OGH 6Ob278/06k

OGH6Ob278/06k12.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.‑Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz L*****, vertreten durch Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwalt in Wels, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagten Parteien 1. Johann K*****, und 2. Marianne K*****, beide *****, vertreten durch Mag. Wilhelm Deutschmann und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Wiederherstellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2006, GZ 21 R 361/05w‑23, womit über Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Peuerbach vom 30. September 2005, GZ C 180/05 d‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:0060OB00278.06K.1212.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

 

Begründung:

 

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 65, Grundbuch *****, mit dem Grundstück Nr .150, auf dem das Haus H*****straße 3 steht.

Die Beklagten sind die beiden Miteigentümer der benachbarten Liegenschaft EZ 64 desselben Grundbuchs mit dem Grundstück Nr .149, das mit dem Haus H*****straße 5 bebaut ist.

Die beiden Häuser grenzen aneinander. An dieser Grenze verläuft eine etwa 17 m lange und mehr als 30 cm breite Hausmauer. Im zweiten Obergeschoß des Hauses des Klägers sind in diese Mauer zwei Holzfenster eingebaut. Jedes der beiden Fenster hat zwei Fensterflügel, die sich nur nach innen öffnen lassen. An der Außenseite eines, „möglicherweise" aber beider Fenster befinden sich im oberen und unteren Bereich Scharniere. „Möglicherweise" waren zu irgendeiner Zeit daran Fensterflügel montiert, die nach außen aufgingen und auch geöffnet wurden. Ein Fenster gehört zu einem Raum, der bis 1980/81 als Kinderzimmer benützt wurde. Das andere Fenster führt zu einem Vorraum. Bis 1980/81 wurden beide Fenster „einige Male" zum Lüften geöffnet. Nach 1980/81 wurden die Fenster („wahrscheinlich") nicht mehr geöffnet und geputzt.

Im Bereich dieser Fenster befand sich auf dem Grundstück der Beklagten seit mehreren Jahrhunderten ein ca 5 bis 6 m langer, 1,5 m breiter und 7 m hoher Lichthof, der später als die Mauer und die Fensteröffnungen errichtet wurde. Er begann auf der Höhe des zweiten Obergeschosses beider Häuser und reichte bis unter das Dach. Vom Haus der Beklagten konnte der Lichthof durch eine Tür betreten werden. Das Dach des Lichthofs bestand zu einem (kleineren) Teil aus Glas, zum anderen aus Ziegel. Durch das Glas drang natürliches Licht in den Hof und in die hinter den beiden Fenstern gelegenen Räume.

Im Jahr 1999 bauten die Beklagten den Lichthof zu einem Stiegenhaus und einem Schlafzimmer um. Sie errichteten in einem Abstand von wenigen Zentimetern vor der Hausmauer des Klägers eine Feuermauer. Den Zwischenraum füllten sie so mit Isoliermaterial, dass dieses bis zu ca 10 cm in die Fensteröffnungen hineinragt(e). Seither dringt durch die Fenster weder Licht noch Luft.

Der Kläger stimmte den Umbauarbeiten nicht zu. Das Bauverfahren zur Bewilligung des Umbaus wurde erst auf Grund einer Anzeige des Bundesdenkmalamts vom 25. 10. 2000 eingeleitet. Der Kläger wandte in diesem Verfahren sowohl in erster Instanz als auch in seinen Rechtsmitteln ein, dass durch die Errichtung der Feuermauer die Wohnräume unbewohnbar geworden seien. Die Umbauarbeiten wurden schließlich baubehördlich rechtskräftig bewilligt.

