OGH 6Ob323/98p

OGH6Ob323/98p22.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Z***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Cerha, Hempel & Spiegelfeld Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wider die Antragsgegnerin P***** Gesellschaft mbH, ***** (eingetragen im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien zu FN 92382g), vertreten durch Dr. Eugen Wiederkehr und Dr. Werner Loos, Rechtsanwälte in Wien, wegen Bucheinsicht infolge außerordentlicher Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 30. Oktober 1998, AZ 28 R 165/97h, womit infolge Rekurses der Antragsgegnerin der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 29. Oktober 1997, GZ 74 Fr 11663/96s-10, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird teilweise Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt zu lauten haben:

Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin oder nach deren Wahl einem von dieser bevollmächtigten, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Vertreter Einsicht in die Geschäftsbücher der Jahre 1994 und 1995 sowie des Jahres 1996 bis zum 20. 6. 1996 zu ermöglichen.

Das Mehrbegehren der Antragstellerin auf Bucheinsicht für das gesamte Geschäftsjahr 1996 sowie sämtliche Eventualbegehren werden abgewiesen.

Text

Begründung

Die antragstellende Gesellschaft mbH mit dem Sitz und der Registrierung in Deutschland war Gründungsgesellschafterin der am 8. 8. 1983 im Handelsregister eingetragenen Antragsgegnerin, einer Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien (deren Firma lautete bis 30. 7. 1996 Z***** Gesellschaft mbH). Vom Stammkapital von 500.000 S hatte die Antragstellerin 50 % übernommen, ihre Mitgründer Günther und Gertraud L***** je 25 %. Nach dem Gesellschaftsvertrag hat jeder Gesellschafter das Recht auf Bucheinsicht. Die Antragstellerin vermittelte Dias und Fotos, die von Unternehmen beispielsweise für Werbematerial oder Kataloge angekauft und verwendet wurden. Zur Erweiterung des Vertriebsnetzes wurde ua auch die Antragsgegnerin gegründet. Im Gesellschaftsvertrag wurde unter P 16. und unter dem Titel "wiederkehrende Leistungen" folgende Vereinbarung getroffen:

"1. Die Gesellschafterin ... (Antragstellerin) verpflichtet sich, Dias und Bildmaterial in ausreichenden Umfang dieser Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, dieser Gesellschaft die Sichtung des neuen Dia- und Bildmaterials zu ermöglichen und diese Gesellschaft regelmäßig mit neuem von ihr aufgearbeiteten, archivierten und für das Archiv adjustierten Dia- und Bildmaterial zu versorgen und dieses ordnungsgemäß zu versenden. Die ... (Antragstellerin) verpflichtet sich, die ihr verfügbare Software für einen Archiv- Bearbeitungs- und Verwaltungscomputer dieser Gesellschaft in Wien kostenlos zur Verfügung zu stellen.

2. Die ... (Antragstellerin) erhält hiefür eine Vergütung in der Höhe

von 50 (fünfzig) Prozent der von dieser Gesellschaft bei ihren Kunden

vereinnahmten Nettonutzungsentgelte zuzüglich 10 (zehn) deutsche

Pfennig je angefordertem Dia oder Bild, das sie dieser Gesellschaft

übersandt hat. An den von dieser Gesellschaft vereinnahmten

Bearbeitungsgebühren ist sie hingegen nicht beteiligt, selbst dann,

wenn die Auswahl der Bilder bei ... (Antragstellerin) erfolgen muß,

wenn angefordertes Bildmaterial nicht in Wien ist.

3. ... (Antragstellerin) verpflichtet sich, die hiebei anfallenden

Fotographenhonorare zu bezahlen. Nachverrechnungen finden nicht statt.

4. Die in Absatz 2 (zwei) genannten 10 (zehn) Pfennig sind derart wertgesichert, daß sie sich in demselben Ausmaß erhöhen, wie sich die vom Österreichischen Statistischen Zentralamt in Wien für den Monat des Zahlungstages verlautbarte Indexzahl des Index der Verbraucherpreise 1976 = 100 gegenüber der für den Monat Mai 1983 verlautbarten Indexzahl dieses Index erhöht.

5. Die der Gesellschafterin ... (Antragstellerin) zustehenden Vergütungen sind zum Ende jedes Kalendermonats abzurechnen und ihr von dieser Gesellschaft im Bankwege unverzüglich zu überweisen.

6. Diese Entgeltsvereinbarungen gelten auf die Dauer von zwei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister."

Mit Notariatsakt vom 20. 6. 1996 trat die Antragstellerin ihren Geschäftsanteil an der Antragsgegnerin an die übernehmende Mitgesellschafterin Gertraud L***** zum Abtretungspreis von 700.000 S ab. Der Abtretungsvertrag wurde von der übernehmenden Gesellschafterin auch als einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der Antragsgegnerin geschlossen und gezeichnet. Von dem Vertragsinhalt sind für die begehrte Bucheinsicht folgende Vertragsbestimmungen als wesentlich hervorzuheben:

"P. 4. Haftung Sub. 4.3.: "Die übernehmende Gesellschafterin wird Z***** Düsseldorf hinsichtlich aller Ansprüche schad- und klaglos halten, die die Gesellschaft oder Mitgesellschafter gegen Z***** Düsseldorf im Zusammenhang mit ihrer Gesellschafterstellung und als Lieferant von Bildmaterial im Rahmen der bisherigen Geschäftsverbindung stellen sollten".

