Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das Urteil der Vorinstanzen wird dahin abgeändert, dass es einschließlich der nicht angefochtenen Teilabweisung insgesamt zu lauten hat:
Die beklagten Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei zur Handen ihres Rechtsvertreters 5.175,50 EUR samt 4 % Zinsen daraus seit 8. April 2004 und den mit 694,50 EUR bestimmten Anteil an den Verfahrenskosten erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Das Mehrbegehren von 6.675,49 EUR samt 4 % Zinsen daraus seit 8. April 2004 wird abgewiesen.
Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien der klagenden Partei zur ungeteilten Hand für künftige Schäden aus dem Unfall vom 14. April 2003 im Bereich der Bergstation R***** im Ausmaß von 50 % haften.
Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung im weiteren Ausmaß von 50 % wird abgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei den mit 530,50 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen;
II. den Beschluss
gefasst:
Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Die Nichtigerklärung des Verfahrens und des erstinstanzlichen Urteils im Umfang des Zuspruchs der Nebenforderung von 499,38 EUR wird bestätigt.
Die klagende Partei hat den beklagten Parteien die mit 219,85 EUR (darin 36,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Erstbeklagte (die Zweitbeklagte ist ihre persönlich haftende Komplementärgesellschaft) war Pistenhalterin in Sölden und Veranstalterin des Freilichtschauspiels „Hannibal", das auf einer ca 10 m hohen Schneepyramide aufgeführt wurde, die außerhalb der präparierten Schipiste in einer Entfernung von 150 m von der Talstation des Rettenbachferners und des dort befindlichen Restaurants errichtet worden war. Nach den im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen konnte man vom Restaurant kommend auf dem gewalzten Gelände der Talstation zur Pyramide gelangen. Die während der Freilichtaufführungen angebrachten Absperrvorrichtungen, welche ein Besteigen der Eispyramide verhindern sollten, waren am Unfallstag teilweise schon entfernt worden. Absperrmaßnahmen waren nicht ergriffen worden. Am 14. 4. 2004 war die am 9. 5. 1991 geborene Klägerin zur Talstation abgefahren und dann mit ihrer Schwester und ihrer Mutter auf die rechte Seite der Pyramide, auf der bereits Kinder spielten, gegangen. Sie benutzte beim Aufstieg die in die hohen Abstufungen gehauenen kleinen Stufen und sodann für den weiteren Aufstieg die für die Schauspieler vorgesehene Stiege in der Mitte der Pyramide, die von den Kindern als „Rutsche" benutzt wurde. Als die Klägerin seitlich der „Rutsche" auf einem schmalen Rand der Pyramide hinauf klettern wollte, rutschte ihr ein Kind entgegen. Die Klägerin wich aus und stürzte dabei in die Tiefe. Sie erlitt Kompressionsbrüche, einen Vorderkantenausbruch des ersten Lendenwirbels und einen leichten Deckplatteneinbruch des zwölften Brustwirbels.
Die Klägerin begehrt nach Klageausdehnung 10.000 EUR Schmerzengeld und den Ersatz von Aufwendungen (für unfallkausale Spesen 50 EUR;
Kosten der Hubschrauberbergung 1.253,19 EUR; Taxikosten 300 EUR;
Fahrtkosten 115,20 EUR; Eintrittskosten für ein Schwimmbad 12,60 EUR;
Kosten für Bekleidung 120 EUR), zusammen also 11.850,99 EUR sowie zusätzlich noch eine Nebenforderung von 499,36 EUR für vorprozessuale Vertretungskosten ihres deutschen Rechtsvertreters. Die Pyramide der Beklagten sei nicht abgesperrt und frei zugänglich gewesen. Die Eispyramide hätte so abgesichert werden müssen, dass sie nicht von Kindern als Spielplatz benützt hätte werden können. Aufgrund der fehlenden Absperrung sei weder für die Klägerin noch für ihre Eltern erkennbar gewesen, welche Gefährlichkeit die Eisskulptur in sich geborgen habe. Ein Mitverschulden der Klägerin oder eine Verletzung der Aufsichtspflicht ihrer Eltern sei auszuschließen. Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klagebegehren. Die Pyramide sei abgesichert gewesen. Aus Richtung Piste kommend sei eine Tafel aufgestellt gewesen, die den Zutritt zur Pyramide verboten habe. Die Pyramide sei abseits der markierten Pisten im freien Schigelände aufgestellt gewesen. Die Pistensicherungspflicht für atypische Gefahren bestehe nur für den unmittelbaren Nahbereich des Pistenrandes. Den Eltern der Klägerin sei eine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht anzulasten. Für die zum Unfallszeitpunkt bereits 12-jährige Klägerin sei erkennbar gewesen, dass ihr Unterfangen eine gewisse Gefahr mit sich bringe. Die geltend gemachten vorprozessualen Kosten seien vom Einheitssatz gedeckt.
