoption geforderten Alters des Wahlvaters (ohne Auseinandersetzung mit der Bestimmung nach § 180 Abs 1 zweiter Satz ABGB) abgewiesen und infolge dessen den Antrag des Wahlkindes auf Ersetzung der Zustimmung seines Vaters als gegenstandslos zurückgewiesen.

Der Ehemann der Mutter erhob als Wahlvater Rekurs. Das durch seine Mutter vertretene Kind ließ die erstinstanzliche Beschlußfassung unbekämpft.

Das Rekursgericht hat dem Rekurs des Wahlvaters nicht stattgegeben.

Der Mutter des pflegebefohlenen Kindes steht dagegen keine Anfechtungsbefugnis zu. Sie hat gegen die abweisende Entscheidung erster Instanz weder im eigenen Namen noch als Vertreterin ihrer Tochter Rekurs erhoben und kann diese unterlassene Anfechtung nicht durch eine Bekämpfung der bestätigenden Entscheidung zweiter Instanz nachholen. Dem pflegebefohlenen Kind als Vertragsteil des Adoptionsvertrages und seiner Mutter gegenüber ist die ablehende Entscheidung erster Instanz formell in Rechtskraft erwachsen. Die Anfechtung ist aus dieser Erwägung unzulässig.

2. Zum Vollzug der Besuchsrechtsregelung:

Während die Eltern noch in ihrer im Zuge des Scheidungsverfahrens geschlossenen Vereinbarung ihre Einigung darüber ausgedrückt hatten, daß der Vater "ein Recht auf freien Verkehr in Ausübung des Besuchsrechtes" haben sollte, sprach sich die Mutter schon einen Monat nach der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung dieser Vereinbarung im Zusammenhang mit einem vom Vater gestellten Antrag auf konkretere Regelung seines persönlichen Verkehrs mit dem Kind wegen einer angeblichen Abneigung des Kindes gegen seinen Vater gegen jede Besuchsrechtsausübung aus. Letztlich traf das Pflegschaftsgericht die bereits erwähnte beschlußmäßige Regelung vom 15. Dezember 1986. Nach den Antragsbehauptungen des Vaters habe die Mutter seinen Versuch, das Besuchsrecht am 10. Januar 1987 auszuüben, vereitelt. Nach einem Vorbringen der Mutter habe ihre Weigerung, eine Besuchsrechtsausübung am 21. Februar 1987 zuzulassen, zu einer vom Stiefvater des Kindes begehrten Intervention der Gendarmerie geführt. Am 10. März 1987 stellte der Vater mit der Behauptung, daß die Mutter auch seinen Versuch einer Besuchsrechtsausübung am 7. März 1987 verhindert habe, einen Antrag auf Anwendung angemessener Beugemittel zur Durchsetzung der Besuchsrechtsregelung. Diesen Vollzugsantrag hat das Pflegschaftsgericht im Hinblick auf das damals noch anhängige Revisionsrekursverfahren zu 6 Ob 561/87 abgewiesen. Nach dem Vorbringen des Vaters in seiner am 20. Juli 1987 eingelangten Eingabe habe sich die Mutter auch am 18. Juli 1987, nach Zustellung der Revisionsrekursentscheidung, einer Besuchsrechtsausübung grundsätzlich widersetzt.

In seinem am 24. Juli 1987 beim Pflegschaftsgericht eingelangten Antrag begehrte der Vater unter anderem formell die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen die Mutter zur Durchsetzung der Besuchsrechtsregelung.

Die Mutter stellte dagegen einen Antrag auf Aussetzung jeder Besuchsrechtsausübung durch den Vater. Zur Begründung führte sie aus, das Kind sei nunmehr völlig in die neue Familie einbezogen und lehne Besuche des Vaters entschieden ab.

Das Pflegschaftsgericht lud beide Elternteile und den Stiefvater des Kindes für 12. Oktober 1987 zu einer Verhandlung über das Besuchsrecht des Vaters. Die Mutter ersuchte um Terminverlegung. Sie erachtete das Pflegschaftsgericht im Hinblick auf ein damals im Revisionsrekursstadium befindliches Verfahren zur Übertragung der Zuständigkeit als unzuständig, bemängelte die Kürze der Vorbereitungszeit zwischen der Zustellung der Ladung und der Tagsatzung und brachte im übrigen berufliche Hindernisgründe gegen ihr Erscheinen vor. Das Pflegschaftsgericht vernahm am 12. Oktober 1987 lediglich den erschienenen Vater. Die Mutter und ihr Ehemann leisteten auch einer weiteren Ladung des Pflegschaftsgerichtes für 11. November 1987 mit der Begründung keine Folge, sämtliche Richter des Pflegschaftsgerichtes abgelehnt zu haben.