P. 5. Stichtag: "5.1 Stichtag für den Übergang von Besitzrechten und -pflichten an dem vertragsgegenständlichen Geschäftsanteil ist der Tag der Errichtung dieses Abtretungsvertrages.

5.2 Das den vertragsgegenständlichen Geschäftsanteil betreffende Geschäftsergebnis der Z***** Wien für den Zeitraum ab 1. Jänner 1996 steht der übernehmenden Gesellschafterin zu. Der für das Geschäftsjahr 1995 sich allenfalls ergebende Bilanzgewinn steht im Verhältnis ihrer Beteiligung der Z***** Düsseldorf zu und ist binnen 6 Wochen nach Unterfertigung dieses Abtretungsvertrages an diese auszuzahlen. Eine Verpflichtung von Z***** Düsseldorf zur Vornahme eines etwaigen Verlustausgleiches besteht nicht".

P. 6. Geschäftsbeziehung Z***** Wien - Z***** Düsseldorf: "Z***** Düsseldorf und Frau L*****, und zwar sowohl als Gesellschafterin als auch als Geschäftsführerin der Z***** Wien, vereinbaren hinsichtlich der bisherigen Geschäftsbeziehung zwischen Z***** Wien und Z***** Düsseldorf folgendes:

6.1 Sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Z***** Wien einerseits und Z***** Düsseldorf andererseits aus laufender Verrechnung und aus der bisherigen Geschäftsverbindung sind zum Stichtag ausgeglichen.

6.2 Die Lieferbeziehung zwischen Z***** Wien und Z***** Düsseldorf wird mit Errichtung dieses Abtretungsvertrages einvernehmlich aufgelöst, sodaß ab diesem Zeitpunkt Z***** Wien keinen Anspruch auf Belieferung mit weiterem Bildmaterial gegenüber Z***** Düsseldorf hat.

6.3 Hinsichtlich des bei Z***** Wien vorhandenen Bildmaterials, das von Z***** Düsseldorf zur Verfügung gestellt wurde, wird folgendes vereinbart:

a) Bildmaterial aus dem Z***** Worldlife + Nature-Katalog in der derzeit vorhandenen Auflage darf von Z***** Wien bis 31. (einunddreißigsten) Mai 1998 (eintausendneunhundertachtundneunzig) vertrieben werden.

b) Bildmaterial aus dem Z***** Katalog "People I" in der derzeit vorhandenen Auflage darf von Z***** Wien bis 31. (einunddreißigsten) Dezember 1996 (eintausendneunhundertsechsundneunzig) vertrieben werden.

c) Das bei Z***** Wien weitere vorhandene Bildmaterial, das von Z***** Düsseldorf zur Verfügung gestellt wurde, darf Z***** Wien bis

31. (einunddreißigsten) Oktober 1996 (eintausendneunhundertsechsundneunzig) vertreiben.

d) Für das Bildmaterial gemäß a) bis c) wird Z***** Wien jedes aktive Marketing ab sofort unterlassen. Der Vertrieb des Z***** Wien überlassenen Bildmaterials erfolgt von dieser auf nicht exklusiver Basis. Das jeweilige Bildmaterial gemäß a) bis c) ist jeweils binnen drei Monaten nach Ablauf der unter a) bis c) genannten Fristen an Z***** Düsseldorf zurückzustellen.

e) Die Abrechnung des Bildmaterials gemäß a) bis c) hat in Zukunft ausschließlich über Z***** Düsseldorf nach dem Schlüssel 60 (sechzig) : 40 (vierzig) zugunsten von Z***** Düsseldorf zu erfolgen. Die Abrechnung wird jeweils bis 15. (fünfzehnten) eines jeden Folgemonats durch Vorlage eines detaillierten "Sales Report" durchgeführt, die Zahlung des Honoraranteils von Z***** Düsseldorf hat zum selben Zeitpunkt zu erfolgen. Beide Vertragsteile tragen die in ihrem jeweiligen Land anfallenden Überweisungs- und Bankspesen.

f) Die Regelungen gemäß a) bis c) gelten nur insoweit und nur solange, als Z***** Düsseldorf berechtigt ist, entsprechende Nutzungsrechte weiterzugeben.

6.4 Z***** Wien hat sämtliche berechtigte Honoraransprüche von Autoren des Z***** Bildmaterials, welches von Z***** Wien vertrieben und von Z***** Wien nicht gegenüber Z***** Düsseldorf abgerechnet worden ist, zu befriedigen und diesbezüglich gemeinsam und zur ungeteilten Hand mit Frau L***** Z***** Düsseldorf schad- und klaglos zu halten."

Im P. 7 wurde vereinbart, daß die Antragsgegnerin ihren Firmenwortlaut durch Eliminierung des Bestandteils "Z*****" binnen vier Wochen zu ändern hat. Im P. 10 vereinbarten die Parteien die Anwendung österreichischen Rechts und den Gerichtsstand Wien.