Der Kläger begehrt mit seiner am 6. 5. 2005 eingebrachten Klage, die Beklagten zur Wiederherstellung des Lichthofs, zur Wiederanbringung der historischen, nach außen aufgehenden Fensterflügel und zur Unterlassung jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftzufuhr durch den wiederherzustellenden Lichthof. Die Beklagten hätten durch den Umbau im Jahr 1999 die Jahrhunderte lang in Geltung gewesene nachbarrechtliche Regelung eigenmächtig und rechtswidrig gestört. Der Anspruch stütze sich auf das ersessene Recht auf Bezug von Luft und Licht durch den Lichthof.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Da die Umbauarbeiten ausschließlich auf dem Grundstück der Beklagten vorgenommen worden seien, sei in das Eigentumsrecht des Klägers nicht eingegriffen worden. Dem Kläger stünden am „klagsgegenständlichen Teil der Liegenschaft" der Beklagten keine Rechte zu. Die Errichtung der Feuermauer sei zwingend notwendig gewesen, weil zum einen der Kläger leicht brennbare Materialien in dem Raum gelagert habe und zum anderen baubehördliche Vorschriften im geschlossenen Baugebiet eine Feuermauer vorschrieben, wenn Haus an Haus stehe.

Das Erstgericht gab dem Wiederherstellungsbegehren mit der weiteren Verpflichtung zur „Herstellung eines Daches" und dem Unterlassungsbegehren statt und wies das auf Wiederanbringung von Fensterflügeln gerichtete Begehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich beurteilte es den Sachverhalt dahin, der Kläger stütze den Anspruch nicht auf Vertrag, sondern auf die ersessene verneinende Dienstbarkeit des Rechts auf Licht und Luft (§ 476 Z 10 ABGB). In den Besitz dieses Rechts komme man durch den Gebrauch desselben im eigenen Namen. Von einem Verbotsrecht werde Gebrauch gemacht, wenn auf fremdes Verbot ein anderer das, was er sonst zu tun befugt wäre, unterlasse. Daraus, dass nur die Fenster des Klägers in den Lichthof führten, sei zu schließen, dass nur seine Rechtsvorgänger im Eigentum an der Liegenschaft ein Interesse an diesem gehabt hätten. Ein Interesse der Rechtsvorgänger der Beklagten sei nicht zu erkennen. Der Lichthof wäre als (Wohn‑)Raum besser nutzbar gewesen. Dass sie eine Nutzung dieser Art unterließen, könne nur als Ausfluss einer Rechtsausübung der Rechtsvorgänger des Klägers qualifiziert werden. Diese und der Kläger als ihr Rechtsnachfolger hätten das Recht ersessen, über den Lichthof Licht und Luft zu beziehen. Eine Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB hätten die Beklagten nicht eingewendet.