Das Erstgericht gab den Klagebegehren mit Ausnahme eines Teilbetrages von 1.500 EUR (Abweisung eines Teiles des Schmerzengeldanspruchs) statt. Von seinen Feststellungen ist über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch Folgendes hervorzuheben:
Die Pyramide habe ca 2 m hohe Eisstufen mit einer Tiefe von 1,5 m aufgewiesen. In der Mitte der Pyramide sei der für die Schauspieler vorgesehene Aufgang mit kleineren Stufen errichtet worden. Vor der Pyramide habe sich eine 2 bis 4 m hohe Geländekante befunden (aus der Sicht vom Restaurant aus gesehen). Die talwärts führende Schipiste sei mit Pistenrandsicherungen abgesichert gewesen und habe an der Pyramide rechts vorbeigeführt. Auf einem der Pflöcke der Pistenrandsicherung habe sich ca 20 bis 25 m oberhalb der Pyramide ein Warnschild mit der Aufschrift „Zutritt verboten" befunden, um die abfahrenden Schifahrer zu warnen. Vom Restaurant kommend sei dieses Schild nicht leserlich gewesen. Das gesamte Areal der Talstation sei am Unfallstag gewalzt gewesen. Ohne durch Tiefschnee waten zu müssen, habe man direkt von der Restaurantion zur Pyramide gelangen können. Die zum Zeitpunkt der Durchführung der Freilichtschauspiele angebrachten Absperrvorrichtungen, welche ein Besteigen der Eispyramide verhindert hätten, seien zum Unfallszeitpunkt teilweise entfernt gewesen. Es seien keine Absperrmaßnahmen getroffen worden, um zu verhindern, dass Fußgänger vom Restaurant kommend auf die Pyramide gelangen könnten.
Die Eltern der Klägerin seien mit dem Reisebus in den Schiurlaub gereist und hätten aufgrund des Aufenthaltes ihrer Tochter im Spital insgesamt dreimal ein Taxi benützen müssen. Dabei seien Aufwendungen von 300 EUR entstanden. Aufgrund der Wirbelkörperverletzungen der Klägerin seien Spätfolgen nicht auszuschließen. Ein frühzeitiger Verschleiß der Bandscheibe sei denkbar. Die Klägerin habe ein Gipsmieder für sechs Wochen erhalten. Von ihrem Heimatort habe die Klägerin zu Kontrolluntersuchungen am 22. und 29. 4. sowie am 19. 5 und 10. 6. 2003 in eine 32 km entfernte Arztordination fahren müssen. Nach Abnahme des Gipsmieders seien der Klägerin zur Stärkung der Muskulatur Schwimmübungen angeraten worden. Die Klägerin habe mindestens sechsmal das nächstgelegene Schwimmbad aufgesucht, dabei seien Kosten von 12,60 EUR entstanden. Zur Erreichung des Schwimmbads seien insgesamt 192 km zurück gelegt worden. Die Klägerin habe aufgrund ihrer Verletzungen Schmerzen schweren Grades in der Dauer von 2 bis 3 Tagen, Schmerzen mittleren Grades in der Dauer von 2 Wochen und Schmerzen leichten Grades in der Dauer von 6 Wochen erlitten. Die Klägerin sei im gesamten ersten Halbjahr 2003 aufgrund des Vorfalls in ihrer sportlichen Lebensführung beeinträchtigt gewesen. Wegen des Gipsmieders hätten drei Hosen im Wert 120 EUR angeschafft werden müssen. Für Schreiben ihrer Rechtsvertretung durch eine deutsche Anwaltskanzlei seien vor dem Prozess Rechtsanwaltsgebühren in der Höhe von 499,38 EUR aufgelaufen. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im wesentlichen aus, dass eine Sicherungspflicht bestehe, wenn jemand eine Gefahrenquelle geschaffen habe. Die von den Beklagten für Freilichtschauspiele errichtete Schneepyramide sei eine solche Gefahrenquelle gewesen. Diese habe einen magischen Anziehungspunkt für alle Schifahrer, insbesondere aber für Kinder gebildet. Die Beklagten hätten die Pyramide so absichern müssen, dass niemand diese besteigen und sich damit gefährden hätte können. Mangels entsprechender Maßnahmen sei der Eindruck vermittelt worden, dass es sich bei der Pyramide um keine besondere Gefahrenquelle handle. Ein Mitverschulden der 12-jährigen Klägerin sei zu verneinen. Gemäß § 273 ZPO seien die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin einzuschätzen. An Schmerzengeld sei bei den festgestellten Schmerzperioden ein Betrag von 8.500 EUR angemessen. Die Honorarkosten einer deutschen Rechtsanwaltskanzlei seien gemäß § 1333 Abs 3 ABGB ersatzfähig. Das Berufungsgericht hob über die Berufung der Beklagten (die insofern als Rekurs aufzufassen sei) das angefochtene Urteil im Umfang der Nebengebühren von 499,38 EUR als nichtig auf (ebenso das diesem Teilzuspruch vorangegangene Verfahren) und wies die Klage in diesem Umfang zurück. Im Übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde. Das Berufungsgericht beurteilte den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen in der Hauptsache dahin, dass für die Klageführung der deutschen Klägerin gemäß § 12 IPRG das Personalstatut maßgeblich sei. Nach deutschem Recht werde die Minderjährige von ihren Eltern vertreten. Einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Klageführung bedürfe es nicht. In der Sache selbst führte das Berufungsgericht zur Rechtsrüge aus, dass eine Haftung der Beklagten aufgrund des Beförderungsvertrags zwischen der Klägerin als Schiliftbenützerin und der Erstbeklagten als Schiliftbetreiberin zu verneinen sei. Unter die Pistensicherungspflicht fielen nur die zumutbaren Maßnahmen im unmittelbaren Bereich des vom Liftunternehmer eröffneten Schiverkehrs. Es sei auch eine Haftung nach § 1319 ABGB zu verneinen, weil hier der Schaden nicht Folge einer mangelhaften Beschaffenheit des Gebäudes (der Pyramide) gewesen sei. Hingegen könnte sich aus den allgemeinen Schadenersatzbestimmungen der §§ 1295 ff ABGB eine Haftung ergeben, wenn Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten desjenigen verletzt worden sein sollten, der eine Gefahrenquelle geschaffen habe. Die Haftung setze aber ein Verschulden voraus. Abwehrmaßnahmen seien nur im Rahmen des Zumutbaren zu treffen. Die Verkehrssicherungspflicht dürfe nicht überspannt werden. Der Umfang und die Intensität von Verkehrssicherungspflichten hänge davon ab, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen könnten. Entscheidend sei, welche Maßnahmen zur Gefahrenvermeidung möglich und zumutbar seien. Nach neuerer oberstgerichtlicher Rechtsprechung entfalle bei Schaffung oder Duldung einer besonderen Gefahrenquelle die Verkehrssicherungspflicht nicht schon dann, wenn jemand unbefugt in den fremden Bereich eingedrungen sei. Wenn die Möglichkeit bestehe, dass Personen, insbesondere Kinder, in den Gefahrenbereich gelangen, könne eine Interessenabwägung ergeben, dass der Inhaber der Gefahrenquelle zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung von Gefahren zu ergreifen haben. Hier sei zu bedenken, dass schon in Ansehung der Beschaffenheit der Bauart und des Volumens der Schneepyramide für jedermann - auch für eine Minderjährige im Alter von rund 12 Jahren - erkennbar gewesen sei, dass das Bauwerk nicht als überdimensionales Spielgerät Verwendung finden sollte. Es sei insbesondere klar erkennbar gewesen, dass der in der Mitte der Pyramide befindliche, den Schauspielern für das Besteigen der Pyramide zur Verfügung stehende Aufgang nicht