Mit ihrem am 27. 12. 1996 beim Firmenbuchgericht eingelangten Antrag begehrt die Antragstellerin die Einsicht in die Geschäftsbücher der Antragsgegnerin der Jahre 1994, 1995 und 1996. Sie stellt ferner drei Eventualanträge, wonach die Bucheinsicht alternativ auch durch einen beeideten Wirtschaftsprüfer oder der Antragstellerin, einem beeideten Wirtschaftsprüfer oder einem schriftlich bevollmächtigten, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Vertreter und hinsichtlich des Jahres 1996 nur hinsichtlich der Geschäftsfälle zu gewähren sei, die sich vor dem 20. 6. 1996 ereignet hätten. Schon bald nach der Gründung der Antragsgegnerin hätte es mit deren Geschäftsführerin Schwierigkeiten gegeben, weil der Antragstellerin vereinbarungswidrig Erlösanteile für vermitteltes Bildmaterial mit der grundlosen Behauptung von Gegenforderungen vorenthalten worden seien. Zur Bereinigung der Probleme sei die Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses und die künftige Betreuung des österreichischen Marktes in anderer Weise beschlossen worden. Die Antragstellerin habe deshalb ihren Geschäftsanteil an Gertraud L***** abgetreten. Im Notariatsakt sei der Vertriebsvertrag hinsichtlich eines Teiles des Bildprogramms der Antragstellerin noch für eine gewisse Zeit aufrecht erhalten worden. In rechtswidriger Weise rechne die Antragsgegnerin die erst auf Vermittlung des Bildmaterials erzielten Erlöse nicht ab. Sie überweise offenbar direkt an Fotografen Beträge und verschweige der Antragstellerin die Erlöse in arglistiger Weise. Es bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung, weil im Jahr 1994 im Durchschnitt noch ein monatlicher Erlösanteil von ca 1 Mio S bekanntgegeben und bezahlt worden sei, ab Mai 1995 seien aber keine Angaben mehr gemacht und auch nicht bezahlt worden. Erst nach Abschluß des Notariatsaktes vom 20. 6. 1996 sei für Juli 1996 ein Erlösanteil von 79.620 S abgerechnet worden. Dieser Betrag sei völlig unglaubwürdig. Die Entwicklung der erwirtschafteten Erlöse könne nur durch Einsicht in die Geschäftsbücher der Antragsgegnerin geklärt werden. Das Recht auf Bucheinsicht gründe sich auf die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag sowie das allgemeine Informationsrecht eines Gesellschafters und aufgrund des Vertriebsvertrages auch auf das Handelsvertretergesetz. Die Antragstellerin sei nach deutschen Rechnungslegungsvorschriften verpflichtet, eine konsolidierte Bilanz für 1996 zu erstellen. Dabei sei ein Wertansatz für die im Jahr 1996 noch bestandene Beteiligung an der Antragsgegnerin vorzunehmen. Die Antragstellerin bedürfe daher für ihre Bilanzerstellung nachprüfbarer Unterlagen. Die Antragstellerin habe nach dem 20. 6. 1996 Informationen darüber erhalten, daß Fotos, an denen die Antragstellerin der Antragsgegnerin die Urheberrechte zur Verwertung übertragen gehabt habe, veröffentlicht worden seien, ohne daß dafür Entgelt bezahlt worden sei. Die Fotografen hätten gegen die Antragstellerin Ansprüche erhoben. Die Antragstellerin habe aufgrund des Abtretungsvertrages gegenüber der Antragsgegnerin einen Ersatzanspruch. Dabei handle es sich um gesellschaftsvertragliche Ansprüche zwischen den Parteien. Weiters habe die Antragstellerin Anspruch auf den Bilanzgewinn 1995.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrages auf Bucheinsicht. Bis Ende 1995 seien die Parteien miteinander "online" verbunden gewesen. Die Antragstellerin habe jederzeit Zugriff auf alle Daten der Antragsgegnerin gehabt. 1995 sei die Antragstellerin in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Sie habe Honoraransprüche der Fotografen nicht oder nur teilweise erfüllt. Die Parteien hätten deshalb vereinbart, daß die Antragsgegnerin mit den Fotografen direkt verrechnen könne. Motiv des Abtretungsvertrages vom 20. 6. 1996 sei die endgültige Klärung der gegenseitigen Ansprüche gewesen. Dabei sei es immerhin auch um Ansprüche der Antragsgegnerin von über 10 Mio S gegangen. Aufgrund der generalbereinigenden Wirkung des Vergleichs seien sämtliche Forderungen zwischen den Parteien ausgeglichen. Ein Bucheinsichtsrecht der Antragstellerin könne sich nur auf Geschäftsfälle vor dem 20. 6. 1996 erstrecken. Danach sei sie nicht mehr Gesellschafterin gewesen. Die Antragstellerin habe nur für das Jahr 1995 einen Anspruch auf Bilanzgewinn. Für diesen Anspruch reiche die Einsicht in die Bilanz aus. Aufgrund des "online-Systems" hätte die Antragstellerin jederzeit Bucheinsicht gehabt. Die Geschäftsbücher seien so umfangreich, daß die Einsichtnahme den Betrieb der Antragsgegnerin lahmlegen würde. Allenfalls von der Antragstellerin bezahlte Ansprüche von Fotografen könne sie im Regreßweg im streitigen Verfahren geltend machen. Daraus sei kein Recht auf Bucheinsicht abzuleiten. Pflichtverletzungen aus dem Liefervertrag stellten keine Verletzung des Gesellschaftsvertrages dar. Infolge der Schad- und Klagloshaltung durch Gertraud L***** könne die Antragstellerin auch ohne Bucheinsicht zu ihrem Recht kommen. Die Antragstellerin könnte durch die Bucheinsicht einen nicht gerechtfertigten Einblick in die Geschäftsfälle der Antragsgegnerin mit anderen Agenturen erhalten. Der Bucheinsichtsantrag sei schikanös erhoben worden.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Es führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, daß die Antragstellerin ausführlich und konkret dargelegt habe, weshalb sie in die Geschäftsbücher der Antragsgegnerin Einsicht nehmen wolle. Alle vorgebrachten Umstände seien Bestandteile der gesellschaftsrechtlichen Beziehung zwischen den Parteien, weil der Vertrieb von Bildmaterial ein wesentliches Motiv für die Gründung der Antragsgegnerin gewesen sei. Das Informationsinteresse sei in ausreichendem Maß glaubhaft gemacht worden. Ob tatsächlich Ansprüche der Antragstellerin bestünden, sei im streitigen Verfahren zu prüfen. Gerade dafür brauche die Antragstellerin die Bucheinsicht. Dabei müsse sie nur das Gericht davon überzeugen, daß die behaupteten Interessen ernstlich möglich seien. Der mit dem Abtretungsvertrag abgeschlossene Vergleich könne wegen Irrtums oder List angefochten werden. Von einem drohenden Rechtsmißbrauch könne nicht ausgegangen werden. Die Verwertung wettbewerbsrelevanter Tatsachen sei nicht gegeben. Die Bucheinsicht sei für das gesamte Jahr 1996 zu bewilligen gewesen, weil aufgrund des Abtretungsvertrages vom 20. 6. 1996 die geschäftlichen und damit auch die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen weitergelaufen seien.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin teilweise Folge, gab dem Hauptbegehren auf Einsicht in die Geschäftsbücher nur für das Jahr 1995 statt und wies im übrigen das Hauptmehrbegehren und die Eventualanträge ab.

