Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben.
Text
Begründung
Das pflegebefohlene Mädchen wurde am 20.Februar 1975 von einer damals 21 Jahre alten Buchhalterin unehelich geboren. Vier Wochen später anerkannte ein damals 20 Jahre alter Einzelkaufmann vor dem Jugendwohlfahrtsträger seine Vaterschaft zu dem Kind und verpflichtete sich, zum Unterhalt des Mädchens ab dessen Geburt monatlich 800 S zu bezahlen. Nach eigenen Angaben verfügte der Vater damals über ein monatliches Einkommen von 5.500 S und hatte für ein weiteres außereheliches Kind nach dem Gesetz zu sorgen. Im Sommer 1989 wurde die Mutter auf ihren Antrag anstelle des Jugendwohlfahrtsträgers zur Vormünderin ihres Kindes bestellt. Durch sie beantragte das inzwischen 16 Jahre alt gewordene Mädchen Ende April 1991, die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. Mai 1991 ab 2.500 S zu erhöhen. Der Vater sprach sich zunächst gegen jede 1.600 S monatlich übersteigende Unterhaltsverpflichtung aus und behauptete, als Pächter eines gastgewerblichen Betriebes im Jahre 1990 1 Mio. S Verlust erwirtschaftet zu haben, in diesem Jahr lediglich 50.000 S an Privatentnahmen verbraucht und im übrigen vom Einkommen seiner im Pachtbetrieb angestellten Ehegattin gelebt zu haben; er machte konkurrierende Sorgepflichten für zwei eheliche Kinder geltend. Im Sinne eines Vergleichsvorschlages des von seiner Mutter vertretenen Kindes setzte das Vormundschaftsgericht mit Beschluß vom 11.Juli 1991 (ON 11) die vom Vater ab 1.Mai 1991 geschuldeten monatlichen Unterhaltsbeträge mit 2.000 S fest.
Am 31.Januar 1992 beantragte der Jugendwohlfahrtsträger "als Vertreter des Kindes (§ 9 Abs 1 UVG)" für die Zeit vom 1.Januar 1992 bis 31.Dezember 1994 Unterhaltsvorschüsse im Sinne des § 3 und § 4 Z 1 UVG und behauptete dabei die Erfolglosigkeit einer Exekution sowie die Aussichtslosigkeit einer (weiteren) Exekution, "weil über das Vermögen des Unterhaltsschuldners das Konkursverfahren eröffnet" worden sei.
Das Gericht bewilligte ohne weitere Erhebungen - insbesondere ohne Prüfung der Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers - die beantragten Unterhaltsvorschüsse. (Soweit die Vorschußgewährung über den Zeitpunkt der Vollendung des 19.Lebensjahres hinaus bewilligt wurde, hat das Rekursgericht den Antrag unangefochten abgewiesen.)
Der Präsident des Oberlandesgerichtes bekämpfte die Vorschußgewährung bis einschließlich Februar 1994 wegen begründeter Bedenken im Sinne des § 7 Abs 1 UVG. Nach seinen Rekursausführungen erschiene es "angesichts des anhängigen Insolvenzverfahrens...
aufklärungsbedürftig, ob die Unterhaltsverpflichtung... überhaupt noch im derzeitigen Umfang besteht. So könnte der Umstand, daß über das Vermögen des Unterhaltsschuldners der Konkurs eröffnet wurde, darauf hinweisen, daß die ihm auferlegte Unterhaltspflicht nicht mehr seiner Leistungsfähigkeit und damit der Höhe nach nicht dem gesetzlichen Unterhalt entspricht, den der Unterhaltsschuldner zu leisten verpflichtet wäre"; ungeklärt seien auch die sich aus § 5 Abs 1 und 2 KO ergebenden Fragen. Erst nach Ergänzung des Verfahrens zur Leistungsfähigkeit des Vaters werde "verläßlich zu beurteilen sein, ob bzw inwieweit der bestehende Unterhaltstitel im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 UVG unbedenklich ist".
Ein Konzipient des Masseverwalters im Konkurs des Unterhaltsschuldners teilte dem Gericht mit, daß der Gemeinschuldner zur Zeit vom Einkommen seiner Ehefrau lebe und keine Unterstützung nach § 5 Abs 2 KO erhalte; der Gemeinschuldner sei nicht erwerbstätig und hätte nichts, was ihm gemäß § 5 Abs 1 KO überlassen werden könnte.
