Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Auf Grund eines Unfalles vom 29.Mai 1990 leidet die am 16.September 1988 geborene Mj an einem ausgeprägten organischen Psychosyndrom mit vermutlich kognitiven Störungen, an Verhaltensstörungen, einer Tetraparese mit hochgradiger Gehstörung, einer Spitzfußbildung auf beiden Seiten, an gestörter Feinmotorik der Hände, an hochgradig verzögerter Sprachentwicklung, an einer Sprechstörung mit Undeutlichkeit und Verwaschenheit sowie an Neurodermitis. Sie absolviert eine Reihe von notwendigen, mit finanziellem Aufwand verbundenen Therapien: zweimal monatlich logopädische Therapie in Wels, zweimal monatlich Reittherapie in Geboltskirchen, physiotherapeutische Bobath-Therapie in Vöcklabruck, einmal wöchentlich Musik- und Tanztherapie und seit Anfang 1995 zunächst einmal wöchentlich, später je nach Therapiefortschritt 14tägig Ostepathie im Sanatorium Wels. Sie hat weiters auf Grund ihrer motorischen Behinderung einen erhöhten Bekleidungsaufwand. All dies erfordert einen monatlichen Aufwand von zusammen gerundet 4.100 S. Für die Fahrten zu den jeweiligen Therapien benötigt die Mutter, der nun die Obsorge zusteht, weiters einen eigenen PKW, weil Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu zeitaufwendig und für die Mj auch zu anstrengend wären.
Auf Antrag der damals noch verheirateten Eltern hat das Erstgericht mit Beschluß vom 30.Juli 1992 die Veranlagung der "Versicherungssumme" (gemeint Versicherungsleistung eines privaten Unfallversicherers) von 1,6 Mio S auf einem näher bezeichneten, gerichtlich gesperrten Banksparbuch mit einer Verzinsung von 8 % p.a. pflegschaftsbehördlich genehmigt, die Bank angewiesen, einen jährlichen Betrag von 72.000 S, jeweils im Jänner eines jeden Jahres, nach Abrechnung der Zinsen, beginnend mit Jänner 1993, auf ein näher bezeichnetes Konto der Mj zu überweisen und dazu ausgesprochen, bei diesem Betrag handle es sich um den jährlich anfallenden Pflege- und Betreuungsaufwand, der den Eltern zur rechnungsfreien Verwendung zur Verfügung stehe. Auf Vorschlag der Eltern bewilligte das Erstgericht am 5.Oktober 1993 den Abschluß einer Er- und Ablebensversicherung gegen Einmalerlag mit Gewinnbeteiligung für die Mj, wofür 500.000 S vom Sparbuch an den Lebensversicherer überwiesen wurden.
Im Scheidungsfolgenvergleich vom 18.Oktober 1993 verpflichtete sich der Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts für das Kind von 1.200 S ab 1.Jänner 1994. Eine Erhöhung dieses Unterhaltsbetrags sollte bis einschließlich Dezember 1994 nicht stattfinden, die Auszahlung der 72.000 S jährlich aus dem Sparguthaben sowie des Pflegegeldes des Landes Oberösterreich ab 1.Jänner 1994 an die Mutter erfolgen. Für den Fall, daß diese nicht in der Lage sein sollte, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, verpflichtete sich der Vater zur Zahlung eines monatlichen Beitrags von 400 S zur Krankenversicherung der Mutter.
Das Kind lebt im Haushalt seiner nicht erwerbstätigen Mutter in Schwanenstadt, besucht auch dort den Kindergarten und bezieht neben dem Unterhalt des Vaters und 72.000 S jährlich an Zinsen doppelte Kinderbeihilfe sowie 2.763 S als Pflegegeld des Landes Oberösterreich gemäß dem O.ö. PflegegeldG, LGBl 1993/64 idgF.