Das Rekursgericht wies ferner die Rekursbeantwortungen der Antragstellerin mangels Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens zurück, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht im wesentlichen aus:

Der ausgeschiedene Gesellschafter einer Gesellschaft mbH habe nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Unterstützung etwa noch aufrechter, aus dem Gesellschaftsverhältnis entspringender Vermögensansprüche einen im Verfahren außer Streitsachen zu verfolgenden individuellen Informationsanspruch. Er müsse sein Informationsinteresse konkret darlegen und gegebenenfalls bescheinigen. Die Antragstellerin habe Anspruch auf den Bilanzgewinn für das Geschäftsjahr 1995, somit einen gesellschaftsrechtlichen Vermögensanspruch. Zur Prüfung der Richtigkeit des Jahresabschlusses 1995 sei die Bucheinsicht notwendig. Die Übersendung der Bilanz allein reiche nicht aus, um die Korrektheit der Aufstellung des Jahresabschlusses zu überprüfen. Wenn die Antragsgegnerin die Einsicht mit der Begründung verweigere, eine Mitbewerberin der Antragsgegnerin stehe im Einflußbereich der Antragstellerin, sei zwar einzuräumen, daß die Bucheinsicht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verlangt werden könne, wenn die Belastung der Gesellschaft mbH gegenüber dem Informationsinteresse außer Verhältnis stehe. Es reiche aber die bloße Besorgnis, der Gesellschafter könne die begehrten Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden, für die Verweigerung der Information nicht aus. Die Gesellschaft müsse bescheinigen, daß objektive Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung gegeben seien. Hier müsse die Problematik der kollidierenden Interessen nicht näher geprüft werden, weil die Antragsgegnerin ja selbst behaupte, die Antragstellerin sei während ihrer Mitgliedschaft über sämtliche gesellschaftlichen Aktivitäten am Laufenden gewesen. Damit könne eine jetzt bewilligte Einsicht in die Geschäftsbücher keine Geheimnisse mehr preisgeben.

Für die Geschäftsjahre 1994 und 1996 mache die Antragstellerin aber keine gesellschaftsrechtlichen Vermögensansprüche geltend. Vergütungsansprüche aus dem Liefervertrag habe die Antragstellerin nicht. Darüber sei im Abtretungsvertrag festgestellt worden, daß die Forderungen und Verbindlichkeiten zum Stichtag 20. 6. 1996 ausgeglichen seien. Die Lieferbeziehung sei einvernehmlich aufgelöst worden. Insoweit die Antragstellerin gegen die Gesellschaft einen Befreiungsanspruch nach Punkt 6.4 des Abtretungsvertrages habe, sei dies kein mitgliedschaftliches Recht der Antragstellerin. Der Anspruch beruhe auf einer außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffenen Vereinbarung. Auch die Vereinbarung über Vergütungsansprüche aus dem Vertrieb von Bildmaterial nach dem 20. 6. 1996 könne keine gesellschaftsrechtlichen Ansprüche begründen. Hier sei die Antragstellerin nur ein Gesellschaftsgläubiger. Nach dem Gesellschaftsvertrag stehe das Bucheinsichtsrecht nur dem Gesellschafter zu. Nach dem 20. 6. 1996 sei die Antragstellerin aber nicht mehr Gesellschafterin gewesen. Wegen des bestehenden Vertriebsvertrages könne die Antragstellerin die Bucheinsicht auch nicht nach dem Handelsvertretergesetz verlangen. Das Recht auf Bucheinsicht nach § 16 Abs 2 HVertrG stehe der Antragstellerin als Lieferantin des Bildmaterials nicht zu. Sie sei gewiß kein Handelsvertreter. Die Antragstellerin könne hinsichtlich ihrer aus der Vereinbarung vom 20. 6. 1996 entstehenden Ansprüche die Stufenklage (Art XLII EGZPO) und im Rechtsstreit die §§ 213, 214 HGB, allenfalls auch Art XLIII EGZPO in Anspruch nehmen.

