OGH 6Ob535/92 (6Ob1558/92)

OGH6Ob535/92 (6Ob1558/92)23.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Patrick M*****, in Obsorge seiner Eltern Johann und Rosina M*****, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch, Dr. Klaus Kollmann und Dr. Günter Folk, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Land S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 1,426.000,-- samt Nebenforderungen und Feststellung (Teilstreitwert S 1 Mio), welchem Rechtsstreit a) Dr. Erich H*****, und b) Dr. Werner H*****, beide vertreten durch Dr. Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, als Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei beigetreten sind, infolge Revision der beklagten Partei gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 31. Januar 1992, AZ 6 R 7, 11/92 (ON 95), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Endurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 3. September 1991, GZ 13 Cg 141/85-84, in der Fassung des Beschlusses vom 4. November 1991, ON 87, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

 

Spruch:

Beschluß

gefaßt:

Das Rechtsmittel wird insoweit zurückgewiesen, als mit ihm die

zweitinstanzliche Erledigung der Anfechtung des Feststellungsausspruches bekämpft wird:

und 2. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der Revision nicht stattgegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 24.103,10 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer S 4.017,20) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Mutter des klagenden Kindes wurde am 7. September 1982 nach Einsetzen der Geburtswehen in das von der beklagten Gebietskörperschaft betriebene Allgemeine Krankenhaus zur Entbindung aufgenommen. Eine bis dahin nicht festgestellte pathologische Anheftung des Mutterkuchens unmittelbar am Muttermund (placenta praevia) machte eine Schnittgeburt erforderlich. Dieser Eingriff erfolgte mangels früherer Erkennung der anomalen Lage des Mutterkuchens infolge Fehlens eines Ultraschall-Diagnosegerätes sowie zufolge unzureichender Überwachung der Gebärenden so spät, daß das Kind während des Geburtsvorganges bereits einem derart hochgradigen Sauerstoffmangel ausgesetzt war, daß es mit schwersten Gehirnschädigungen zur Welt kam. Diese Schädigungen bewirken einen Dauerzustand schwersten stato-motorischen Entwicklungsrückstandes ohne Kopfkontrolle, mit Unfähigkeit zur Drehung von der Bauch- in die Rückenlage oder umgekehrt, Unfähigkeit zu stehen, zu sitzen oder zu gehen und kaum vorhandener Spontanmotorik oder vorhandener Reaktion auf Ansprache. Überdies traten beim Kläger cerebrale Krampfanfälle auf. Der Zustand des - nunmehr neun Jahre alten - Klägers entspricht dem Entwicklungszustand eines Säuglings in den ersten Lebenswochen. Er wird zeitlebens als schwerer Pflegefall auf fremde Hilfe zur Gänze angewiesen sein. Beim Kläger sind zwar die zur Schmerzleitung erforderlichen anatomisch-histologischen Strukturen angelegt, es gebricht aber an den im Zwischenhirn gelegenen Umschaltmechanismen, durch die die Schmerzimpulse das Gehirn erreichen. Der Kläger ist außerstande, Schmerz zu empfinden. Sein Zustand ist als komplettes apallisches Syndrom zu werten.

Der Kläger begehrte neben anderen Geldleistungen ein Schmerzengeld in der Höhe von S 1,2 Mio; überdies stellte er das Begehren auf Feststellung der Haftung des Beklagten für alle aus dem Ereignis vom Tag seiner Geburt kausalen Folgeschäden.

Mit Zwischenurteil hatte das Prozeßgericht erster Instanz ausgesprochen, daß der Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe. Dazu hatte das Prozeßgericht in der Begründung ausgeführt, daß aufgrund der schwersten Gehirnschädigungen des Klägers unter anderem dessen Schmerzengeldansprüche mit einem zumindest nicht unbedeutenden Teil aufrecht bestünden und sein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der beklagten Partei augenfällig wäre.