als Rutschbahn Verwendung habe finden sollen. Der Gebrauch der Pyramide durch die Klägerin sei „widmungswidrig" erfolgt. Sie sei nicht versehentlich, sondern ganz bewusst in den Gefahrenbereich gelangt - noch dazu in Begleitung ihrer Mutter - und habe die Pyramide für eine Rutschpartie verwendet. Der Klägerin habe die „Widmungswidrigkeit" ihrer Handlungsweise bewusst sein müssen. Anzeichen für eine verzögerte Reife hätten sich nicht ergeben. Die Beklagten hätten nicht damit rechnen müssen, dass nicht einsichtsfähige Kleinkinder von den im hochalpinen Gelände wohl anwesenden Erziehungsberechtigten in Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht von der Benützung dieses Bauwerks nicht abgehalten werden oder dass reifere Kinder im Altersniveau der Klägerin nicht entsprechende Einsicht besitzen, die Pyramide entgegen der Rutschrichtung zu besteigen. Am Unfallstag habe für die Beklagten kein Anlass bestanden, über den bestehenden Zustand hinaus „weitere Verkehrssicherungsmaßnahmen" zu ergreifen.
Zur Zurückweisung der vorprozessualen Rechtsvertretungskosten führte das Rekursgericht im Wesentlichen aus, dass das Erstgericht mit seiner Klagestattgebung schlüssig die Prozesseinrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs durch die Beklagten verworfen habe. Mit der am 1. 8. 2002 aufgrund des ZinsRÄG (BGBl I 2002/118) in Kraft getretenen Bestimmungen des § 1333 Abs 3 ABGB habe der Gesetzgeber den „Endlosstreit" über die Ersatzfähigkeit von Inkassokosten durch Schaffung einer materiell-rechtlichen Kostenersatzgrundlage lösen wollen. Nach dem Gesetzeswortlaut sei aber unklar, ob der Anspruch auf Kostenersatz lediglich Inkassokosten umfasse oder ob sich dieser Anspruch auch auf den Ersatz der Kosten anwaltlicher Tätigkeit vor Prozessbeginn beziehe. In der Literatur seien zur Auslegung der zitierten Gesetzesbestimmung unterschiedliche Ansichten vertreten worden, gleichfalls in der Judikatur der Landesgerichte und der Oberlandesgerichte. In der Entscheidung 2 Ob 251/02d habe der Oberste Gerichtshof obiter ausgesprochen, dass nach der neuen Rechtslage die Betreibungskosten grundsätzlich unter dem Titel des Schadenersatzes gefordert werden könnten, letztlich aber offen gelassen, ob damit auch konkrete Kosten der anwaltlichen Schadensregulierung gemeint seien. In den Gesetzesmaterialien zu § 1333 Abs 3 ABGB werde hervorgehoben, dass die Tätigkeit von Inkassodiensten mit jener von Rechtsanwälten nicht unbedingt gleichgestellt werden könne. Ausdrücklich sei angemerkt worden, dass am bestehenden anwaltlichen Tarifgefüge nichts geändert werden solle. Damit habe aber der Gesetzgeber nicht die Absicht gehabt, eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Kosten vorprozessualer anwaltlicher Tätigkeit zu schaffen. Unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte und der in den Materialien niedergelegten Absicht des Gesetzgebers schließe sich das Berufungsgericht jener Judikaturlinie an, wonach durch das ZinsRÄG die Bestimmungen des RATG nicht berührt worden seien und dass daher bei aufrechter Akzessorietät zum Hauptanspruch die Kosten für außergerichtliche Betreibungsmaßnahmen durch einen Rechtsanwalt nach wie vor vorprozessuale Kosten seien, die nach den allgemeinen Regeln über den Prozesskostenersatz zu beurteilen, also im Kostenverzeichnis geltend zu machen seien. Für anwaltliche vorprozessuale Bemühungen sei daher der Rechtsweg weiterhin unzulässig.
