Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Maria Alexandra Irmgard B***** ist am 22. Mai 1990 verstorben. Sie hinterläßt ihre beiden Adoptivtöchter Marga Hannelore G*****, geboren am 20. Juni 1943 und Claudia Maria B*****, geboren am 21. Juni 1961.
Mit Testament vom 6. Dezember 1985 bestimmte die Erblasserin ihre Adoptivtochter Claudia Maria B***** zur Alleinerbin. Marga Hannelore G***** hat laut notariellem Schenkungs- und Erbverzichtsvertrag vom 30. Dezember 1976 für sich und ihre Nachkommen ausdrücklich auf jedes Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber ihrer Wahlmutter unwiderruflich verzichtet.
Der zunächst mit der Verlassenschaftsabhandlung als Gerichtskommissär betraute öffentliche Notar Dr. Norbert F***** erklärte, von der Testamentserbin, die zum Nachlaß aufgrund des Testamentes eine unbedingte, vom Gericht angenommene Erbserklärung abgegeben hat, bevollmächtigt und mit der schriftlichen Abhandlungspflege betraut worden zu sein. Der erbserklärten Erbin wurde über ihren Antrag die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen und für die Vorlage des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses und die Stellung der Schlußanträge eine Frist von sechs Monaten eingeräumt. Dr. Norbert F***** wurde von seiner Funktion als Gerichtskommissär enthoben.
Mit Schriftsatz vom 22. November 1990 beantragte Marga Hannelore G***** "das ordnungsgemäße Verlassenschaftsverfahren durchzuführen", insbesondere werde bereits jetzt beantragt, das gesamte Verlassenschaftsvermögen zu inventarisieren und zu schätzen und dem Verlassenschaftskommissär aufzutragen, entsprechende Erhebungen über allenfalls bestehende Bankguthaben der Verstorbenen anzustellen. Zur Begründung dieses Antrages brachte sie vor, die Testamentserbin habe die schriftliche Abhandlungspflege beantragt. Dabei sei sie offenbar aufgrund des notariellen Verzichtes ihrer Adoptivschwester auf alle Erb- und Pflichtteilsansprüche davon ausgegangen, allein erbberechtigt zu sein. Die Antragstellerin habe jedoch in der Zwischenzeit eine Klage auf Aufhebung des Schenkungs- und Erbverzichtsvertrages beim Landesgericht Innsbruck eingebracht. Falls dieser Klage stattgegeben werde, stehe der Antragstellerin ein Pflichtteilsanspruch zu. Auch sie als Noterbin müsse mit der schriftlichen Abhandlungspflege einverstanden sein. Eine solche Zustimmung erteile sie ausdrücklich nicht.
Im Punkt 2. des Beschlusses vom 5. Dezember 1990 hat das Erstgericht den Antrag der Marga Hannelore G*****, "mit der Durchführung der Abhandlung den nach der Verteilungsordnung zuständigen Notar als Gerichtskommissär zu betrauen" abgewiesen. Es führte dazu aus, nach dem derzeitigen Verfahrensstand komme der Antragstellerin keine Beteiligtenstellung und damit keine Antragsbefugnis zu. Eine solche sei erst mit der rechtskräftigen Feststellung, daß der mit der Erblasserin abgeschlossene Erbverzichtsvertrag unwirksam sei, gegeben. Unabhängig davon werde auch ein Noterbe durch die Entscheidung, die Durchführung der Abhandlung im schriftlichen Wege vorzunehmen, in seinen Rechten nicht berührt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin keine Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Antrag nicht abgewiesen, sondern zurückgewiesen werde. Ein Erbverzicht beseitige den potentiellen Berufungsgrund und bewirke, daß dem Verzichtenden das Recht nicht anfalle. Damit komme diesem im Verlassenschaftsverfahren auch nicht die Stellung eines Beteiligten zu. Die Anfechtung des Schenkungs- und Erbverzichtsvertrages könne den Gang des Verlassenschaftsverfahrens nicht beeinflussen. Der Antragstellerin, die überdies durch eine schriftliche Abhandlungspflege jedenfalls nicht in ihren Rechten berührt werde, komme keine Beteiligtenstellung zu, sodaß ihr Antrag zurückzuweisen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil ihm keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der Beteiligtenstellung eines Noterben, der auf seine Ansprüche verzichtet habe, zugänglich sei und die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die Stellung des Noterben im Falle schriftlicher Abhandlung nicht einheitlich sei.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Es trifft zu, daß der Oberste Gerichtshof in älteren Entscheidungen (vgl NZ 1986, 132 mwN) die Ansicht vertreten hat, daß die Voraussetzungen für eine Bewilligung der schriftlichen Abhandlungspflege im Sinne des § 3 Abs 1 GKoärG nicht gegeben seien, wenn nicht aktenkundig sei, daß sich erbserklärter Erbe und Noterbe über die Führung der Abhandlung auf schriftlichem Wege einig seien. Diese Auffassung wurde aber in jüngerer Zeit nicht mehr aufrecht erhalten. So hat der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 513/88 ausgeführt, daß dem Noterben nach ständiger Rechtsprechung im Abhandlungsverfahren Beteiligtenstellung und damit auch Rechtsmittellegitimation nur insoweit eingeräumt wird, als er durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichtes in seinen materiellen Rechten verkürzt oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt wird (SZ 46/117; EFSlg 37.209 ua). Der Noterbe ist also im Verlassenschaftsverfahren auf die ihm durch die Bestimmungen der §§ 784, 804 und 812 ABGB eingeräumten Rechte beschränkt (SZ 60/225; SZ 51/179 ua). Diese dem Noterben zustehenden Rechte werden aber durch die Entscheidung darüber, ob der Erbin die Durchführung des Abhandlungsverfahrens im schriftlichen Wege gestattet wird oder aber die Abhandlung durch den Gerichtskommissär zu führen ist, nicht berührt (EFSlg 47.000, 47.001). Die Rechtsmittelwerberin war daher jedenfalls auch unter Zugrundelegung ihrer Behauptung, Noterbin zu sein, durch die Bewilligung der schriftlichen Abhandlungspflege nicht beschwert. Es fehlte ihr die Legitimation, nachträglich die Abhandlung durch den Gerichtskommissär zu begehren und nur darüber haben die Vorinstanzen entschieden.
Aus dem Umstand, daß einem Noterben dann Beteiligtenstellung einzuräumen ist, wenn er durch eine Entscheidung des Abhandlungsgerichtes in seinen materiellen Rechten verkürzt oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt wird und daß strittige Fragen, die eines formellen Beweisverfahrens bedürfen, nur im Rechtsweg geklärt werden können, hat die Rechtsprechung aber auch abgeleitet, daß § 125 AußStrG nicht nur bei miteinander im Widerspruch stehenden Erbserklärungen, sondern auch dann analog anzuwenden ist, wenn die Möglichkeit einer Intervention einer Person bei der Verlassenschaftsabhandlung von der vorausgehenden Entscheidung der Frage abhängt, ob ihr die Qualifikation als Noterbe zukommt. Die Bestimmungen des § 125 f AußStrG sind daher dann analog heranzuziehen, wenn es sich um solche widerstreitende Standpunkte der in Betracht kommenden Parteien handelt, von deren Lösung die Fortsetzung und Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens abhängt (SZ 46/117 mwN). Ob im vorliegenden Fall solche widerstreitenden Standpunkte gegeben sind, steht aber nach dem Akteninhalt bisher noch nicht fest. Der Antrag der Rechtsmittelwerberin auf Inventarerrichtung war noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Erstgerichtes.
Dem vorliegenden Revisionsrekurs war keine Folge zu geben.
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