Die Vorinstanzen gaben dem Unterhaltserhöhungsbegehren des Unterhaltssachwalters auf Zahlung des Regelbedarfs für Kinder der Altersgruppe von 6-10 Jahren von monatlich 3.020 S ab 1.Jänner 1995 statt. Soweit die Zahlung aus dem Sparguthaben von jährlich 72.000 S nach Abschluß der Er- und Ablebensversicherung für das Kind noch in den Zinsen des restlichen Sparguthabens Deckung finde, stelle sie ein Eigeneinkommen des Kindes dar. Dieses werde jedoch zur Deckung der durch das - vom Land gezahlte - Pflegegeld nicht zur Gänze gedeckten Mehraufwendungen auf Grund der Behinderung der Mj und teilweise auch zur Abgeltung der den Pflege- und Betreuungsaufwand für ein nicht behindertes Kind entsprechenden Alters erheblich übersteigende Pflege- und Betreuungsleistungen der Mutter benötigt, der auch deshalb die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Einem Kind im Alter von 6-10 Jahren gebühre ein Unterhalt von 18 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen. Für eine weitere Sorgepflicht für ein Kind im Alter von mehr als 10 Jahren seien von diesem Prozentsatz zwei Prozentpunkte abzuziehen. Die Mj habe somit unter Außerachtlassung seiner Behinderung gegenüber dem Vater einen monatlichen Unterhaltsanspruch von 3.746 S (Einkommen des Vaters 23.817 S abzüglich 400 S an Versicherungsbeitrag für die Mutter ergebe eine Bemessungsgrundlage von 23.417 S x 16 % = 3.746 S). Die Leistungsfähigkeit des Vaters zur Zahlung des vom Unterhaltssachwalter begehrten Regelbedarfs von monatlich 3.020 S sei gegeben.
Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs des Vaters ist mangels Vorliegens einer - auch in Unterhaltssachen erforderlichen (EFSlg 73.538 ua) - erheblichen Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht für die Lösung der Frage, nach welchen Kriterien der Unterhaltsbeitrag der Eltern zu ermitteln ist, die Bemessung des Unterhalts bloß in Höhe des Regelbedarfs ohne Bedachtnahme auf die konkreten Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners mit dem Gesetz nicht im Einklang (EFSlg 73.893 uva; Pichler in Rummel2, § 140 ABGB Rz 5a). Dagegen stellt die Bemessung des Unterhaltes nach bestimmten, nach Altersgrenzen abgestuften Hundertsätzen des Einkommens des Unterhaltsschuldners, durch die die Gleichbehandlung gleichartiger Fälle gewährleistet werden soll (ÖA 1994, 183; RZ 1991/50 uva), jedenfalls für durchschnittliche Fälle eine brauchbare Handhabe dar, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltsschuldners angemessen teilhaben zu lassen (RZ 1991/26 ua; Schlemmer/Schwimann in Schwimann, § 140 ABGB Rz 8). Der ausgehend von diesen rechtlichen Überlegungen von der zweiten Instanz nach der sogenannten Prozentmethode ermittelte Unterhaltsanspruch des Kindes wird im Rechtsmittel nicht in Frage gestellt. Nach § 140 Abs 3 ABGB wird der Anspruch eines Kindes auf Unterhalt ua insoweit gemindert, als es eigene Einkünfte hat. Als anrechenbare "eigene Einkünfte" iSd § 140 Abs 3 ABGB ist grundsätzlich alles anzusehen, was dem Kind, sei es als Natural- oder Geldleistungen, welcher Art immer, aufgrund eines Anspruchs zukommt und insoweit den konkreten Bedarf vermindert (Pichler aaO Rz 11; Schlemmer/Schwimann aaO Rz 11, je mwN).
a) Dieser Grundsatz erleidet insoweit eine Ausnahme, als bestimmte Einkünfte aufgrund gesetzlicher Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind (2 Ob 514/94 = ÖA 1994, 185 = ecolex 1995, 402 = EFSlg 74.038; JBl 1991, 41 ua). Die der Mutter ausgezahlte (hier doppelte) Familienbeihilfe für das Kind mindert somit nicht dessen Unterhaltsanspruch (§ 12a FamLAG; EvBl 1992/73 = ÖA 1992, 56 ua;
Pichler aaO Rz 12b; Schlemmer/Schwimann aaO Rz 98;
Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 43/1, 229/1 f).
b) Gleichfalls außer Betracht bleiben jene Teile der Einkünfte, die dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwandes dienen (ÖA 1994, 185 zu § 1 BPGG; 6 Ob 635/93 = SZ 66/167 = EvBl 1994/90 = ÖA 1994, 106 = EFSlg 73.193; EFSlg 64.917). Auch zum Hilfslosenzuschuß gemäß dem - mit der Einführung eines Bundespflegegeldes aufgehobenen - § 105a Abs 1 ASVG wurde judiziert, daß dieser bei der Unterhaltsbemessung keine Rolle spiele, weil er den an Wartung und Hilfe notwendigen Sonderbedarf abdecken solle (RZ 1992/25 = EvBl 1992/27 = EFSlg 66.471 mwN). Das Pflegegeld nach dem BPGG dient ausschließlich der pauschalierten Abgeltung des Sonderbedarfs pflegebedürftiger Personen, weshalb es insoweit bei der Unterhaltsbemessung zur Gänze außer Betracht zu bleiben hat (ÖA 1994, 185; SZ 66/167). Dieselben Erwägungen treffen auch auf das hier zu behandelnde Pflegegeld nach dem O.ö. PflegegeldG zu, dessen § 1 vollinhaltlich dem § 1 BPGG entspricht. Der insoweit der Mj monatlich zukommende Betrag kann daher nicht auf den Sonderbedarf (hier Vornahme von Therapien etc) des Kindes angerechnet werden, dient er doch einem anderen Zweck, nämlich dem "Einkauf" der gegenüber einem nicht behinderten Kind erhöhten Pflege- und Betreuungsleistungen durch dritte Pflegepersonen und/oder natürlich auch die eigene Mutter (ÖA 1994, 185 mwN).