Das Berufungsgericht hatte diese Entscheidung mit der Maßgabe bestätigt, daß es als Teil- und Zwischenurteil auf den Ausspruch des Zurechtbestehens der geltend gemachten Leistungsansprüche beschränkt werde, weil mit dem Urteil erster Instanz ungeachtet vorliegender Entscheidungsreife über das Feststellungsbegehren nicht entschieden worden sei. (Dabei verschloß sich das Berufungsgericht der offenkundigen Tatsache, daß das Prozeßgericht das Feststellungsbegehren nicht nur als gerechtfertigt erachtete, sondern in seinem Ausspruch über das Zurechtbestehen des Klagsanspruches auch einen Abspruch über das Feststellungsbegehren beabsichtigte und lediglich unrichtig formuliert hatte.)

Die Berufungsentscheidung erwuchs in Rechtskraft. Im Verfahren über die Anspruchshöhe holte das Prozeßgericht die Gutachten eines Unfallschirurgen und eines Neurologen vor allem zur Schmerzerlebnisfähigkeit und den Schmerzempfindungen des Klägers ein.

Mit der als Endurteil bezeichneten Entscheidung vom 3. September 1991 gab das Prozeßgericht dem Leistungsbegehren - und damit auch dem Begehren auf Zuspruch eines Schmerzengeldes in der Höhe von S 1,2 Mio - ohne weiteren Ausspruch über das Feststellungsbegehren statt.

Der beklagte Krankenhausträger erhob gegen die Stattgebung des Zahlungsbegehrens Berufung. Das klagende Kind stellte wegen des fehlenden Ausspruches über sein Feststellungsbegehren weder einen Urteilsergänzungsantrag noch erhob es seinerseits eine Berufung. Das Prozeßgericht erster Instanz faßte aber von Amts wegen am 4. November 1991 einen als Ergänzungsbeschluß im Sinne des § 419 Abs 1 ZPO bezeichneten Beschluß, mit dem es seinen Urteilsspruch um den klagsstattgebenden Ausspruch über das Feststellungsbegehren ergänzte. Zur Begründung dieser Entscheidung führte das Prozeßgericht aus, daß es einen klagsstattgebenden Abspruch über das Feststellungsbegehren beabsichtigt gehabt habe und dieser Ausspruch nur aus einem Versehen des Gerichtes unterblieben wäre.

Nach der Zustellung dieser Entscheidung brachte der beklagte Krankenhausträger eine neue Rechtsmittelschrift ein. In diesem Schriftsatz wiederholte der Rechtsmittelwerber in einem dem Schmerzengeld gewidmeten Abschnitt 2 die Ausführungen in der vorangegangenen Berufung zum unberichtigten Urteil wortwörtlich, ebenso die Berufungsanträge. Ergänzend erstattete der Rechtsmittelwerber aber in einem dem Berichtigungsbeschluß gewidmeten Abschnitt 1 nunmehr auch Ausführungen zur Stattgebung des Feststellungsbegehrens. Diese Rechtsmittelausführungen gegen den nachgetragenen Ausspruch über das Feststellungsbegehren erschöpften sich in Darlegungen über die verfahrensrechtliche Unzulässigkeit des erfolgten Ausspruches ohne jede Stellungnahme zu seiner inhaltlichen Richtigkeit in materiellrechtlicher Hinsicht; folgerichtig beschränkte sich auch der Rechtsmittelantrag darauf, daß "der Berichtigungsbeschluß ersatzlos behoben werde". Der als Hilfsantrag auch diesem Rechtsmittelantrag nachgereihte Antrag, "das bekämpfte Urteil" zur Verfahrensergänzung aufzuheben, ließe sich zwar für sich allein betrachtet, auch auf den Feststellungsausspruch beziehen, allein es fehlte jede als Bekämpfung der inhaltlichen Richtigkeit des nachgetragenen Ausspruches über das Feststellungsbegehren erkennbare Rechtsmittelausführung. Das stimmt insofern mit dem Prozeßstandpunkt des Beklagten überein, als er bewußt die Teilzusprüche aus dem Titel des § 1326 ABGB sowie auf Ersatz der den Eltern erwachsenen Besuchskosten unangefochten gelassen hat.