Das Berufungsgericht änderte dieses in seinem klagsabweisenden Teil unbekämpft gebliebene Urteil dahin ab, dass es auch das Wiederherstellungs- und das Unterlassungsbegehren abwies. Es verneinte in der Begründung die geltend gemachte Nichtigkeit. Zu den Verfahrensrügen führte es aus: Das Verfahren erster Instanz sei mangelhaft geblieben, weil der Erstbeklagte nicht als Partei vernommen worden sei. Der Mangel betreffe die - auch mit Beweisrüge bekämpfte - Feststellung, dass vor dem Umbau das den Lichthof umgebende Mauerwerk nur durch die beiden Fenster des Klägers und die Tür der Beklagten unterbrochen gewesen sei. Er bedeute zwar, dass die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, nur die Rechtsvorgänger des Klägers hätten ein Interesse an dem Lichthof gehabt, ohne hinreichende Grundlage sei, sei jedoch aus rechtlichen Erwägungen nicht entscheidungsrelevant. Es liege auch ein Verstoß gegen § 405 ZPO vor, wenn das Erstgericht die Beklagten zur „Herstellung eines Daches, dass ausreichend Tageslicht in den Lichthof dringt" verpflichte. Die gerügte Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht verneinte das Berufungsgericht ebenso wie die des § 339 Abs 2 ZPO. Rechtlich führte es aus, für die Bejahung der vom Kläger behaupteten Ersitzung sei entscheidend, ob der Kläger bzw seine Rechtsvorgänger mit ihren Aktivitäten nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht hätten, dass eine verneinende Hausdienstbarkeit gemäß § 476 Z 10 ABGB in Anspruch genommen werde. Es greife aber derjenige, der in der eigenen Wand eines an der Grundgrenze stehenden Gebäudes Fenster herstelle, ohne damit - etwa durch nach außen aufgehende Fensterflügel - unmittelbar auf den fremden Luftraum einzuwirken, noch nicht in die Rechtssphäre seines Nachbarn ein. Mit einer solchen Handlungsweise bringe er kein Verbot zum Ausdruck, dass der Nachbar etwas, was ihm sonst zu tun frei stünde, zu unterlassen habe. Die Anbringung und der Gebrauch von Fenstern habe nur dann die Ersitzung der verneinenden Dienstbarkeit des Fensterrechts zur Folge, wenn hiebei unmittelbar in den Luftraum eingegriffen worden sei. An dieser Voraussetzung mangle es im vorliegenden Fall. Der Kläger habe für den Erwerb von Rechtsbesitz erforderliche Besitzausübungshandlungen nicht behauptet. Allein die bloße Möglichkeit, dass der Lichthof von den Rechtsvorgängern über Einspruch der damaligen Eigentümer des Grundstücks des Klägers so gestaltet worden sei, könne den Beweis der Ausübung eines derartigen Verbotsrechts durch die Rechtsvorgänger nicht herstellen. Außerdem könne eine einmalige Besitzausübung anlässlich der Lichthoferrichtung gemäß § 1471 ABGB nicht zur Ersitzung des entsprechenden Rechts führen. Im Übrigen erwerbe ein neuer bücherlicher Eigentümer unter den Voraussetzungen des § 1500 ABGB lastenfrei. Für den mangelnden guten Glauben des Liegenschaftserwerbers sei der angebliche Dienstbarkeitsberechtigte behauptungs- und beweispflichtig. Eine Schlechtgläubigkeit der Beklagten beim rechtsgeschäftlichen Erwerb des angeblich belasteten Grundstücks im Jahr 1977 wäre aber auszuschließen, weil ausschließlich nach innen aufgehende Fensterflügel in einer an der Grundgrenze gelegenen Mauer keine besondere Erkundungspflicht des Erwerbers des benachbarten Grundstücks in Richtung eines allfälligen Fenster‑(öffnungs‑)rechts auslösten und auch dem Kläger erstmals durch das Schreiben des Bundesdenkmalamts vom 25. 10. 2000 bekannt geworden sei, dass der Lichthof später als die Außenmauer seines Hauses errichtet worden sei.

Die vom Berufungsgericht, das den Wert des Entscheidungsgegenstands mit mehr als 4.000 EUR, aber weniger als 20.000 EUR bewertete, nachträglich (§ 508 ZPO) zugelassene Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Der Revisionswerber macht zusammengefasst im Wesentlichen geltend:

Das Berufungsgericht habe - ebenso wie das Erstgericht - die Rechtsfrage des Dienstbarkeitserwerbs nach den nicht anwendbaren Rechtsvorschriften des ABGB gelöst. Nach den Feststellungen und Ausführungen in der Beweiswürdigung des Erstgerichts seien die mittelalterlichen Hausanlagen der Streitteile und auch der Lichthof zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert errichtet worden. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ABGB habe das Fensterrecht bereits seit 200 bis 300 Jahren bestanden. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei von einem Ersitzungsbeginn im 16. Jahrhundert auszugehen. Unabhängig von der Rechtslage zur Zeit der Bauführung auf dem Grundstück der Beklagten lägen die Voraussetzungen für die Annahme von Gewohnheitsrecht vor, habe doch zwischen den Nachbarn eine jahrhundertelange Übung bestanden, die eine Benutzung aller Räume des älteren Hauses durch Erhaltung der Funktion der Fenster gewährleistet habe. Ein derartiges Verhalten erweise sich als Ausfluss eines natürlichen, vom Grundsatz des Respekts vor dem Eigentum des Nachbarn getragenen Rechtsempfindens, der allgemein angewandt worden sei. Dies zeige sich nicht zuletzt daran, dass sich jahrhundertelang alle Eigentümer in gleicher Weise verhalten hätten. Nicht nur der Bauführer, sondern auch alle Rechtsnachfolger, die den Lichthof vorgefunden hätten, seien „wohl" mit guten Gründen der Meinung gewesen, es könne nicht rechtens sein, dem Nachbarn die Fenster zuzumauern. Dieses Gewohnheitsrecht stelle eine taugliche Grundlage dar, einen Rechtszustand, wie er bereits bei Inkrafttreten des ABGB bestanden habe, zu perpetuieren und einseitige Veränderungen als rechtswidrig zu qualifizieren. Es sei aber auch die Auffassung des Berufungsgerichts verfehlt, § 1471 ABGB sei auf ein Fensterrecht anwendbar. Jedenfalls könne die seit dem Inkrafttreten des ABGB akzeptierte, durch eigene Handlungen der belasteten Liegenschaftseigentümer - wie die Errichtung und Erhaltung eines teilweisen Glas- anstelle eines vollständigen Ziegeldaches unterstützte Benützung der fremden Liegenschaft zumindest als schlüssige (§ 863 ABGB) Rechtseinräumung qualifiziert werden. Auf einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb hätten sich die Beklagten nicht berufen, sodass den Kläger insoweit keine Behauptungs- und Beweislast treffe. Die Einführung der Frage des Gutglaubenserwerbs sei auch eine überraschende Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Schließlich habe das Berufungsgericht zu Unrecht eine Verletzung des § 405 ZPO angenommen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

I.

1) Nach der allgemeinen Regel des Absatzes 4 des Kundmachungspatents zum ABGB vom 1. 6. 1811 trat mit dem Wirksamkeitsbeginn des ABGB am 1. 1. 1812 (Absatz 3 des Kundmachungspatents) alles bestehende Privatrecht - von im vorliegenden Verfahren nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - außer Kraft, sei es Gesetzesrecht, sei es Gewohnheitsrecht, sei es, das im ganzen Staat, sei es, das nur in einzelnen Provinzen oder Bezirken geltende Recht (Pisko/Klang in Klang I² 30 ff).

2) Die Absätze 5 und 6 des Kundmachungspatents enthalten Übergangsrecht. Sie begrenzen in zeitlicher Richtung das Gebiet der Rechtsverhältnisse und Tatbestände, auf die das ABGB vom Beginn seiner Geltung an Anwendung findet. Sie beziehen sich nur auf das ABGB in der Gestalt, in der es durch das Kundmachungspatent Gesetzeskraft erhielt (Pisko/Klang aaO 35 f). Entsprechend der allgemeinen Regel des § 5 ABGB verfügt Absatz 5 des Kundmachungspatents die Nichtrückwirkung des Gesetzes: Das ABGB ist auf Handlungen vor dem 1. 1. 1812 und auf die nach den früheren Gesetzen bereits erworbenen Rechte nicht anzuwenden. Nach Absatz 6 des Kundmachungspatents ist daher eine vor dem 1. 1. 1812 begonnene Ersitzung nach den älteren Gesetzen zu beurteilen.

3) Aus der angeordneten Nichtrückwirkung des ABGB folgt, dass die Frage, ob eine in die Zeit vor dem 1. 1. 1812 fallende Tatsache den Erwerb oder Verlusts eines dinglichen Rechts begründet, nach der zu dieser Zeit geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Das Recht bleibt erworben, wenn auch ein späteres Gesetz die frühere Erwerbungsart nicht mehr kennt (Pfaff/Hofmann, Komm ABGB (1877) I/163; Stubenrauch, Komm ABGB8 (1902) I/37; Wolff in Klang aaO 80). Der Inhalt der dinglichen Rechte und die mit ihnen verbundenen Ansprüche ändern sich aber mit der Gesetzgebung (Pfaff/Hofmann, Exkurse I 154 mwN; Stubenrauch aaO I/37 mwN; vgl Wolff in Klang aaO 80). Neue Bestimmungen über den Verlust dinglicher Rechte sind auch auf bereits erworbene dingliche Rechte anzuwenden; für die Frage, auf welche Art ein dingliches Recht untergeht, kommt es auf die Zeit der Entstehung nicht an (Pfaff/Hofmann, Exkurse I 154 mwN; Stubenrauch aaO I/37 mwN).

