OGH 6Ob62/24x

OGH6Ob62/24x26.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch zu FN * eingetragenen W* GmbH, *, hier wegen Ablehnung gemäß § 19 JN, über den Rekurs der Gesellschaft und deren Geschäftsführer Dipl.‑Ing. (FH) H* H*, beide vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 4. März 2024, GZ 8 Nc 6/24p‑4, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00062.24X.0426.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

1. Der Antrag, eine mündliche Rekurs-verhandlung anzuberaumen, wird abgewiesen.

2. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Im Firmenbuch ist zu FN * die W* GmbH mit dem Stichtag für den Jahresabschluss zum 31. 12. eines jeden Jahreseingetragen. Alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer ist DI (FH) H* H*. Die Jahresabschlüsse zum 31. 12. 1994 bis zum 31. 12. 1997 legte die W* GmbH offen. Für die weiteren Geschäftsjahre haben die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer den ihnen gemäß den §§ 277 ff UGB obliegenden Offenlegungspflichten jedoch nicht entsprochen.

[2] Das Landesgericht Feldkirch erließ je 11 Zwangsstrafverfügungen gegen die Gesellschaft und gegen den Geschäftsführer, weil diese die Jahresabschlüsse in den 11 Geschäftsjahren von 2010 bis 2020 in im Einzelnen angeführten Strafzeiträumen nicht ordnungsgemäß in elektronischer Form eingebracht hatten. Parallel dazu erließ das Landesgericht Feldkirch 11 weitere Zwangsstrafverfügungen gegen den Geschäftsführer, weil dieser die Jahresabschlüsse in den 11 Geschäftsjahren vom 31. 12. 1999 bis 31. 12. 2009 in im Einzelnen angeführten Strafzeiträumen nicht ordnungsgemäß in elektronischer Form beim Erstgericht eingebracht hatte.

[3] Nach Erhebung von Einsprüchen durch die Gesellschaft und ihren Geschäftsführer wies das Landesgericht Feldkirch die Einsprüche des Geschäftsführers betreffend die 11 Geschäftsjahre von 2010 bis 2020 als verspätet zurück. Darüber hinaus erließ das Landesgericht Feldkirch gegen die Gesellschaft und den Geschäftsführer im ordentlichen Verfahren 11 Zwangsstrafbeschlüsse wegen der nicht ordnungsgemäßen (elektronischen) Vorlage der 11 Jahresabschlüsse zu den Offenlegungsstichtagen 31. 12. 2010 bis 31. 12. 2020 und weitere 11 Zwangsstrafbeschlüsse (nur) gegen die Gesellschaft wegen der nicht ordnungsgemäßen (elektronischen) Vorlage der 11 Jahresabschlüsse zu den Offenlegungsstichtagen 31. 12. 1999 bis 31. 12. 2009.

[4] Gegen diese insgesamt 33 Beschlüsse des Landesgerichts Feldkirch erhoben die Gesellschaft und der Geschäftsführer inhaltlich idente (Sammel‑)Rekurse.

[5] Über diese Rekurse entschied der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Innsbruck zuständige Rechtsmittelsenat mit Beschluss vom 28. 11. 2022, 3 R 105/22y, 3 R 107/22t bis 3 R 116/22s, 3 R 125/22i bis 3 R 146/22b. Er gab den Rekursen gegen die Zurückweisung der Einsprüche des Geschäftsführers als verspätet nicht Folge. Die Beschlüsse, mit denen über die Gesellschaft wegen der nicht ordnungsgemäßen (elektronischen) Vorlage der 11 Jahresabschlüsse zu den Offenlegungsstichtagen 31. 12. 1999 bis 31. 12. 2009 Zwangsstrafen verhängt wurden, behob der Rechtsmittelsenat ebenso ersatzlos wie jene, mit denen gegen den Geschäftsführer im ordentlichen Verfahren Zwangsstrafen wegen der nicht ordnungsgemäßen (elektronischen) Vorlage der 11 Jahresabschlüsse zu den Offenlegungsstichtagen 31. 12. 2010 bis 31. 12. 2020 verhängt wurden. Im Übrigen bestätigte er die Zwangsstrafbeschlüsse des Landesgerichts Feldkirch.

[6] Der in dem gegen den bestätigenden Teil dieses Beschlusses erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs vom 3. 1. 2023 enthaltene Ablehnungsantrag gegen die Mitglieder des Rekurssenats wurde vom Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Innsbruck, bestätigt mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 28. 6. 2023, 6 Ob 83/23h, als unberechtigt zurückgewiesen. Den außerordentlichen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurück (6 Ob 29/23t).

[7] Mit Beschluss vom 18. 9. 2023 erließ das Landesgericht Feldkirch infolge der erhobenen Einsprüche 11 Zwangsstrafbeschlüsse im ordentlichen Verfahren gegen den Geschäftsführer wegen der nicht ordnungsgemäßen (elektronischen) Vorlage der 11 Jahresabschlüsse zu den Offenlegungsstichtagen 31. 12. 1999 bis 31. 12. 2009.

[8] In ihrem gegen diese Beschlüsse gerichteten Rekurs lehnten die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer die Mitglieder des Rekurssenats des Oberlandesgerichts als befangen ab. Sie wiederholten die im mit dem Revisionsrekurs vom 3. 1. 2023 verbundenen Ablehnungsantrag vorgebrachten Ablehnungsgründe, wonach sich der Rekurssenat unvertretbaren Rechtsansichten anschließe und gegenüber der Rechtsposition der Ablehnungswerber voreingenommen sei. Ihrem Rechtsvertreter, einem seit 40 Jahren tätigen Rechtsanwalt, sei ein „Angriff auf die Rechtssicherheit und gegen rechtstreue Mitbewerber und all dies bestürzenderweise wider besseres Wissen“ unterstellt worden.