Das Gericht zweiter Instanz erblickte in dem nach Zustellung des Beschlusses vom 4. November 1991 eingebrachten Schriftsatz außer einer als unstatthaft und somit unbeachtlich erklärten Wiederholung der Anfechtung des Schmerzengeldzuspruches nur eine als Rekurs zu wertende Anfechtung des Berichtigungsvorganges. Insoweit betrachtete sich das Gericht zweiter Instanz als Rekursgericht, befand die Ergänzung des Endurteiles durch den Ausspruch über das Feststellungsbegehren in der Regelung des § 419 Abs 1 ZPO gedeckt und sprach demgemäß aus, daß dem Rekurs nicht Folge gegeben und die als Rekursbeantwortung bezeichnete Rechtsmittelgegenschrift zurückgewiesen werde. Dazu sprach das Gericht zweiter Instanz aus, daß der Revisionsrekurs unzulässig sei. Dies begründete es mit dem Rekursausschluß nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.

Der Anfechtung des Schmerzengeldzuspruches gab das Berufungsgericht nicht statt. Dazu sprach es aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Diesen Zulassungsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, daß das zuerkannte Schmerzengeld die nach der veröffentlichten Rechtsprechung des Revisionsgerichtes bisher aus diesem Titel zugesprochenen höchsten Beträge übersteige.

Die beklagte Partei ficht die zweitinstanzliche Entscheidung mit den Abänderungsanträgen auf Abweisung des Schmerzengeldbegehrens und ersatzlose Aufhebung des Ergänzungsurteiles (des Berichtigungsbeschlusses) sowie mit einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Rechtsmittelausführungen zur Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses, mit dem in Form eines Berichtigungsbeschlusses der Spruch des Endurteils um den klagsstattgebenden Ausspruch über das Feststellungsbegehren ergänzt worden war, beschränken sich wieder auf die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit dieses Vorganges ohne jede inhaltliche Bekämpfung der materiellen Berechtigung des Feststellungsbegehrens.

Rechtliche Beurteilung

Einer solchen Anfechtung steht, wie das Gericht zweiter Instanz zutreffend erkannte, der Rekursausschluß nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO entgegen. Die materiellrechtliche Begründetheit des Feststellungsausspruches war nicht Gegenstand der zweitinstanzlichen Entscheidung; nach dem Inhalt des an das Gericht zweiter Instanz erhobenen Rechtsmittels war nur über die verfahrensrechtliche Zulässigkeit der vom Prozeßgericht unter Berufung auf einen Berichtigungsfall im Sinn des § 419 ZPO beschlußmäßig erfolgte Ergänzung des Endurteils durch den Ausspruch über das Feststellungsbegehren zu befinden. Die Entscheidung der zweiten Instanz war nach ihrem Inhalt ein bestätigender Beschluß, der dem erwähnten Rechtsmittelausschluß unterliegt. Das schlösse auch eine Anfechtung im Rahmen einer Revision aus, als die bei dem dargelegten Fehlen einer zweitinstanzlichen Sachentscheidung das Rechtsmittel in dieser Hinsicht seinem Inhalt nach nicht gewertet werden könnte.

Die Anfechtung der zweitinstanzlichen Entscheidung über die Berichtigung des Endurteiles durch seine Ergänzung um den Feststellungsanspruch ist unzulässig. In diesem Umfang ist das als Revision und vorsichtshalber auch als außerordentlicher Revisionsrekurs bezeichnete Rechtsmittel zurückzuweisen.

Zum Schmerzengeld:

Der Schmerzengeldanspruch des Klägers gegen den Träger des Krankenhauses, in das die Mutter des Kindes zu ihrer Entbindung aufgenommen wurde, wegen eines haftungsbegründenden Verhaltens während der Geburtsvorbereitung, das zu einer solchen Schädigung der Leibesfrucht führte, daß das Kind mit schwersten Gehirnschäden zur Welt kam, ist nach dem in Rechtskraft erwachsenen Zwischenurteil dem Grunde nach jeder weiteren Erörterung entrückt.