Das Berufungsgericht (und Rekursgericht) sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs (wegen Fehlens einer oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 1333 Abs 3 ABGB) und die ordentliche Revision (zur erheblichen Rechtsfrage der widmungswidrigen Benützung einer Anlage durch Kinder) zulässig seien.
Mit ihrer ordentlichen Revision und ihrem Revisionsrekurs beantragt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles. Die Beklagten beantragen mit ihrer Rechtsmittelgegenschrift, die Revision und den Revisionsrekurs jeweils als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, den Rechtsmitteln nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen unrichtiger Anwendung der in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht entwickelten Grundsätze zulässig und teilweise berechtigt. Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
I. Zur Revision der Klägerin:
Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die von ihren Eltern vertretene Klägerin, eine deutsche Staatsbürgerin, nach dem in dieser Frage anzuwendenden deutschen Recht zur Klageführung keine pflegschaftsgerichtliche Klagegenehmigung benötigt. Auch die Anwendung österreichischen Sachrechts auf die Schadenersatzansprüche ist nicht weiter strittig. Unbekämpft blieben ferner die Rechtsansichten des Berufungsgerichtes zur fehlenden Haftung der Beklagten aus dem Grund der Eigenschaft der Erstbeklagten als Schiliftbetreiberin und Vertragspartnerin des Beförderungsvertrags sowie aus dem Haftungsgrund des § 1319 ABGB wegen mangelhafter Beschaffenheit des Bauwerks. Zu untersuchender Streitpunkt ist die allgemeine Verkehrssicherungspflicht desjenigen, der eine Gefahrenquelle geschaffen hat. Die Revisionswerberin steht dazu im Wesentlichen auf dem Standpunkt, dass für sie nicht eindeutig erkennbar gewesen sei, dass die Schneepyramide ausschließlich für szenische Aufführungen errichtet worden sei. Die Beklagten hätten bei Erkennen des Umstands, dass Kinder auf der Pyramide spielten, geeignete Maßnahmen ergreifen müssen und hätten dazu auch genügend Zeit gehabt. Absperrungen und eine Verbotstafel wären zumutbare Maßnahmen gewesen. Die Beklagten verwiesen im Wesentlichen darauf, dass die Klägerin bewusst und widmungswidrig (also rechtswidrig) die Pyramide bestiegen habe. Eine allfällige Gefahr, die durch das Aufsteigen entgegen der „Rutschrichtung" der Kinder entstanden sei, habe der Klägerin schon aufgrund ihrer, wenn auch kindlichen, Lebenserfahrung leicht erkennbar sein müssen. Dazu ist Folgendes auszuführen:
1. Auf den vorliegenden Fall sind die vom Berufungsgericht zitierten, in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Grundsätze anzuwenden, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat, um eine Schädigung anderer abzuwenden (RIS-Justiz RS0022778). Die Möglichkeit einer Gefahr muss erkennbar sein und vom Sorgfaltspflichtigen mit zumutbaren Maßnahmen abgewendet werden können (RS0023442). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich vor allem auch danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RS0023726). Die Gefahrenabwehr muss zumutbar sein (RS0023397), die Verkehrssicherungspflicht darf nicht überspannt werden (RS0023487).