Spruch:
Unwirksamkeit eines Gutsübergabsvertrages, in dem der Übernahmspreis mit dem "gerichtlichen Schätzweg oder einem zu vereinbarenden Übergabspreis" festgesetzt wurde.
Entscheidung vom 21. Jänner 1959, 6 Ob 348/58.
I. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis; II. Instanz:
Oberlandesgericht Linz.
Text
Die beklagten Ehegatten schlossen am 25. Juni 1947 in Form eines Notariatsaktes eine Vereinbarung, derzufolge sie einander gegenseitig die Verpflichtung auferlegten, ihr der Gütergemeinschaft unterzogenes Bauerngut samt allem Zubehör der Klägerin als der Tochter des Erstbeklagten aus erster Ehe spätestens bis zur Erreichung ihres 25. Lebensjahres am 11. Februar 1957 um den gerichtlichen Schätzwert oder um einen zwischen den seinerzeitigen Vertragsparteien zu vereinbarenden Übernahmspreis zu übergeben, bis dahin aber die Liegenschaft nicht zu veräußern oder zu belasten. Im Grundbuch wurde das Vorzugsrecht zur Gutsübernahme zugunsten der Klägerin einverleibt.
Die Klägerin stellte das Klagebegehren, die Beklagten seien schuldig, binnen 14 Tagen das Bauerngut samt Zubehör auf ihre Kosten bei dem zuständigen Gerichte schätzen zu lassen, der Klägerin nach rechtskräftiger Ermittlung des Schätzwertes die Liegenschaft samt Zubehör zu übergeben und in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin zu willigen, und zwar gegen gleichzeitige Leistung des gerichtlichen Schätzwertes durch die Klägerin. In eventu wurde das Begehren gestellt, die Beklagten seien schuldig, binnen 14 Tagen das Bauerngut samt Zubehör auf ihre Kosten beim zuständigen Gericht schätzen zu lassen und mit der Klägerin nach rechtskräftiger Ermittlung des gerichtlichen Schätzwertes einen Übergabsvertrag des Inhaltes abzuschließen, daß sie die Liegenschaft samt Zubehör an die Klägerin um den gerichtlichen Schätzwert übergeben und in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin willigen. In eventu wurde noch das Begehren gestellt, die Beklagten seien schuldig, binnen 14 Tagen mit der Klägerin einen Übergabsvertrag des Inhaltes abzuschließen, daß sie der Klägerin das Bauerngut samt Zubehör gegen den Übergabspreis von 400.000 S übergeben und in die grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin willigen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Auf Berufung der Klägerin bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung und sprach gemäß § 500 Abs. 2 ZPO. aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Ob der Vertrag zwischen den Beklagten vom 25. Juni 1947 analog einem unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossenen Vertrag, analog einem Vorvertrag oder einer Option zugunsten der Klägerin beurteilt wird, er wäre jedenfalls nur verbindlich, wenn in ihm alle wesentlichen Vertragsstücke bestimmt bezeichnet wären (2 Ob 469/54, 1 Ob 166/56). Was das Erfordernis eines bestimmten Übernahmspreises anlangt, wird die analoge Anwendung der Vorschriften des ABGB. über die notwendige Bestimmtheit des Kaufpreises in den §§ 1056 bis 1058 durch die Untergerichte in der Revision nicht bekämpft. Entgegen dem in der Revision vertretenen Standpunkt ist auf die vom Obersten Gerichtshof in wiederholten Entscheidungen (GlUNF. 1140, ZBl. 1923 Nr. 42, zuletzt 6 Ob 263/58; vgl. Bettelheim in Klang 1. Aufl. II/2 S. 979 bei Anm. 12 und 13 zu §§ 1056 bis 1058) ausgesprochene Rechtsansicht zu verweisen, daß die Vereinbarung, der Preis solle durch eine erst vorzunehmende gerichtliche Schätzung ermittelt werden, mangels Bestimmtheit - schon wegen der verschiedenen möglichen Bewertungsmaßstäbe - dem Entstehen eines gültigen Vertrages im Sinn des § 869 ABGB. entgegensteht. Es kann übrigens im vorliegenden Fall eine weitere Erörterung dieser Rechtsfragen aber unterbleiben, weil sich die Beklagten in dem Vertrag vom 25. Juni 1947 vorbehalten haben das Bauerngut statt um den gerichtlichen Schätzwert auch um einen anderen, mit der Klägerin zu vereinbarenden Übergabspreis zu übergeben, was dem Vertragsinhalt jedenfalls seine Bestimmtheit und damit der Vereinbarung ihre Verbindlichkeit nimmt. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob dem Berufungsgericht darin beizupflichten ist, daß nicht nur der Übergabspreis, sondern auch der übrige Vertragsinhalt der Bestimmtheit ermangle, weil zu einer bäuerlichen Gutsübergabe noch andere, im Vertrag vom 25. Juni 1947 fehlende Vertragspunkte als wesentliche Vertragsbestandteile gehörten, wie z. B. die Versorgung der in den Ruhestand tretenden Besitzer des Bauerngutes durch die gleichzeitige Einräumung eines Ausgedinges.
Nach der dargestellten Rechtslage war die Schätzung des Bauerngutes nicht erforderlich, und es bildet daher deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel. Die Unterlassung von Beweisaufnahmen durch das Berufungsgericht kann mit Revision nur bekämpft werden, soweit eine solche Unterlassung auf eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache zurückgeht, d. h. soweit sich die Beweisaufnahmen auf einen Sachverhalt beziehen, den das Berufungsgericht rechtsirrtümlich als für die Entscheidung unerheblich erachtet. Einen solchen Sachverhalt kann die Revision nach den obigen Rechtsausführungen nicht aufzeigen. Insbesondere hat die Klägerin nicht behauptet, daß die gemeinsame Absicht der Beklagten beim Vertragsabschluß am 25. Juni 1947 eine andere, bestimmtere war als die im Wortlaut des Notariatsaktes zum Ausdruck gebrachte. Daher ist in der Unterlassung der Aufnahme von Beweisen über die Intentionen der Beklagten bei dem Vertragsabschluß kein Verfahrensmangel gelegen.
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