Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 768,24 EUR (darin 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung
Die klagende Partei hat der beklagten Partei für eine zwischen beiden Parteien vereinbarte Werkleistung im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben G***** mit Schlussrechnung vom 25. 6. 2013 Rechnung gelegt. Im Werkvertrag war unter anderem ein Haftrücklass von „5 % bis Ende Gewährleistung, ablösbar mit Bankhaftbrief“ vereinbart. Dieser Haftrücklass wurde in der Schlussrechnung vom 25. 6. 2013 mit dem Betrag von 10.558,96 EUR in Abzug gebracht.
Die Klägerin begehrt die Zahlung dieses Betrags samt 7,88 % Zinsen seit 19. 9. 2013. An diesem Tag sei der beklagten Partei eine Bankgarantie in Höhe des Haftrücklasses übermittelt worden; die beklagte Partei sei daher zu dessen Zurückbehaltung nicht mehr berechtigt.
Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung. Die Bankgarantie sei an eine Bedingung geknüpft und daher nicht wirksam. Aufrechnungsweise wandte die Beklagte eine Gegenforderung in Höhe von 8.802,78 EUR ein. Die Beklagte habe in diesem Umfang Korrekturen in der Schlussrechnung der klagenden Partei betreffend Mehrleistungen vorgenommen. Diese Mehrleistungen seien seitens der beklagten Partei nicht zu honorieren, weil sie ausschließlich von der klagenden Partei verursacht bzw verschuldet worden seien. Die beklagte Partei habe daher um diesen Betrag zu viel bezahlt. Der vom Bezirksgericht Zell am See erlassene und in Rechtskraft erwachsene Zahlungsbefehl stehe einer Einwendung als Gegenforderung nicht entgegen.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 10.558,96 EUR für zu Recht bestehend, die Gegenforderung von 8.802,78 EUR für nicht zu Recht bestehend und gab davon ausgehend dem Klagebegehren statt. Dabei ging es von folgendem Sachverhalt aus:
Die von der klagenden Partei gelegte Schlussrechnung wurde von der beklagten Partei einseitig korrigiert. Diese Korrektur betraf im Zusammenhang mit Mehrleistungen einen Betrag von 8.802,78 EUR. Der verbleibende Betrag wurde von der beklagten Partei bis auf den Haftrücklass in Höhe von 10.558,96 EUR und einen Skontoabzug in Höhe von weiteren 2.587,85 EUR bezahlt. Der Vertreter der klagenden Partei teilte daraufhin mit, dass diese Abzüge nicht berechtigt seien. In weiterer Folge bezahlte die beklagte Partei für den Skontoabzug weitere 622,62 EUR, woraus sich ein offener Betrag von 10.767,01 EUR zuzüglich des Haftrücklasses von 10.558,96 EUR ergab.
Am 19. September 2013 übermittelte die Hausbank der klagenden Partei der beklagten Partei eine Haftrücklassgarantie in Form einer Bankgarantie über 10.558,96 EUR als Sicherstellung für die vorzeitige Auszahlung des Haftrücklasses in der selben Höhe. Diese Bankgarantie enthält unter anderem folgende Formulierung: „Voraussetzung für das Inkrafttreten dieser Garantie ist der Eingang des Garantiebetrags (oder mehr) auf dem bei unserem Institut geführten Konto Nr [...] unseres Kunden. Im Überweisungstext ist auf die Garantie hinzuweisen. Ein entsprechender Nachweis ist dem Inanspruchnahmeschreiben beizulegen.“
Die beklagte Partei bestätigte den Erhalt dieser Bankgarantie und gestand zu, dass der gesicherte Betrag zur Auszahlung fällig sei. Eine Auszahlung des Haftrücklassbetrags erfolgte gleichwohl nicht.