Das Rekursgericht bestätigte die Vorschußgewährung bis Ende Februar 1994. Dazu sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht stützte seine Entscheidung unter Berufung auf die in RZ 1992/4 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 1 Ob 639/90 auf die Rechtsansicht, daß die Unterhaltsbemessungsgrundlagen durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Unterhaltsschuldners keine Änderung erführen. Im Sinne dieser Rechtsauffassung bestünden nach den im Bewilligungsverfahren gemäß § 11 Abs 2 UVG zu berücksichtigenden Erkenntnisquellen keine begründeten Bedenken im Sinne des § 7 Abs 1 UVG und dieser vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes geltend gemachte Versagungsgrund läge nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes ist im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG wegen der klarzustellenden unterschiedlichen Bedeutung eines über das Vermögen des Unterhaltsschuldners eröffneten Konkursverfahrens für die die Unterhaltsverpflichtung bestimmende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zulässig. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
Wer als gesetzlicher Unterhaltsschuldner in einem Verfahren für den Wegfall oder die Minderung seiner Leistungsfähigkeit behauptungs- und beweispflichtig ist, genügt dieser seiner verfahrensrechtlichen Obliegenheit nicht schon mit dem bloßen Hinweis auf die erfolgte Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen. Die Konkurswirkungen können, müssen aber durchaus nicht die Leistungsfähigkeit des Gemeinschuldners zur Erbringung eines bestimmten titelmäßig festgelegten oder begehrten Unterhaltsbetrages herabsetzen oder gar aufheben:
Ist etwa der Arbeitserwerb einziges Kriterium der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und bezieht dieser ungeachtet eines über sein Vermögen eröffneten Konkurses weiterhin das vor der Konkurseröffnung erzielte Einkommen (vor allem im Fall unselbständiger Arbeit wie zB im Fall EvBl 1991/64 = RZ 1992/4), mag die Leistungsfähigkeit - ungeachtet einer bloß im Rahmen der Erfordernisse einer bescheidenen Lebensführung zulässigen Überlassung gemäß § 5 Abs 1 KO - zur Erbringung einer an sich nur niedrig bestimmten Unterhaltsleistung aufrecht bestehen. Andererseits könnte eine durch die Konkurseröffnung erzwungene Einstellung oder auch bloße Einschränkung der Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen (vor allem im Fall einer selbständigen Erwerbstätigkeit) zumindest für eine Umstellungs- und Übergangszeit die Leistungsfähigkeit des in Konkurs verfallenen Unterhaltsschuldners völlig aufheben oder doch weitgehend einschränken. Der durch die Konkurseröffnung erfolgte Verlust der Verfügungsfähigkeit über ertragsabwerfendes Vermögen wird, soweit derartige Erträge die Unterhaltsbemessungsgrundlage bilden, die Leistungsfähigkeit eines in Konkurs verfallenen Unterhaltsschuldners in der Regel entscheidend beeinträchtigen.
Die Auswirkungen des Konkurses über das Vermögen eines Unterhaltspflichtigen auf seine Leistungsfähigkeit und damit auf dessen konkrete Unterhaltszahlungspflicht sind nach der Zusammensetzung der Unterhaltsbemessungsgrundlagen (Vermögen, Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit) und nach der Höhe der Unterhaltsleistung - vor allem wenn diese bedarfsbedingt die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht voll ausschöpft - unterschiedlich.
Oppositionskläger, Unterhaltsbeklagter und Antragsgegner in einem außerstreitigen Unterhaltsfestsetzungsverfahren sind verfahrensrechtlich dafür behauptungs- und beweispflichtig, welche konkreten Auswirkungen ein über ihr Vermögen eröffnetes Konkursverfahren auf ihre ohne die Konkurseröffnung anzunehmende Leistungsfähigkeit ausübt; sie genügen ihrer Behauptungs- und Beweislast durch einen bloßen Hinweis auf die Konkurseröffnung ohne Darlegung der Folgen für ihre konkrete Vermögenslage nicht. In diesem Sinn sind die in SZ 23/117, EFSlg 37.593, aber auch die in EvBl 1991/64 = RZ 1992/4 veröffentlichten Entscheidungen zu verstehen. Der tragende Inhalt der mit einer Kurzbegründung versehenen Entscheidung vom 5.März 1992, 7 Ob 1526/92, der sich auf die zitierten Entscheidungen stützt, ist über die hier dargelegten Gedanken nicht zu erweitern.