Hierauf wies das Pflegschaftsgericht den Antrag der Mutter auf Aussetzung des Besuchsrechtes ab und verhängte gleichzeitig über die Mutter wegen Verhinderung der Besuchsrechtsausübung eine Geldstrafe von S 5.000,--.

Das Pflegschaftsgericht nahm dabei als erwiesen an, daß die Mutter nicht gewillt sei, die beschlußmäßig festgesetzte Besuchsrechtsausübung durch den Vater zuzulassen. Es erachtete die Anwendung eines Beugemittels im Sinne des § 19 AußStrG als einen nicht aussichtslosen Versuch, auf die Willensrichtung der Mutter im Sinne der gerichtlichen Besuchsrechtsregelung einzuwirken, und hielt dabei im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehemannes der Mutter eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- als angemessen.

Das Gericht zweiter Instanz hat dem Rekurs der Mutter gegen die Abweisung ihres Antrages auf Aussetzung des Besuchsrechtes nicht stattgegeben. Dem Rekurs gegen die Verhängung der Beugestrafe hat das Rekursgericht dem Grunde nach nicht, wohl aber der Höhe nach insofern stattgegeben, als es die Geldstrafe von S 5.000,-- auf S 3.000,-- herabsetzte.

Der von der Mutter gegen die zweitinstanzliche Beugestrafenentscheidung erhobene Revisionsrekurs ist mangels Ausführung eines beachtlichen Anfechtungsgrundes unzulässig. In der Frage der Anfechtbarkeit der Entscheidung auf Anwendung von Zwangsmitteln nach § 19 AußStrG ist zwischen der Verhängung der Beugestrafe dem Grunde nach und der Angemessenheit der verhängten Geldstrafe der Höhe nach zu trennen. In Ansehung beider Gesichtspunkte liegt aber im Umfang der Anfechtung eine bestätigende Rekursentscheidung vor, gegen die nur aus einem im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgrund ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.

Die Rekursausführungen, während der Ehe habe der Vater ausreichend Zeit gehabt, die Mutter des Kindes und das Kind selbst seelisch zu mißhandeln, es hätten sich als unüberwindbar bezeichnete Spannungen aufgebaut, der Vater habe erzieherisch versagt, er sei in Abwesenheit von Zeugen seiner geschiedenen Ehefrau gegenüber nach wie vor verletzend, diese sehe nicht ein, aus welchem Grund sie sich diesem Übel weiter aussetzen sollte, gehen sämtlich ebenso an den für die Durchsetzbarkeit der Besuchsrechtsregelung erheblichen Umständen vorbei, wie die Ausführung über die eigene Erziehungsfähigkeit der Rechtsmittelwerberin.

Grundlage der durchzusetzenden Besuchsrechtsregelung ist die bestehende alleinige Sorgerechtsausübung durch die Rechtsmittelwerberin. Dieses Sorgerecht ist im anhängigen Rechtsmittelverfahren nicht strittig. Der Vater ist der nicht pflege- und erziehungsberechtigte Elternteil, dessen persönlicher Verkehr mit dem Kind im Sinne des § 148 Abs 1 AußStrG nach Durchführung eines eingehenden Ermittlungsverfahrens durch Gerichtsbeschluß geregelt wurde. Damals lagen die Vorfälle der geschiedenen Ehe bereits in der Vergangenheit, die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die Beziehungen der beteiligten Familienangehörigen konnten entsprechend veranschlagt werden. Daß die Rechtsmittelwerberin das Verhalten ihres geschiedenen Ehemannes ihr gegenüber auch heute noch als verletzend empfindet, ist eine Rekursbehauptung, die mangels konkreter Ausführungen über das Verhalten des Vaters keine Beurteilung darüber gestattet, wie weit ein solches Verhalten etwa die Abwicklung des persönlichen Verkehrs zwischen Vater und Tochter zu beeinflussen vermöchte. Die Rechtsmittelbehauptung, es werde alles getan, damit das Kind endgültig die böse Zeit mit seinem leiblichen Vater vergessen lerne, bestätigt nur die von den Vorinstanzen aus den gerichtlichen Eingaben und Anträgen der Rechtsmittelwerberin abgeleitete Schlußfolgerung, die Mutter sei bestrebt, den persönlichen Verkehr des Kindes mit dem Vater völlig zu unterbinden. Die zitierte Rechtsmittelausführung drückt offenkundig die - nach der Aktenlage nicht zu rechtfertigende - Ansicht der Mutter aus, ihre Tochter werde am ehesten "die böse Zeit mit ihrem leiblichen Vater vergessen" lernen, wenn es den Vater selbst "vergißt". Was die innere Bereitschaft des fünfeinhalb Jahre alten Kindes zu einem persönlichen Verkehr mit seinem Vater anlangt, enthalten die Rekursausführungen der Sache nach drei Bemängelungen: 1. Die Beschlußfassung über die durchzusetzende Besuchsrechtsregelung sei zwei Jahre alt und inzwischen überholt. 2. Vor der Anwendung von Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Besuchsrechtsregelung hätte eine Stellungnahme des Jugendamtes eingeholt werden müssen und