II.

1) Der Kläger stützte in erster Instanz zuletzt die Klagsansprüche ausschließlich auf die Ersitzung des Rechts, das die Eigentümer des Nachbargrundstücks zur Unterlassung verpflichtet, seinem Gebäude Licht und Luft zu nehmen. Die in der Revision behauptete - insbesondere auf die Ausführung der Überdachung des Lichthofs gestützte - schlüssige Rechtseinräumung (§ 863 ABGB) ist eine unzulässige Neuerung, auf die deshalb nicht einzugehen ist.

2) Die Behauptungs- und die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Ersitzung dieser verneinenden Hausdienstbarkeit (§ 476 Z 10 ABGB) trifft den Kläger als (behaupteter) Ersitzungsbesitzer (RIS‑Justiz RS0034237). Er muss außer einer Besitzausübung, die nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entspricht, nur noch die Vollendung der Ersitzungszeit beweisen, wobei es genügt, wenn der Bestand des Rechtsbesitzes am Beginn und Ende der Ersitzungszeit feststeht (RIS‑Justiz RS0034251). Der Gegner hingegen ist vorerst nicht gehalten, ein Vorbringen zu erstatten, dass und weshalb die vom Kläger behaupteten anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht gegeben sind; seine Sache ist es lediglich, die rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsachen vorzubringen, somit etwa ein die Ersitzung ausschließendes Verhältnis (1 Ob 14/93 = SZ 66/59). Er hat einen in den Verlauf der Ersitzungszeit eingetretenen Verlust des Besitzes oder eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen, ferner auch, dass der Besitz nicht redlich und (oder) echt gewesen ist (RIS‑Justiz RS0034251 [T 1]) oder die Absicht der Rechtsausübung überhaupt fehlte (RIS‑Justiz RS0034237 [T 1]).

3) Der Kläger hat die Behauptung der Ersitzung der Dienstbarkeit nicht weiter ausgeführt. Dem Vorbringen in der Klage ist zu entnehmen, dass der seit mehreren Jahrhunderten bestandene Lichthof nach der Außenmauer des Hauses des Klägers errichtet wurde. Die Beklagten haben zur Behauptung des ersessenen Rechts nichts erwidert. Sie griffen erstmals in ihrer Berufung die Frage der Servitut näher auf. Das Berufungsgericht kam - ohne jegliches Vorbringen der Beklagten in erster Instanz und ohne nähere Feststellungen des Erstgerichts - nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Argumentation zum Schluss, der Kläger habe die Voraussetzungen für die Ersitzung einer Dienstbarkeit nicht bewiesen bzw die Beklagten hätten lastenfrei Eigentum erworben (§ 1500 ABGB).

Zutreffend sieht der Revisionswerber darin einen Verstoß gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen (§ 182a ZPO; RIS‑Justiz RS0037300). Diese Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht mit dem Auftrag zur Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Parteien.

4) Das Vorbringen des Klägers reicht zur Darlegung des Vorliegens der Ersitzung der behaupteten Dienstbarkeit nicht aus:

a) Der in der Revision geltend gemachte rechtliche Gesichtspunkt des Erwerbs der Dienstbarkeit vor dem 1. 1. 1812 ist keine unzulässige Neuerung. In der Klage ist nämlich ein Rechtserwerb vor dem Inkrafttreten des ABGB angedeutet, wurde doch vorgebracht (und vom Erstgericht) auch festgestellt, der Lichthof habe seit mehreren Jahrhunderten bestanden.