Auf die deutschen Rechnungslegungsvorschriften zur Erstellung einer konsolidierten Bilanz für 1996 könne sich die Antragstellerin nicht berufen, hier müsse man von einem Bilanzstichtag 31. 12. 1996 ausgehen, sodaß die am 20. 6. 1996 veräußerte Beteiligung an der Antragsgegnerin jedenfalls nicht mehr in die Bilanz 1996 einzustellen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist unzulässig, der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist hingegen zulässig und teilweise berechtigt.

Vor der Behandlung beider Rechtsmittel im einzelnen sind die folgenden zu grundsätzlichen Rechtsfragen vertretenen Rechtsansichten zum Informationsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters einer Gesellschaft mbH und zu den Verweigerungsgründen der informationspflichtigen Gesellschaft mbH wegen Rechtsmißbrauchs oder des gesellschaftsfremden Zwecks der begehrten Auskunft, wie sie der erkennende Senat in seiner Entscheidung 6 Ob 215/97d dargelegt hat, vorauszuschicken:

Nach der nun schon ständigen jüngeren oberstgerichtlichen Rechtsprechung steht dem Gesellschafter einer Gesellschaft mbH nicht nur das im Gesetz geregelte Bucheinsichtsrecht (§ 22 Abs 2 und § 93 Abs 4 GmbHG) zu, sondern auch ein allgemeiner, umfassender Informationsanspruch gegenüber der Gesellschaft (SZ 63/150, SZ 65/11 ua). Der Informationsanspruch steht auch dem ausgeschiedenen Gesellschafter zu, soweit die begehrte Einsicht Unterlagen betrifft, die in die Zeit fallen, in der der Antragsteller noch Gesellschafter war. Das Recht auf Bucheinsicht und Auskunftserteilung ist im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen (NZ 1990, 232; 6 Ob 33/97i = NZ 1998, 277 mwN). In der Lehre wird einhellig die Auffassung vertreten, daß der Informationsanspruch des Gesellschafters seine Grenzen dort findet, wo er rechtsmißbräuchlich erhoben wird oder gesellschaftsfremden Zwecken dienen soll (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht2 Rz 2/737; Reich-Rohrwig, Zum Informationsanspruch des GmbH-Gesellschafters in ecolex 1992, 334;

Koppensteiner, GmbHG, Rz 29 zu § 22; Grünwald, Grenzen des

allgemeinen Informationsrechtes des GmbH-Gesellschafters in ecolex

1991, 245). In Deutschland ist das Verweigerungsrecht der

Gesellschaft gesetzlich geregelt. Die Geschäftsführer dürfen gemäß §

51a Abs 2 dGmbHG die Auskunft und die Einsicht in die Bücher

verweigern, wenn zu besorgen ist, daß der Gesellschafter sie zu

gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft

oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil

zufügen wird. Hauptanwendungsfall dieser Gesetzesstelle ist die Ausnutzung der begehrten Information für ein Konkurrenzunternehmen (Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechtes Rz 20 zu § 33; Luther/Hommelhoff14 Rz 21 zu § 51a). Auch für den österreichischen Rechtsbereich gilt, daß rechtsmißbräuchlich erhobenen Ansprüchen nicht stattgegeben werden darf. Die Rechtsausübung zum offenbaren Zweck, den Schuldner zu schädigen, ist rechtsmißbräuchlich. Das Leistungsbegehren ist abzuweisen (§ 1295 Abs 2 ABGB). Der erkennende Senat hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß dieser allgemeine Grundsatz auch für den Informationsanspruch eines Gesellschafters einer Gesellschaft mbH gilt. Das Individualrecht des Gesellschafters auf Information ist rechtsmißbräuchlich, wenn damit gesellschaftsfremde, die Gesellschaft schädigende Interessen verfolgt werden (SZ 65/11; NZ 1998, 277). Die Frage des Rechtsmißbrauchs kann dann bejaht werden, wenn der Gesellschafter die Erlangung von Geschäftsinformationen anstrebt, die er für ein (sein) Konkurrenzunternehmen benötigt und verwenden will.

An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Sie sind auch hier anzuwenden.