3. der Wille des Kindes selbst wäre zu beachten gewesen. Die weitere Ausführung, das Mädchen müßte "wahrscheinlich mit Gewalt zum Mitgehen mit ihrem leiblichen Vater" gezwungen werden, stellt eine subjektive Vermutung der Rechtsmittelwerberin dar und ist als solche keine taugliche Grundlage für Erhebungen und Feststellungen.

Die zu den Punkten 1 und 2 zusammengefaßten Bemängelungen sind Verfahrensrügen, die nur unter der Voraussetzung einen Anfechtungsgrund nach § 16 Abs 1 AußStrG darzustellen vermöchten, daß mit ihnen schlüssig ein mit Nichtigkeit bedrohter Verstoß aufgezeigt würde. Das ist nicht der Fall.

Die im 3. Punkt zusammengefaßte Bemängelung ist als Geltendmachung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung aufzufassen. Der Vorwurf unrichtiger Sachbeurteilung ist aber nach § 16 Abs 1 AußStrG nur dann beachtlich, wenn eine offenbare Gesetzwidrigkeit schlüssig dargetan wird. Die der angefochtenen Entscheidung zugrundegelegte Auffassung, es sei entbehrlich, die innere Einstellung eines noch nicht einmal sechs Jahre alten Kindes vor einer zwangsweisen Durchsetzung der Besuchsrechtsregelung festzustellen, selbst das Sträuben des Kindes gegen einen persönlichen Verkehr mit seinem Vater wäre kein absoluter Hinderungsgrund gegen die zwangsweise Durchsetzung der Besuchsrechtsregelung, verletzt weder § 148 Abs 1 ABGB noch § 178 a ABGB, zumal es Aufgabe des erziehungsberechtigten Elternteiles ist, die vielfach triebhaften Neigungen eines heranwachsenden Kindes im Sinne der erforderlichen Anpassung an die sich aus den jeweiligen Lebensverhältnissen ergebenden Aufgabenstellungen durch geeignete Erziehungsmaßnahmen zu beeinflussen.

Es liegt zwar in der Eigenart der Vollziehung nach § 19 AußStrG, daß aktenkundige Oppositionsgründe gegen eine titelmäßige Verpflichtung bereits bei der Anordnung von Zwangsmitteln zur Bewirkung eines dem Titel entsprechenden Verhaltens berücksichtigt und zureichende Verdachtsmomente in dieser Hinsicht vor der Beschlußfassung aufgeklärt werden müßten (vgl. EvBl 1982/78). Die Vorinstanzen haben nach der Aktenlage aber ohne Begehung eines mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensverstoßes, ohne Unterlaufen einer Aktenwidrigkeit und ohne offenbare Gesetzwidrigkeit angenommen, daß solche Gründe nicht vorliegen.

Gleiches gilt für die Ausmittelung der Geldstrafe der Höhe nach. Der Rekurs gegen die zweitinstanzliche Entscheidung über den Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe ist mangels Ausführung eines nach § 16 Abs 1 AußStrG beachtlichen Anfechtungsgrundes unzulässig. Der Revisionsrekurs war daher in beiden Punkten zurückzuweisen.

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