[9] In ihrer Stellungnahme zum gegenständlichen Ablehnungsantrag gaben die Mitglieder des Rekurssenats an, sich nicht für befangen zu erachten.

[10] Mit dem nun angefochtenen Beschluss wies der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Innsbruck (Erstgericht) den Ablehnungsantrag als unberechtigt zurück. Die Ablehnungswerber stützten die Ablehnung, wie schon im wortgleichen Ablehnungsantrag im Revisionsrekurs vom 3. 1. 2023, auf eine unvertretbare Rechtsansicht und auf ihrer Ansicht nach unsachliche Formulierungen des Rekurssenats. Der Richter MMag. Dr. * sei nach der aktuellen Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Innsbruck nunmehr Mitglied des zuständigen Rekurssenats. Er sei an der Entscheidung des damaligen Rekurssenats vom 28. 11. 2022 jedoch gar nicht beteiligt gewesen. Schon aus diesem Grund sei insofern keine Befangenheit auszumachen. Hinsichtlich der weiteren Mitglieder des Rekurssenats seien die geltend gemachten Ablehnungsgründe vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 83/23h bereits als nicht stichhaltig beurteilt worden. Diese Erwägungen träfen auch im vorliegenden Fall zu.

[11] Der dagegen gerichtete Rekurs der Ablehnungswerber ist nicht berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

[12] 1. Zutreffend hat bereits das Erstgericht ausgeführt, dass der Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck MMag. Dr. * an der Entscheidung des Rekurssenats vom 28. 11. 2022, auf deren Inhalt sich der Ablehnungsantrag stützt, nicht beteiligt war und daher schon deshalb die geltend gemachtenBefangenheitsgründe bei ihm nicht vorliegen. Dagegen führt der Rekurs aber ohnedies keine Argumente ins Treffen.

[13] 2.1. Zu den gegen die weiteren abgelehnten Mitglieder des Rekurssenats wortgleich neuerlich geltend gemachten Ablehnungsgründen hat der Oberste Gerichtshof bereits in derEntscheidung vom 26. 6. 2023, 6 Ob 83/23h, dargelegt, dass weder die (angebliche) Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch das Vertreten einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter einen Ablehnungsgrund bildet, selbst dann, wenn die Rechtsansicht von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt wird. Meinungsverschiedenheiten in Rechtsfragen sind nicht im Ablehnungsverfahren auszutragen. Auch ist es nicht Aufgabe des Ablehnungssenats, die Rechtmäßigkeit der von anderen Senaten vertretenen Rechtsansichten zu überprüfen (RS0111290 [T13 und T14]; RS0046047).

[14] Zwar können Entgleisungen, grobe Unsachlichkeiten, rein gefühlsmäßig wertende, herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl RS0046083). Im vorliegenden Fall kann von einer Voreingenommenheit der Mitglieder des Rekurssenats gegenüber der Rechtsposition der Rekurswerber bei verständiger Würdigung der Entscheidung des Rekursgerichts in ihrem Gesamtzusammenhang aber nicht gesprochen werden. Aus den inkriminierten – wie schon das Erstgericht zutreffend darlegte – an sich überflüssigen (§ 52 Abs 2 Geo) Ausführungen des abgelehnten Rekurssenats kann noch nicht geschlossen werden, dass die Senatsmitglieder nicht bereit waren, die Rekursargumente bei ihrer Entscheidung in objektiver Weise zu berücksichtigen. Dies zeigt schon die weitere, rund 70 Seiten umfassende ausführliche Begründung des Rekurssenats in seiner Entscheidung, in der er sich umfassend mit diesen Argumenten auseinandersetzte und im Übrigen dem Rekurs auch teilweise stattgab. Darüber hinaus könnte eine – wie hier – vereinzelte, nicht streng sachliche Passage einer Entscheidungsbegründung noch nicht zwingend den Vorwurf der Befangenheit rechtfertigen (vgl 6 Ob 24/12s [ErwGr 1.6.]).

[15] 2.2. Der Rekurs zeigt keine neuen Argumente auf, die Anlass gäben, von dieser Beurteilung abzugehen. Welches Verhalten eines Rechtsanwalts eine Standespflichtverletzung bedeuten kann, ist für die Beurteilung der Besorgnis einer Befangenheit eines Entscheidungsorgans iSd § 19 Abs 2 JN nicht unmittelbar maßgeblich. Im Übrigen sind jene Äußerungen, die dem gegen den Rechtsvertreter der Rekurswerber ergangenen Disziplinarerkenntnis 24 Ds 20/22h des Obersten Gerichtshofs vom 26. 4. 2023 zugrunde lagen, mit den hier als Ablehnungsgrund herangezogenen Ausführungen des abgelehnten Rekurssenats nicht vergleichbar.

[16] 3. Dem unberechtigten Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

[17] 4. Die beantragte Durchführung einer Rekursverhandlung ist schon deshalb abzulehnen, weil gegenständlich nur über Rechtsfragen zu entscheiden ist. Die Antragsteller hatten in ihrem Rechtsmittel ausreichend Gelegenheit zur Darlegung ihres Rechtsstandpunkts (vgl RS0043689 [T2, T3, T4]).

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