Der Einwand des Rechtsmißbrauchs wurde im Verfahren erster Instanz nur damit begründet, daß die Antragstellerin ohnehin in der Zeit aufrechter Gesellschafterstellung Bucheinsicht gehabt habe. Den gesellschaftsfremden Verwendungszweck erblickte die Antragsgegnerin darin, daß die Antragstellerin Einblick in die Geschäftsbeziehungen der Antragsgegnerin zu anderen Kunden erlangen könnte. Seit 1996 existiere in Wien ein Unternehmen der Antragstellerin, das zum Unternehmen der Antragsgegnerin in Konkurrenz stehe.

In der Entscheidung SZ 63/150 wurde dargelegt, daß die auskunftspflichtige Gesellschaft die Verweigerungsgründe ausreichend konkretisieren und bescheinigen muß. Das Rekursgericht hat dazu die Auffassung vertreten, daß der Mißbrauchseinwand zumindest für das Jahr 1995 unschlüssig sei, weil die Antragsgegnerin selbst eine schon erfolgte Bucheinsicht durch die Antragstellerin behauptet habe, sodaß also Geschäftsgeheimnisse durch eine nunmehrige Bucheinsicht gar nicht mehr offengelegt werden könnten. Gegen diese wohl zutreffende Ansicht wird im Revisionsrekurs nichts ins Treffen geführt. Sie ist zumindest auch für die Zeit bis zum Ausscheiden der Antragstellerin am 20. 6. 1996 gültig. Die Verneinung von Verweigerungsgründen erfolgte im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

Im Revisionsrekurs wird zur Zulässigkeit des Rechtsmittels nur releviert, daß die Antragstellerin trotz ihres Anspruchs auf Beteiligung am Bilanzgewinn des Jahres 1995 kein rechtliches Interesse an der Bucheinsicht habe, weil sich aus den Jahresverlusten der Vorjahre zwingend ergebe, daß ein Gewinn nicht erzielt habe werden können. In der Rechtsrüge wird noch releviert, daß der Sachverhalt der Antragstellerin ohnehin aufgrund eigener Überprüfung bekannt gewesen sei, sodaß das Begehren auf nochmalige Bucheinsicht schikanös sei. Mit diesem Vorbringen werden keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt. Der Hinweis, daß der ausgeschiedene Gesellschafter Gelegenheit hatte, vor Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses in die Geschäftsbücher Einsicht zu nehmen, beseitigt noch nicht das Recht, diese Einsicht zur Wahrung von vermögensrechtlichen Ansprüchen auch noch nach dem Ausscheiden zu verlangen. Zur Annahme eines Rechtsmißbrauches bedürfte es weiterer, hier gar nicht geltend gemachter Gründe, weil nur Leistungsbegehren zum offenbaren Zweck, den Schuldner zu schädigen, abzuweisen sind (§ 1295 Abs 2 ABGB). Die Rechtsausübung ist grundsätzlich nur bei zumindest überwiegend unlauteren Motiven rechtsmißbräuchlich (Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 58 f zu § 1295 mwN aus der Judikatur; NZ 1998, 277). Ob schließlich 1995 ein Gewinn erwirtschaftet wurde und die von der Antragsgegnerin erstellte Bilanz unrichtig war, hängt von Tatfragen ab, zu denen gerade die begehrte Bucheinsicht Aufschluß geben soll. Daß die Antragstellerin diese Einsicht für das Jahr 1995 zur Prüfung der Richtigkeit der Bilanz benötigt und auch als Ausfluß ihrer früheren Gesellschafterstellung verlangen darf, wird im übrigen bei der folgenden Behandlung des Revisionsrekurses der Antragstellerin zu erörtern sein.

Die Revisionsrekursausführungen der Antragstellerin wenden sich mit verschiedenen, großteils schon im Verfahren erster Instanz vorgetragenen Argumenten

1. gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, daß die über den Anspruch auf Bilanzgewinn für 1995 hinausgehenden Ansprüche aus dem Abtretungsvertrag keine "mitgliedschaftlichen" Rechte der ausgeschiedenen Gesellschafterin seien;

2. gegen die Verweisung auf die Rechtsbehelfe nach Art XLII und XLIII EGZPO bzw §§ 213 ff HGB;

3. die Verneinung der analogen Anwendbarkeit des § 16 Abs 2 HVertrG über das im außerstreitigen Verfahren durchzusetzende Recht des Handelsvertreters auf Bucheinsicht (im Revisionsrekurs wird dazu erstmalig ausgeführt, daß der Vertriebsvertrag der Parteien ein Vertragshändlervertrag sei und deshalb Handelsvertreterrecht analog anzuwenden wäre).

Schließlich releviert die Antragstellerin 4. noch einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach EU-Recht.