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist hier zunächst festzustellen, dass für die Beklagten die Gefahr des Besteigens der Pyramide durch Kinder nicht nur wegen des festgestellten tatsächlichen Spielens von Kindern auf der Pyramide erkennbar war, sondern schon aufgrund der vom Erstgericht richtig angeführten Eigenschaft des Bauwerks als geradezu „magischer Anziehungspunkt" für Kinder. Wegen deren natürlicher Neugierde und des Spieltriebs war das Besteigen des attraktiven Bauwerks geradezu wahrscheinlich. Dieses Argument kann auch nicht damit entkräftet werden, dass Kinder im Regelfall in Begleitung (vernünftiger) Erwachsener unterwegs sind, weil dies für ältere Kinder auf Schipisten nicht zutrifft. Kinder im Alter von mehr als 12 Jahren sind notorischer Weise bei Schiabfahrten alleine unterwegs und waren dann im gegenständlichen Fall durchaus in der Lage, das Gelände rund um die Pyramide ohne Hindernisse aufzusuchen. Ob die höhere Einsichtsfähigkeit einer fast 13-jährigen schon ausreicht, die Sorgfaltspflichten der Beklagten haftungsrelevant zu reduzieren, wird noch zu behandeln sein. Als Zwischenergebnis ist jedenfalls festzuhalten, dass der grundsätzlich zur Sorgfalt verpflichteten Erstbeklagten die von ihrem Bauwerk ausgehende potenzielle Gefahr für spielfreudige Kinder bewusst sein musste und offenkundig auch bewusst war, hatte sie doch den Bereich oberhalb der Pyramide gegenüber abfahrenden Schifahrern zumindest mit einem Warnschild abgesichert. Das Aufstellen eines solchen Warnschilds auch im unteren Bereich, um die vom Restaurant Kommenden zu warnen, wäre genauso eine mögliche und zumutbare Abwehrmaßnahme gewesen wie das Aufstellen einer Absperrung mittels Pflöcken und Bändern. Das einfache Aufstellen einer auf die Gefahr hinweisenden Warnschilds bedeutete keinesfalls eine Überspannung der Sorgfaltspflicht (vgl dazu 6 Ob 132/03k).
3. Zu untersuchen ist nun, ob die Verkehrssicherungspflicht hier entfallen durfte, weil die vom Besteigen des Bauwerks ausgehende Gefahr für jedermann leicht erkennbar war (RS0114360) und die Benützung der Pyramide (erkennbar) einen bewussten (widmungswidrigen) Eingriff in das fremde Rechtsgut darstellte:
Der Rechtssatz, dass der Zweck von Schutznormen auf den Schutz solcher Personen beschränkt ist, die befugterweise in einen Gefahrenbereich gelangen (RS0027526), gilt für die aus dem Ingerenzprinzip abgeleitete allgemeine Verkehrssicherungspflicht nicht. Diese wird nicht schon allein dadurch ausgeschlossen, dass der Verletzte in ein fremdes Rechtsgut eingedrungen ist (RS0023801). Insbesondere wenn die Möglichkeit besteht, dass Personen versehentlich in den Gefahrenbereich gelangen oder dass Kinder und andere Personen, die nicht die nötige Einsichtsfähigkeit haben, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, gefährdet werden, kann eine Interessenabwägung ergeben, dass der Inhaber der Gefahrenquelle dennoch zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen zu ergreifen hat (RS0114361). Dass mit der Möglichkeit, ja sogar mit einer höheren Wahrscheinlichkeit des Besteigens der Pyramide durch Unbefugte zu rechnen war, wurde schon ausgeführt. Die leichte Begehbarkeit bis zum Fuß des Bauwerks und die dort vorhandenen Stufen waren zumindest für Kinder einladende Möglichkeiten zu einer nach außen gar nicht dokumentierten widmungswidrigen Benützung des Bauwerks.
4. Die Einsichtsmöglichkeiten der immerhin fast 13-jährigen Klägerin exkulpieren die Beklagten nicht zur Gänze:
Wohl kann bei der Klägerin aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters die Einsichtsfähigkeit in die mit dem Besteigen der Pyramide verbundenen allgemeinen Gefahren nicht abgesprochen werden, die sich durch Ausrutschen oder durch eine Kollision mit den auf der Pyramide spielenden Kindern verwirklichen konnten. Vorgelagert und für die Haftung der Beklagten entscheidend ist aber der Umstand, dass das Gelände rund um die Pyramide nicht abgesperrt und/oder mit einem Warnschild, auf dem ein Betretungsverbot ausgesprochen worden wäre, versehen wurde, sodass dadurch ein Eindruck vermittelt wurde, dass das Bauwerk der allgemeinen Benützung offen steht. Da mit dem Zutritt nicht voll einsichtsfähiger Kinder gerechnet werden musste, ist die erforderliche Schadenskausalität der fehlenden Sicherungsmaßnahmen zu bejahen.