Nach einem weiteren Schriftwechsel zwischen den Rechtsvertretern der Parteien brachte die klagende Partei am 17. 10. 2013 beim Bezirksgericht Zell am See eine Mahnklage über 10.767,01 EUR ein. Die klagende Partei brachte vor, die beklagte Partei habe unberechtigt Skontoabzüge in Höhe von zuletzt 1.964,23 EUR vorgenommen. Weiters seien Mehrleistungen in Höhe von 8.802,78 EUR nicht anerkannt worden, obwohl die Berechtigung des Mehraufwands dokumentiert sei. Somit bestehe noch ein Anspruch auf 21.948,60 EUR abzüglich des Haftrücklasses von 5 % und einer Skontonachzahlung von 622,62 EUR, was den Betrag von 10.767,01 EUR ergebe. Der auf diese Klage erlassene bedingte Zahlungsbefehl wurde rechtskräftig; die beklagte Partei bezahlte den Betrag von 10.761,01 EUR.
Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die beklagte Partei zur Einbehaltung des Betrags in Höhe der Haftrücklassgarantie aufgrund der übermittelten Bankgarantie nicht mehr berechtigt sei. Die Bankgarantie enthalte keine Bedingung, die den Eintritt der Rechtswirksamkeit der Garantie verhindere. Die dort enthaltenen Sätze würden lediglich Sinn und Zweck dieser Garantie sowie deren Abwicklungsmodalitäten wiedergeben.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es aussprach, dass die Zahlung auf ein bestimmtes Konto der klagenden Partei zu erfolgen habe. Außerdem wies es ein Zinsenmehrbegehren ab.
Halte man sich den Zweck des Haftrücklasses vor Augen, so bestünden keine Bedenken, wenn die Rückzahlung des Haftrücklasses auf das Geschäftskonto zur Voraussetzung für das Inkrafttreten der Garantie gemacht werde. Die Beklagte erlange durch eine derartige Bankgarantie eine dem Haftrücklass entsprechende Sicherstellung, die sie selbst durch Einzahlung auf das Geschäftskonto der Klägerin in Wirksamkeit setzen könne. Bei einer anderen Vorgangsweise käme es zumindest vorübergehend zu einer doppelten Sicherstellung der Beklagten. Allerdings könne nur Zahlung auf das in der Bankgarantie angeführte Konto begehrt werden.
Die Aufrechnung müsse schon daran scheitern, dass es für diese Zahlung einen gültigen Rechtsgrund gebe. Der von der Klägerin im Mahnverfahren erwirkte Zahlungsbefehl sei in Rechtskraft erwachsen.
Die Einschränkung der Zahlung auf das Geschäftskonto der Klägerin bilde kein Aliud sondern ein bloßes Minus.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu den Voraussetzungen der Ablösung eines Haftrücklasses durch eine Bankgarantie keine Rechtsprechung vorliege.
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RIS‑Justiz RS0042392) - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Die Auslegung von Garantieerklärungen gemäß § 914 f ABGB wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS‑Justiz RS0017670 [T10]).
2. Der Haftrücklass (also das vertragliche Recht des Bestellers, einen Teil des Werklohns zurückzubehalten) oder die Haftrücklassgarantie (mit dem Zweck, den Begünstigten so zu stellen, als ob er die fragliche Summe noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte) sollen die Gewährleistungsansprüche sichern und damit auch den Anspruch des Bestellers auf Verbesserung des mangelhaften Werks (RIS‑Justiz RS0018098; vgl auch RS0018099). Sinn einer Bankgarantie, welche an Stelle eines sonst vereinbarten Haftrücklasses gegeben wird, ist nicht, dem Begünstigten nur eine Sicherheit zu geben, sondern der Begünstigte soll so gestellt werden, wie wenn er schon Bargeld in Händen hätte bzw wie wenn er die fragliche Summe noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte (RIS‑Justiz RS0017002).
3.1. Die im vorliegenden Fall verwendete Formulierung als Bedingung für das „Inkrafttreten“ bzw „Wirksamwerden“ der Bankgarantie ist im Geschäftsverkehr üblich und wurde bereits mehrfach vom Obersten Gerichtshof beurteilt. In der Entscheidung 7 Ob 679/88 (vgl auch ÖBA 1989/167 mit Anm von Rummel) sprach der Oberste Gerichtshof zu einem vergleichbaren Sachverhalt, bei dem die Garantie nur gegen Annahme des Anbots und Überweisung des von der Bank garantierten Betrags auf das dortige Konto des die Werkleistung erbringenden Unternehmens in Kraft trat und die Klägerin nicht den vollständigen Betrag überwies, aus, dass sich bereits aus dem Wortlaut der Garantieerklärung eindeutig ergebe, dass nur die Überweisung des garantierten Betrags das Inkrafttreten der Garantie bewirken konnte. Durch die Einzahlung eines geringeren Betrags habe die Garantieerklärung nicht Wirksamkeit erlangt.