Vorrangige Rechtsfrage ist die, ob die Antragstellerin vermögensrechtliche Ansprüche verfolgt, die auf ihrer ehemaligen gesellschaftsrechtlichen Stellung beruhen. Diese Frage ist nicht nur hinsichtlich des auch vom Rekursgericht anerkannten Anspruchs auf Bilanzgewinn 1995 zu bejahen. Der Abtretungsvertrag wurde nicht nur zwischen der ausscheidenden Gesellschafterin und der übernehmenden Mitgesellschafterin, sondern gleichzeitig auch mit der Antragsgegnerin geschlossen. Der wiedergegebene Vertragsinhalt betrifft auch die Rechtsbeziehung zwischen der Gesellschafterin und der Gesellschaft, insbesondere die als Generalvergleich zu qualifizierende Vereinbarung über die Beendigung der in der Satzung unter P. 16 vereinbarten besonderen Geschäftsbeziehung der Gründungsgesellschafterin zur Gesellschaft. Im P. 6 des Abtretungsvertrages wurde genau festgelegt, wie die Beendigung dieser Geschäftsbeziehung erfolgen solle. Ansprüche aus der "Vertriebsvereinbarung" gehören infolge der Aufnahme der Vereinbarung in die Satzung zu den dem Gesellschaftsrecht zu unterstellenden Ansprüchen. Die Vereinbarung war korporativer Satzungsbestandteil, vergleichbar etwa einer Satzungsbestimmung, mit welcher dem Gründungsgesellschafter Sonderrechte eingeräumt werden (Geschäftsführungsbefugnis; Aufgriffsrechte uä). Durch die Aufnahme in die Satzung erhielt die Vereinbarung eine Rechtsqualität, die sie von einer außerhalb der Satzung getroffenen Vereinbarung unterscheidet, weil sie nicht nur den Regeln des Vertragsrechtes, sondern auch denjenigen des Gesellschaftsrechtes unterliegt. Beispielsweise wären bei einer Kündigung des Dauerschuldverhältnisses die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze wie etwa der der Treuepflicht zu beachten gewesen. Die Antragstellerin hatte aufgrund der in der Satzung verankerten Liefervereinbarung nicht nur die Stellung einer bloßen Vertragspartnerin der Gesellschaft, sondern eine darüber hinausgehende, dem Gesellschaftsrecht unterliegende Sonderstellung. Daraus ist abzuleiten, daß auch die Beendigung der Geschäftsbeziehung, die zeitgleich mit der Beendigung der Gesellschafterstellung der Antragstellerin erfolgte, noch mit dieser Stellung in untrennbarem Zusammenhang stand, sodaß die behaupteten vermögensrechtlichen Ansprüche (denkbar sind die geltend gemachten Anfechtungsrechte, aber auch Schadenersatzansprüche) als gesellschaftsrechtliche Ansprüche qualifiziert werden können und die Grundlage für die Bucheinsicht der ausgeschiedenen Gesellschafterin bilden. Fraglich ist, ob das Einsichtsrecht über den Zeitpunkt des Ausscheidens hinaus zusteht. Dazu ist folgendes auszuführen:

In der schon zitierten Entscheidung SZ 63/150 wird hervorgehoben, daß der ausgeschiedene Gesellschafter zur Unterstützung seiner aus dem Gesellschaftsverhältnis entspringenden Vermögensansprüche einen Informationsanspruch hat, was die Bucheinsicht jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens zur Vorbereitung der Verfolgung der Ansprüche, die bis dahin entstanden sind, rechtfertigt. Für danach entstehende Ansprüche ist es entscheidend, ob sie ihre Wurzel im gesellschaftsrechtlichen Verhältnis oder aber in davon unabhängigen anderen Rechtsgründen haben. Zu dieser Frage trifft die antragstellende Partei die Behauptungslast. Die Anfechtung des Vergleichs wegen Irrtums oder List der Antragsgegnerin setzt ein vor dem Ausscheiden der Antragstellerin gesetztes Verhalten voraus. Die daraus abgeleiteten vermögensrechtlichen Ansprüche entspringen dem Gesellschaftsverhältnis. Für ein Verhalten nach dem Vergleichsabschluß und dem zeitgleich erfolgten Ausscheiden aus der Gesellschaft fehlt diese Voraussetzung. Die Rechtsgrundlage dieser Ansprüche liegt in der Verletzung der vergleichsweise übernommenen Verpflichtungen. Der Vergleich hat die zwischen den Parteien bestandenen Unsicherheiten bereinigt und ist eine neue Anspruchsgrundlage, die mit dem gesellschaftsrechtlichen Verhältnis nichts mehr zu tun hat. Der Vergleich wurde zwar aus Anlaß und zur Beendigung der Gesellschafterstellung geschlossen, stellte aber die modifizierte weitere Zusammenarbeit der Parteien auf eine neue rechtliche, außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses liegende Basis, nicht anders, als wenn die Parteien einen völlig neuen, andere Inhalte betreffenden Zusammenarbeitsvertrag geschlossen hätten. Bei solchen Verträgen ist der rechtliche Zusammenhang mit einer soeben beendeten Gesellschafterstellung einer der Vertragsparteien zu verneinen. Die Antragstellerin hätte konkret darzulegen gehabt, aus welchen besonderen Gründen dies hier nicht der Fall sein sollte und daß die Ansprüche aus der Nichterfüllung des Vergleiches Nachfolgewirkungen des früheren Gesellschaftsverhältnisses sein sollten. Dieses Bescheinigungserfordernis erscheint dem erkennenden Senat zur Vermeidung schwieriger Abgrenzungsfragen unbedingt erforderlich. Wenn die Parteien gleichzeitig mit dem Ausscheiden der Gesellschafterin einen die Ansprüche gegen die Gesellschaft abschließend bereinigenden Vergleich schlossen (zur Bereinigungswirkung Koziol/Welser, Grundriß10 I 287 f), so unterliegt die Anfechtung wegen Irrtums, List oder Drohung noch dem Gesellschaftsrecht, nicht aber die aus mangelhafter Erfüllung des Vergleichs sich ergebenden Vermögensansprüche. Dies ist aus der Natur des Vergleichs als Neuerungsvertrag (§ 1380 ABGB) abzuleiten. Damit braucht hier nicht untersucht werden, ob und in welchen Fällen die Bucheinsicht einem ausgeschiedenen Gesellschafter auch für Zeiten bewilligt werden kann, die dem Ausscheiden nachfolgen. Der vom Revisionsrekurs dazu ins Treffen geführte Sachverhalt (insbesondere also mangelhafte Abrechnungen nach dem 20. 6. 1996) reicht zur Begründung eines Informationsanspruchs über den Zeitraum nach diesem Stichtag nicht aus. Das gegenteilige von der Revisionsrekurswerberin angestrebte Ergebnis führte zu einer zeitlich uferlosen Ausdehnung des Bucheinsichtsrechts des ausgeschiedenen Gesellschafters, der schon bei bloß bescheinigter Nichterfüllung (also auch nur eines geringen Teils der Vergleichsverpflichtungen) auch noch Jahre nach dem Ausscheiden Einsicht in die Geschäftsbücher fordern könnte. Dem steht schon der in der Judikatur anerkannte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (SZ 65/11) entgegen.