Das bezieht sich nicht bloß auf die Frage nach der allgemeinen Fähigkeit, als Lebendgeborener Träger von Schadenersatzansprüchen zu sein, die sich aus einer vorgeburtlichen Schädigung der Leibesfrucht herleiten, sondern auch auf die Frage nach der besonderen Berechtigung, bei der eingetretenen konkreten Schädigung Schmerzengeld fordern zu können.

Der den Schmerzengeldanspruch prägende Zustand des Klägers hat sich seit seiner Geburt bis zu dem Zeitpunkt des der Fällung des Zwischenurteiles vorangegangenen Schlusses der Verhandlung, in welchem der Kläger knapp vor der Vollendung seines 6. Lebensjahres stand, nicht geändert. Der Zustand war bereits im Verfahren über den Anspruchsgrund in gleicher Weise feststellbar wie im nachfolgenden Verfahren über die Anspruchshöhe. Ein Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO liegt daher nicht vor. Damit erübrigt sich eine Stellungnahme zu der von Fasching Lehrbuch2 Rz 1431 dargelegten Lehrmeinung, daß Tatsachen und Beweismittel, die zwar schon vor Schluß der mündlichen Verhandlung (zum Zwischenurteil) bestanden, aber erst nachher ohne Verschulden der Partei für sie benützbar wurden und ein Wiederaufnahmsbegehren rechtfertigten, aus prozeßökonomischen Erwägungen auch ohne formelle Wiederaufnahme im Verfahren über die Anspruchshöhe berücksichtigt werden sollten.

Der Einwand, daß dem Kläger nach seinem jedes Schmerzerlebnis und jede Schmerzerfahrung ausschließenden Zustand, mit dem er nach seiner vorgeburtlichen Schädigung bereits zur Welt kam, unter keinen Umständen ein Schmerzengeld zustehen könne, hat nach der innerprozessualen Bindungswirkung des Zwischenurteils im Verfahren über die Anspruchshöhe ausgeschlossen zu bleiben.

Das enthebt das Gericht im Verfahren über die Anspruchshöhe freilich nicht der Aufgabe, Grundlage und Funktion des Schmerzengeldes als Rechtseinrichtung zu bestimmen und auf dieser Grundlage nach den konkreten Umständen des Einzelfalles einen als angemessen erachteten Betrag auszumitteln.

Nach dem Programm des § 1293 ABGB ist nicht nur ein Nachteil am Vermögen oder an Rechten, sondern auch "jeder Nachteil, welcher jemandem an seiner Person zugefügt worden ist", ausgleichsfähig. Dazu regelt § 1325 ABGB die schadenersatzrechtlichen Folgen im Falle einer Körperverletzung und anerkennt mit der Verpflichtung zur Zahlung eines "den erhobenen Umständen angemessenen" Schmerzengeldes (ebenso wie im Anspruch auf volle Genugtuung nach § 1329 ABGB im Falle vorsätzlicher Freiheitsbeschränkung) die Ersatzfähigkeit immaterieller Nachteile. Nach der gegenüber der Zeit der Gesetzwerdung wesentlich differenzierteren heutigen medizinischen Betrachtungsweise und der im Sinne der Grundrechte auf nationaler und internationaler Ebene rechtlich heute viel eingehender ausgeformten Umschreibung der rechtlich geschützten Interessen einer natürlichen Person nicht bloß an der Bewahrung ihrer körperlichen Unversehrtheit, sondern darüber hinaus auch an der Entfaltungsmöglichkeit ihrer ihr eigenen geistigen und emotionalen Anlagen als Teil ihrer Persönlichkeit im Rechtssinn ist auch jeder Eingriff in die Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeit der diese Persönlichkeit ausmachenden Potenzen im schadenersatzrechtlichen Sinn wie eine Körperverletzung als ausgleichsbegründend anzuerkennen.

Ein haftungsbegründendes Verhalten, das im schadenersatzrechtlichen Sinn nachteilig auf die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen einwirkt, begründet nicht nur Anspruch auf Ersatz der Kosten zweckmäßiger Heilungsversuche sowie gegebenenfalls auf Ersatz künftig entgehenden Verdienstes, sondern auch auf Ausgleich des immateriellen Nachteiles in der Form des Schmerzengeldes.