3.2. In der kurz darauf ergangenen Entscheidung 4 Ob 598/89, in der die Wirksamkeit der Garantie von der Überweisung des Haftrücklasses auf ein bestimmtes Konto abhing, sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass durch die Zahlung des gesamten einbehaltenen Haftrücklasses die von der Beklagten gesetzte Bedingung erfüllt worden war.
3.3. In der kürzlich ergangenen Entscheidung 8 Ob 87/14y hatte der Oberste Gerichtshof eine Bankgarantie zu beurteilen, die von der Bedingung abhing, dass eine Anzahlung in Höhe von 4.200.000 EUR auf das Konto des Bankkunden einlangte. Der 8. Senat sprach aus, dass die formelle Garantiestrenge zu Lasten des Begünstigten dann uneingeschränkt gelte, wenn Hindernisse lediglich seiner eigenen Sphäre zuzurechnen seien. In diesem Fall habe der Begünstigte die Anspruchsvoraussetzungen pedantisch genau zu erfüllen.
4. Auch die Frage, was unter der „Ablösung“ eines Haftrücklasses durch eine Bankgarantie zu verstehen ist, ist bereits durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt. Darunter ist zu verstehen, dass durch eine Bankgarantie eine dem Haftrücklass entsprechende Sicherstellung geboten wird (10 Ob 504/87).
5. Im Übrigen hat die Beklagte nach den Feststellungen des Erstgerichts gegenüber der Klägerin die Fälligkeit des Anspruchs aufgrund der Bankgarantie anerkannt.
6. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Gericht dem Urteilsspruch eine klare und deutlichere, vom Begehren allenfalls sogar abweichende Fassung geben, falls sich diese im Wesen mit dem Begehren deckt (RIS‑Justiz RS0041254). Dabei ist nicht nur der Wortlaut des Begehrens, sondern auch das erkennbare Rechtsschutzziel der Klage zu beachten (RIS‑Justiz RS0039010). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Klagsvorbringen eindeutig, dass die Klägerin bei ihrer die Bankgarantie gebenden Hausbank nur ein Konto hat und auf dieses Zahlungen getätigt werden sollten. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage im Spruch klarstellte, dass die Auszahlung auf dieses Konto zu erfolgen hat, so ist darin weder ein Aliud noch ein (ins Gewicht fallendes) Minus zu erblicken. Vor allem ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte durch eine derartige Klarstellung beschwert sein soll. Im Übrigen ist der Revision nicht zu entnehmen, inwieweit ein solcher Verfahrensmangel geeignet wäre, die erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (vgl RIS‑Justiz RS0043027).
7. Frei von Rechtsirrtum haben die Vorinstanzen auch erkannt, dass die Gegenforderung an der Rechtskraft des Zahlungsbefehls scheitert. Der Zahlungsbefehl im Mahnverfahren ist grundsätzlich der materiellen Rechtskraft teilhaftig (5 Ob 75/09d; RIS‑Justiz RS0041463; Kodek in Fasching/Konecny² III § 246 Rz 2; Oberhammer, Zu den Ursprüngen des Mahnverfahrens im österreichischen Recht, FS Sprung [2001] 283). Dass der Zahlungsbefehl eine vollwertige rechtskräftige Entscheidung in der Sache und nicht bloß einen Vollstreckungstitel darstellt, ist tragendes Prinzip des österreichischen Mahnverfahrens (Rechberger/Kodek, Mahnverfahren in der Europäischen Union 7). Die Auffassung Burgstallers (Zur Bindungswirkung von Säumnisentscheidungen, JBl 1999, 563), der Zahlungsbefehl entfalte zwar Einmaligkeits‑, nicht aber Bindungswirkung, blieb vereinzelt und wurde in der Literatur abgelehnt (vgl Oberhammer, FS Sprung 286 Fn 10; Kodek in Fasching/Konecny aaO).
8. Zusammenfassend bringt die Beklagte daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.
9. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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