Der Versagungsgrund nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat nun nicht eine erwiesene oder doch bescheinigte materielle Unrichtigkeit der titelmäßigen Unterhaltsansprüche, auf die die Vorschüsse gewährt werden sollen, zur Voraussetzung, sondern knüpft die Rechtsfolge der Versagung (Herabsetzung oder Einstellung) an das Bestehen begründeter Bedenken gegen den aufrechten materiellen Bestand des zu bevorschussenden gesetzlichen Unterhaltsanspruches im titelmäßigen Ausmaß. Bloß objektiv gerechtfertigte Zweifel reichen zur Versagung nicht hin, vielmehr müßte schon eine zur Zeit der Schaffung des Exekutionstitels bestandene oder durch Änderung der Unterhaltsbemessungsgrundlagen inzwischen eingetretene Unangemessenheit der titelmäßigen Unterhaltsfestsetzung nach den bei der Entscheidung über einen Vorschußantrag zu berücksichtigenden Tatumstände mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein.
Im Bewilligungsverfahren sind amtswegige Erhebungen aus dem aus § 11 Abs 2 UVG hervorleuchtenden Regelungszweck nur insoweit angemessen, als der Verdacht des Versagungsgrundes augenfällig ist und die Erhebungen ohne größere Verzögerungen durchführbar sind.
Diese für das Bewilligungsverfahren aus § 11 Abs 2 UVG zu folgernde Beschränkung in der Stoffsammlung gilt für ein Verfahren zur Herabsetzung oder Einstellung bewilligter Vorschüsse allerdings nicht. In einem Stadium, in dem der Unterhalt des Minderjährigen durch Vorschußgewährung in gewissen Grenzen gesichert ist, kommt der Stoffsammlungsgrundsatz des § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG voll zum Tragen. Es bestünde daher durchaus kein Widerspruch darin, daß das Gericht zwar ungeachtet schlüssig begründbarer Zweifel gegen die bestehende Angemessenheit der titelmäßig festgelegten Höhe der Unterhaltsverpflichtung die beantragte Vorschußgewährung bewilligte, gleichzeitig aber von Amts wegen oder auf entsprechenden Antrag im Bewilligungsverfahren nicht vollziehbare Erhebungen mit dem Ziel einer Herabsetzung oder Einstellung der Vorschüsse pflegt.
Aufklärungsbedürftige Zweifel, wie sie der Rekurswerber in seinem Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Vorschußgewährung geltend gemacht hat, sind aber in keinem Stadium hinreichender Anlaß für Erhebungen, ob und inwieweit der Unterhaltstitel im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UWG unbedenklich sei.
Nach der Aktenlage ließen sich aus der vom Unterhaltsschuldner seinerzeit behaupteten Einkommenslage und der beschlußmäßigen Begründung der Unterhaltsfestsetzung mit dem Einverständnis der Beteiligten lediglich Ansatzpunkte für Zweifel an der Angemessenheit der titelmäßig bestimmten Unterhaltsbeträge gewinnen. Im Hinblick auf das unwidersprochen gebliebene Vorbringen des Unterhaltsschuldners, bereits durch eineinhalb Jahre vor der beschlußmäßigen Unterhaltserhöhung den bestimmten Betrag von 2.000 S monatlich tatsächlich bezahlt zu haben, lassen sich aber diese Anhaltspunkte keinesfalls zu einem augenscheinlichen Verdacht einer Manipulation verdichten. Andererseits bestehen nach dem Alter und der Berufserfahrung des Unterhaltsschuldners ohne Kenntnis besonderer Umstände keine ernsthaften Zweifel daran, daß dieser ungeachtet des über sein Vermögen anhängigen Konkurses durch zumutbare Beschäftigung 12.000 S bis 15.000 S monatlich verdienen könnte und ihm davon ein Betrag von 2.000 S monatlich zur Deckung der Unterhaltsbedürfnisse seiner unehelichen Tochter überlassen werden könnte.
Es bleibt daher Sache des Präsidenten des Oberlandesgerichtes, unter Ausführung entsprechender konkreter Tatumstände gegebenenfalls einen Herabsetzungs- oder Einstellungsantrag im Sinne der §§ 19 oder 20 UVG zu stellen.
Dem Revisionsrekurs aber mußte ein Erfolg versagt bleiben.
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