Soll eine öffentlich-rechtliche Leistung ausschließlich einen bestimmten Sonderbedarf des Unterhaltsberechtigten abdecken, so kann dieser Sonderbedarf dann allerdings von ihm in diesem Umfang gegen den Unterhaltspflichtigen nicht mehr als erhöhter Unterhaltsanspruch geltend gemacht werden (SZ 66/167). Die Aufwendungen für Therapien und Kleidung sind nicht krankheitsbedingter Personalaufwand, sondern krankheitsbedingter, durch das Pflegegeld nicht gedeckter Sachaufwand, sodaß insoweit keine Doppelversorgung des Kindes vorliegt.
c) Die Zinsen aus dem Sparguthaben von jährlich 72.000 S (monatlich 6.000 S) sind Einkommen des Kindes iSd § 140 Abs 3 ABGB (SZ 64/94; Schlemmer/Schwimann aaO Rz 97). Daß die Mj ein höheres Zinseneinkommen lukrieren würde, wird im Rechtsmittel nicht einmal behauptet. Da auch bei Berücksichtigung der eigenen Einkünfte des Kindes seine Lebensverhältnisse zu veranschlagen sind, führen solche Einkünfte dann zu keiner Minderung der Unterhaltspflicht der Eltern, wenn die Einkünfte einen die Gesundheit betreffenden Sonderbedarf des Kindes decken müssen und insoweit gerade zu keiner Bedarfsminderung führen können. Ob ein zum laufenden Unterhaltsbedarf eines Kindes im Einzelfall hinzutretender Sonderbedarf bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen ist, hängt davon ab, wodurch der Sonderbedarf verursacht wurde. Betrifft der Sonderbedarf - wie hier - die Gesundheit respektive Krankheit des Kindes, ist er als deckungspflichtig anzuerkennen (ÖA 1994, 185 mwN). Das gilt nicht nur für die Bemessung des Unterhaltssonderbedarfs, sondern auch bei der Lösung der Frage, wieweit ein Eigeneinkommen des Kindes bei der Unterhaltsbemessung außer Anschlag zu bleiben hat.
Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen von den dem Kind monatlich zukommenden Zinsen von 6.000 S die zur Deckung des krankheitsbedingten Sonderbedarfs (hier verschiedene Therapien und orthopädische Schuhe) des behinderten Kindes (vgl Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis3, Rz 134) von monatlich rund 4.100 S sonderbedarfsmindernd in Abzug gebracht und weiters berücksichtigt, daß der Rest gleichfalls auf krankheitsbedingten Sonderbedarf, nämlich auf die notwendigen "nicht unbeträchtlichen" Fahrtkosten zu und von den einzelnen Therapien entfallen. Ob diese Aufwendungen im Einzelfall 1.900 S betragen oder etwas geringer sind, was der Rechtsmittelwerber im übrigen gar nicht konkret behauptet, stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar, ist doch bei der Unterhaltsbemessung stets von den Umständen des Einzelfalls auszugehen. Das Rekursgericht hat erkennbar weder nach dem Gesetz zu beachtende Faktoren für die Unterhaltsbemessung vernachlässigt, noch gegen die klare Absicht des Gesetzes verstoßen.
d) Ob eine Verpflichtung der Mutter zur Annahme einer Teilzeitbeschäftigung besteht, wie der Vater in seinem Revisionsrekurs vermeint, ist hier nicht zu untersuchen, weil dies auf den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Vater keinen Einfluß hat. Wenn die erforderlichen Pflege- und Betreuungsleistungen nicht (zur Gänze) von der Mutter vorgenommen werden, erfordert auch der Einsatz einer anderen Pflegeperson einen entsprechenden, zumindest gleich hohen finanziellen Einsatz und kann daher zu keiner finanziellen Entlastung des unterhaltspflichtigen Vaters führen.
Demnach ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Die mangelnde Bindung des Obersten Gerichtshofes an die Zulassung des Revisionsrekurses durch die zweite Instanz ist durch § 16 Abs 3 AußStrG ausdrücklich klargestellt.
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