OGH 6Ob304/04f

OGH6Ob304/04f15.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wr. Neustadt zu FN ***** eingetragenen R***** AG mit dem Sitz in W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Vorstandsmitglieds Dkfm. Andreas T*****, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 10. September 2004, GZ 4 R 202/04m-32, womit der Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 3. Juni 2004, GZ 1 Fr 2093/03s-19, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Revisionsrekursverfahren wird bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens über den im Revisionsrekurs enthaltenen Ablehnungsantrag betreffend den Richter des Oberlandesgerichts Wien Dr. Georg Nowotny unterbrochen.

Der Akt wird dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, ihn dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag vorzulegen.

Text

Begründung

Das Erstgericht verhängte über das Vorstandsmitglied Dkfm. Andreas T***** eine Zwangsstrafe von 730 EUR wegen Nichtoffenlegung des Konzernabschlusses zum 28. 2. 2001.

Dagegen erhoben die Gesellschaft und ihr Vorstandsmitglied Rekurs. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Gericht zweiter Instanz den Rekurs der Gesellschaft mangels deren Rekurslegitimation zurück und gab jenem ihres Vorstandsmitglieds nicht Folge. Zugleich wies es den Antrag der Gesellschaft, das Zwangsstrafenverfahren zu unterbrechen, zurück und den Unterbrechungsantrag des Vorstandsmitglieds ab. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Rekursgericht schließe sich den überzeugenden Argumenten von G. Kodek und G. Nowotny, Zur Parteistellung der Gesellschaft im Zwangsstrafenverfahren, NZ 2004, 165, an, dass die Parteistellung der Gesellschaft im Zwangsstrafenverfahren entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu verneinen sei. Der Rekurs sei aber auch inhaltlich unbegründet. Obgleich das Rekursgericht hinsichtlich der Frage der Rekurslegitimation der Gesellschaft von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei, sei der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage unzulässig, weil das Rekursgericht den Rekurs auch inhaltlich geprüft und dessen mangelnde Berechtigung in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dargelegt habe.

In dem gegen diese Entscheidung, die in Bezug auf die Zurück- bzw Abweisung des Unterbrechungsantrags nicht bekämpft wird, von der Gesellschaft und ihrem Vorstandsmitglied erhobenen Revisionsrekurs wird unter anderem die Befangenheit eines an der angefochtenen Entscheidung des Rekursgerichts mitwirkenden Richters für den Fall geltend gemacht, dass dieser mit dem namensgleichen Mitverfasser des vom Rekursgericht zitierten Artikels (Dr. Georg Nowotny) identisch sein sollte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Lausanne und des deutschen Bundesgerichtshofs sei ein Richter befangen, wenn er in einer zentralen Frage eines Verfahrens eine (abweichende) Lehrmeinung veröffentliche, weil Lehre und Rechtsprechung zu trennen sein und sich der Richter durch die Veröffentlichung bereits vorab auf eine Meinung festgelegt habe, weshalb er bei der Entscheidungsfindung nicht mehr den Anschein der Unbefangenheit vermittle, sei er doch in dieser Frage mit einer vorgefassten Meinung festgelegt. Die Befangenheit trete noch deutlicher zu Tage, weil in der Entscheidung nur noch pauschal auf die "überzeugenden Argumente" des Richters als Autor verwiesen worden sei. Der angefochtene Beschluss werde daher wegen mangelhafter Zusammensetzung des Rekursgerichts aufzuheben sein.

Rechtliche Beurteilung

Zur Entscheidung dieses Ablehnungsantrags ist gemäß § 23 JN nicht der Oberste Gerichtshof, sondern das Oberlandesgericht Wien berufen, das dann, wenn der Ablehnung stattgegeben wird, erforderlichenfalls auch die vom abgelehnten Richter vorgenommene Prozesshandlung aufzuheben hat (§ 25 JN letzter Satz). Dies gilt auch, wenn die Ablehnung in einem Rechtsmittel erfolgt ist (6 Ob 70/01i; Mayer in Rechberger, ZPO² § 21 JN Rz 3). Die Geltendmachung der Befangenheit ist auch noch im Rechtsmittelschriftsatz zulässig, wenn das Verfahren - wie hier das Zwangsstrafenverfahren - noch nicht rechtskräftig erledigt ist (RIS-Justiz RS0046032) und erst im Rechtsmittelverfahren Gründe bekannt werden, die die Ablehnung eines Richters unterer Instanz rechtfertigen. Eine sofortige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts wäre nur in den hier nicht vorliegenden Fällen zulässig, dass keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt werden (1 Ob 623/92) oder die Ablehnung offenkundig rechtsmissbräuchlich erfolgte (6 Ob 70/01i mwN). Die Ablehnung eines Richters im Rechtsmittelverfahren führt zu dessen Unterbrechung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des für die Ablehnung zuständigen Gerichts. Erst nach rechtskräftiger Erledigung des Ablehnungsantrags darf über das Rechtsmittel entschieden werden (6 Ob 70/01i; Kodek in Rechberger, ZPO² § 477 Rz 4; JBl 1989, 664).

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