5. Wäre die Klägerin bereits volljährig gewesen, könnte ihre Nachlässigkeit bei der Nichterkennung der möglichen Gefahr eines Unfalls allenfalls als so gravierend beurteilt werden, dass ein Verschulden der sicherungspflichtigen Beklagten vernachlässigt werden könnte. Das Mitverschulden von Kindern ist aber nach ständiger Rechtsprechung stets geringer zu werten als dasjenige von Erwachsenen (RS0026996). Die zivilrechtliche Deliktsfähigkeit (hier die Selbstverantwortlichkeit) von Kindern ist unter Abwägung der verschiedensten Komponenten des Einzelfalls zu prüfen (RS0027020), insbesondere unter Berücksichtigung des Lebensalters, der fehlenden Lebenserfahrung und der Ausübung des Spieltriebs (vgl 1 Ob 161/05s). Bei einem bezüglich einiger dieser Komponenten vergleichbaren Unfall (ein 12-jähriger Schifahrer stieß mit beachtlicher Reaktionsverspätung gegen ein gut sichtbares, aber vom Pistenerhalter nicht abgesichertes Hindernis) wurde ein Mitverschulden von 50 % angenommen (7 Ob 29/05y). Bei Abwägung der aufgezeigten Gesamtumstände erscheint dem erkennenden Senat auch hier eine derartige Verschuldensaufteilung angemessen.
Die Entscheidung der Vorinstanzen war im Sinne einer teilweisen Klagestattgebung abzuändern. Bei diesem Prozesserfolg (für die Kostenentscheidung ist von 50 % auszugehen) haben die Parteien die Kosten ihrer Rechtsvertretung selbst zu tragen. Eine Kostenersatzpflicht von 50 % ergibt sich nur hinsichtlich der Pauschalgebühr der schon bestimmten Zeugengebühr und der Sachverständigengebühren nach § 43 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
II. Zum Revisionsrekurs der Klägerin:
Die Klägerin strebt den Zuspruch der geltend gemachten Anwaltskosten für die außergerichtlichen Betreibungsschritte im Rechtsweg als Teil des Klageanspruchs an. Unter Hinweis auf ein obiter dictum in der Entscheidung 2 Ob 70/02m vertritt sie die Auffassung, dass die vom Einheitssatz nicht gedeckten Kosten gemäß § 1333 Abs 3 ABGB im Rechtsweg durchsetzbar seien. Der Honoraranspruch eines in Deutschland in Anspruch genommenen Rechtsanwalts richte sich nach deutschen Bestimmungen. Diesen Ansichten ist nicht zu folgen:
Die zutreffenden Erwägungen des Rekursgerichts haben in der Zwischenzeit in der oberstgerichtlichen Judikatur eine Bestätigung erhalten:
Zu den angesprochenen Rechtsproblemen hat der 3. Senat des Obersten Gerichtshofs in der E 3 Ob 129/05f sehr eingehend Stellung genommen und ist zu folgendem in einem Leitsatz zusammengefassten Ergebnis gelangt:
„§ 23 RATG gilt auch nach der Einfügung des § 1333 Abs 3 ABGB als speziellere Norm für rechtsanwaltliche Leistungen. Mit letzterer Bestimmung wurde daher keine selbständige Anspruchsgrundlage betreffend den Ersatz anwaltlicher Kosten für außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen geschaffen. Solange solche Kosten in Akzessorietät zum Hauptanspruch stehen, sind sie durch Rechtsanwälte weiterhin als vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis geltend zu machen, sodass ihrer klageweisen Geltendmachung die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegensteht. Eine Wahlmöglichkeit für deren Geltendmachung besteht nicht, weil insoweit die öffentlich-rechtlichen prozessualen Kostenersatzregeln vorrangig sind."