Es trifft zu, daß die Rechtsprechung zum Schmerzengeld in Fällen eines apallischen Syndroms bis in die jüngste Gegenwart zumindest verbal den Grundsatz aufrechterhalten hat, Voraussetzung für den Zuspruch eines Schmerzengeldes sei das Vorhandsein von Schmerzempfindungen beim Verletzten, mag er auch gar nicht fähig sein, seine Schmerzen bei klarem Bewußtsein zu erleben und rational zu verarbeiten (SZ 44/150 uva, zuletzt etwa 2 Ob 146/89). Dazu ließ es die Rechtsprechung allerdings hinreichen, daß der Verletzte in seiner Bewußtlosigkeit wenigstens zeitweise auf Schmerzreize reagierte (ZVR 1978/180), das bei ihm "mehr oder weniger heftige vegetative Reaktionen" ausgelöst wurden (ZVR 1985/49) oder daß ihn "ein Funken von Restintelligenz" befähigte, seine katastrophale Lage zu erkennen und mit seelischen Schmerzen darauf zu reagieren (2 Ob 146/89). Andererseits erachtete die Rechtsprechung das Schmerzengeld auch in den Fällen nicht als funktionslos, in denen der Verletzte wegen schwerer Schädigung seiner Gehirnfunktion nach menschlichem Ermessen auch in der Zukunft nicht in der Lage sein wird, sich (als Ausgleich für die erlittenen Nachteile) Annehmlichkeiten oder Erleichterungen zu verschaffen oder verschaffen zu lassen (5 Ob 608/84). Als bestimmend für Grund und Anspruch des Schmerzengeldes wurde vielmehr die "außergewöhnliche Schwere der Unfallsfolgen" an sich (JBl 1984, 673) und nicht die Intensität des Unlusterlebnisses erkannt.

Das Festhalten am Erfordernis eines "restlichen Funkens" von Schmerzerlebnisfähigkeit stellt der Sache nach praktisch einen Verzicht auf die in der früheren Rechtsprechung als Voraussetzung eines Schadenersatzanspruches geforderte Schmerzempfindung (ZVR 1972/195) des Verletzten dar.

Die tatsächliche rechtliche Wertung liegt vielmehr darin, daß eine haftungsbegründende Einwirkung auf die Persönlichkeitsstruktur einer Person, die diese außerstande setzt, Schmerz und Leid im Gegensatz zu Wohlbefinden und Freude zu empfinden und sie damit elementarster menschlichen Empfindungen beraubt, für den darin gelegenen immateriellen Nachteil als solchen entschädigungspflichtig macht. Wem die Erlebnisfähigkeit genommen wird, erleidet einen schadenersatzrechtlich zumindest ebenso bedeutenden Nachteil an seiner Person wie durch eine Störung seines Wohlbefindens durch "Schmerz".

Es wäre daher entgegen dem Standpunkt des Revisionswerbers keinesfalls gerechtfertigt, wegen der dem Kläger entzogenen Lust/Schmerz-Erlebnisfähigkeit eine der Schwere des Eingriffes in seine Persönlichkeitsstruktur angemessene Entschädigung auch nur zu mindern.

Die mit S 1,2 Mio bemessene Höhe des Schmerzengeldes wird der Schwere des Eingriffes in die anlagenmäßige Persönlichkeitsstruktur des Klägers gerecht. Ein Betrag in dieser Höhe wurde in der erklärten Erwägung bereits einmal zuerkannt, daß eine starre Obergrenze für den Schmerzengeldzuspruch nicht dem Gesetz entspräche (2 Ob 55/91).

Der Anfechtung des Schmerzengeldzuspruches war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO; als Bemessungsgrundlage war allerdings nur die Höhe des strittigen Schmerzengeldes (unter Ausschluß der Bewertung des Feststellungsbegehrens) heranzuziehen.

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