Die Rekurswerberin hat die bis zu ihrem Ausscheiden entstandenen vermögensrechtlichen Ansprüche auf der Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses ausreichend dargetan. Es liegt daher der von der Antragsgegnerin unter Hinweis auf eine Lehrmeinung zum Rechtsmißbrauch (Mader in JBl 1998, 677) behauptete Fall einer völlig grundlosen Rechtsverfolgung nicht vor. Der Anspruch auf Bucheinsicht ist bis zum Zeitpunkt der Abtretung des Geschäftsanteiles der Antragstellerin berechtigt.

Für die Zeit danach kann sie sich auch nicht auf das Handelsvertreterrecht berufen. Dieser Einwand scheitert schon daran, daß die in der Rechtsprechung anerkannte analoge Anwendung von Teilen des Handelsvertreterrechts auf Vertragshändler voraussetzt, daß die Antragstellerin als Vertragshändler qualifiziert werden könnte, was einerseits im Verfahren erster Instanz gar nicht konkret behauptet wurde (die Antragstellerin berief sich auf eine allfällige Vertragshändlereigenschaft erstmals in ihrer vom Rekursgericht zurückgewiesenen Rekursbeantwortung) und anderseits schon nach dem Inhalt des in die Satzung aufgenommenen Liefervertrages zu verneinen ist. Vertragshändler sind Eigenhändler, die mit ihrem Unternehmen in die Vertriebsorganisation eines Herstellers von Markenwaren in einer Weise eingegliedert sind, daß sie es durch Vertrag mit dem Hersteller oder einem von diesem eingesetzten Zwischenhändler ständig übernehmen, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Vertragswaren im Vertragsgebiet zu vertreiben und ihren Absatz zu fördern, die Funktionen und Risken ihrer Handelstätigkeit hieran auszurichten und im Geschäftsverkehr das Herstellerzeichen neben der eigenen Firma herauszustellen (4 Ob 79/95 = MuR 1996, 35 = ecolex 1996, 553 mwN). In der Entscheidung 1 Ob 251/98p wurde hervorgehoben, daß der Vertragshändler derart in die Absatzorganisation seines Lieferanten eingegliedert sein muß, daß er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu besorgen und seinem Vertragspartner bei Vertragsbeendigung seinen Kundenstamm zu überlassen hat. Von einem derartigen Sachverhalt kann hier keine Rede sein. Zutreffend hat das Rekursgericht darauf verwiesen, daß die Antragstellerin ja Lieferantin des Bildmaterials war. Nur ergänzend ist daher zu diesem Thema noch zu bemerken, daß der einem Handelsvertreter zustehende Anspruch auf Bucheinsicht zwar auch im außerstreitigen Verfahren, aber nicht beim Gerichtshof erster Instanz, sondern beim Bezirksgericht zu beantragen gewesen wäre. Die weitwendigen Ausführungen zur Kumulation und (oder) Abgrenzung der verschiedenen Rechtsbehelfe im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zur Erreichung einer Bucheinsicht (Art XLII und XLIII EGZPO; §§ 213 f HGB; Bucheinsichtsrecht des Handelsvertreters; Bucheinsichtsrecht des Gesellschafters einer GmbH nach § 22 GmbHG) sind aus den dargelegten Gründen nicht entscheidungswesentlich.

Gleiches gilt für das relevierte Diskriminierungsverbot nach EU-Recht. Hier ist das Revisionsrekursvorbringen nicht einmal schlüssig, weil die entscheidungswesentlichen Überlegungen zur Befristung des Zeitraums, für den ein ausgeschiedener Gesellschafter Bucheinsicht begehren darf, sowohl für inländische als auch ausländische Gesellschafter einer in Österreich im Firmenbuch eingetragenen Gesellschaft mbH gelten.

Demnach ist spruchgemäß zu entscheiden.

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