Aus der Entscheidungsbegründung, der der erkennende Senat beitritt, ist Folgendes hervorzuheben:
Die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr verpflichtet die Mitgliedsstaaten lediglich dazu, für den angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten „Betreibungskosten" für den Gläubiger Sorge zu tragen (Art 3 Abs 1 lit e). Sie enthalte aber keine Aussagen darüber, wie die Geltendmachung derartiger Kosten zu erfolgen habe, weshalb es dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten sei, wie er dies in seiner Rechtsordnung geregelt wissen wolle. Die §§ 40 bis 53 ZPO regelten den Anspruch von Prozessparteien auf Ersatz der Prozesskosten. § 41 Abs 2 ZPO verweise auf das RATG. Rechtsanwälte hätten im zivilgerichtlichen Verfahren Anspruch auf Entlohnung nach Maßgabe der Bestimmungen des RATG und des einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs. Die Vorschriften des RATG hätten Geltung sowohl im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und der von ihm vertretenen Partei als auch bei Bestimmung der Kosten, die der Gegner zu ersetzen habe (§ 1 Abs 1 und 2 RATG). Nach § 23 Abs 1 RATG gebühre bei Entlohnung von Leistungen, die unter die Tarifposten 1, 2, 3, 4 oder 7 fielen, anstelle aller unter die Tarifposten 5, 6 und 8 fallenden Nebenleistungen und anstelle des Ersatzes für die Postgebühren im Inland ein Einheitssatz. Nach § 23 Abs 2 RATG könne der Rechtsanwalt jedoch gegenüber der von ihm vertretenen Partei statt des Einheitssatzes die einzelnen im Abs 1 angeführten Nebenleistungen verrechnen. Die im § 23 Abs 4 RATG angeführten außergerichtlichen Nebenleistungen seien vom Einheitssatz umfasst, falls sie keinen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe erforderten, im umgekehrten Fall seien sie nach der für jede einzelne Leistung geltenden Tarifpost zu entlohnen. § 1333 Abs 3 ABGB habe an dieser für Rechtsanwälte geltenden Rechtslage nichts geändert. Dies ergebe sich eindeutig schon aus den Gesetzesmaterialien (RV zum ZinsRÄG, BlgNR 21. GP), die wörtlich Folgendes ausführten:
„Am bestehenden anwaltlichen Tarifgefüge, dessen Ansprüche auf der Verdienstlichkeit des Rechtsanwaltes im Prozess aufbauen, soll mit der vorgeschlagenen Regelung nichts geändert werden."
„Ferner wird bei der gerichtlichen Geltendmachung von Inkassokosten eines vom Gläubiger eingeschalteten Inkassoinstituts zu prüfen sein, aus welchen Gründen der Gläubiger ein Inkassoinstitut beauftragt und nicht sogleich einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat (bei dem Inkassokosten durch den unter den Inkassotarifen nach der erwähnten Verordnung BGBl 1996/141 liegenden Einheitssatz nach § 23 RATG abgedeckt werden)."
Nach Auffassung des 3. Senats ist ein Wettbewerbsnachteil für Rechtsanwälte gegenüber Inkassobüros im Hinblick auf die Höhe des Einheitssatzes und dessen unter bestimmten Voraussetzungen vorzunehmenden Verdoppelung nicht zu erkennen.
Der erkennende Senat ist dieser Rechtsauslegung mit seiner Entscheidung vom 22. 12. 2005, 6 Ob 131/05s, schon beigetreten. Zur ergänzen ist daher hier nur mehr, dass der Umstand, dass die Klägerin vorprozessuale Vertretungskosten ihres deutschen Rechtsanwalts begehrt, am Ergebnis nichts zu ändern vermag, weil diese Kosten in einem österreichischen Zivilprozess nach dem österreichischen Verfahrensrecht zu beurteilen sind, hier also das deutsche materielle Schadenersatzrecht keine Anspruchsgrundlage bildet. Dies folgt schon aus der Erwägung, dass es keinen Unterschied machen kann, ob sich die Klägerin in einem österreichischen Verfahren vor österreichischen Gerichten durch einen österreichischen oder einen deutschen (europäischen) Rechtsanwalt vertreten lässt. Nach dem europäischen Rechtsanwaltsgesetz (BGBl I 2000/27) gelten für im Inland dienstleistende europäische Rechtsanwälte bei Ausübung ihrer Vertretungstätigkeit die Rechte und Pflichten wie sie für österreichische Rechtsanwälte gelten (§ 4 Abs 1 leg cit). Davon ist auch die vorprozessuale Vertretungstätigkeit erfasst. Den in dieser Frage obsiegenden Beklagten sind die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen (§§ 41 und 50 Abs 1 ZPO).
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