Für die Beurteilung, ob es zu einem Rechtserwerb - insbesondere auf Grund Gewohnheitsrechts - kam, muss aber feststehen, in welche Zeit der behauptete Rechtserwerb fiel, hängt doch davon ab, welches Recht anzuwenden ist. Dazu hat der Kläger in erster Instanz nichts vorgebracht. Die in der Revision behauptete jahrhundertelange Übung zwischen den Eigentümern der benachbarten Grundstücke vermag jedenfalls Gewohnheitsrecht nicht zu begründen, muss doch bei diesem zu der regelmäßigen faktischen Übung der Rechtsgenossen noch die allgemeine Überzeugung hinzutreten, dass der Inhalt der Übung rechtlich geboten sei, also notfalls mit Rechtszwang durchgesetzt werden könne (F. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 10 Rz 2).

b) Für die Ersitzung der verneinenden Dienstbarkeit nach § 476 Z 10 ABGB reicht nach diesem Gesetz weder der Ablauf eines längeren Zeitraums allein noch der tatsächliche Zustand der Sache, der einem anderen zugute kommt, für sich allein aus (1 Ob 23/62 mwN = JBl 1962, 637; Ehrenzweig, System I/2² 324 [FN 6]; Schey/Klang in Klang II² 78). Auf diese Umstände haben sich die Behauptungen des Klägers beschränkt.

5) Der Gutglaubenserwerb nach § 1500 ABGB macht eine vollendete Ersitzung wirkungslos (10 Ob 291/99p = NZ 2002, 77 mwN; RIS‑Justiz RS0012151). Zutreffend zeigt der Revisionswerber auf, dass auf die Bestimmung des § 1500 nicht von Amts wegen Bedacht zu nehmen ist, sondern sich der Erwerber darauf berufen muss (1 Ob 7/80 ua; M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1500 Rz 5). Da sich die Beklagten auf die Bestimmung des § 1500 ABGB nicht beriefen, durfte das Berufungsgericht die Klageabweisung nicht darauf stützen, die Beklagten hätten die Liegenschaft lastenfrei erworben. Es hat aber zutreffend erkannt, dass nicht der Erwerber seinen guten Glauben, sondern der Ersitzungsbesitzer dessen Mangel darzutun und zu beweisen hat (1 Ob 7/80 ua; M. Bydlinski aaO § 1500 Rz 5). In der Entscheidung 10 Ob 291/99p hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, der Umstand, dass Jahre vor dem Liegenschaftserwerb Fenster im Gebäude des Nachbarn existierten, die nach außen aufgingen, habe keine Relevanz für die Erkundungspflicht der Erwerber beim Vorliegen lediglich nach innen aufgehender Fenster.

6) Die Auffassung des Revisionswerbers, die Dienstbarkeit gemäß § 476 Z 10 ABGB (gemeinhin fälschlicherweise „Fensterrecht" genannt; das Gesetz behält diese Bezeichnung in § 488 ABGB für das in § 475 Z 3 angeführte Recht vor, ein Fenster in der fremden Wand zu öffnen) werde nach dem ABGB durch den Bezug von Licht und Luft permanent und durchgehend ausgeübt, ist unzutreffend. Der bloße Bestand eines Fensters, das dem Nachbarn im eigenen Haus Luft und Licht verschafft, bedeutet an sich noch nicht den Besitz einer verneinenden Dienstbarkeit des § 476 ABGB (1 Ob 23/62 = JBl 1962, 637; in der weiteren Veröffentlichung EvBl 1962/226 ist dieser Teil nicht abgedruckt). Aus dieser - auf älterer ständiger Rechtsprechung beruhender - Entscheidung (bestätigt von der Entscheidung 1 Ob 696/81 = NZ 1983, 41), von der kein Anlass besteht abzugehen, ergibt sich ferner, dass das Recht auf Licht und Luft nicht dadurch erworben wird, dass Fenster in den Luftraum des Nachbarn geöffnet werden. Die Entscheidung billigt auch nicht die Ansicht der dortigen zweiten Instanz, dass die unbeanstandete Duldung der Benutzung von seit unvordenklicher Zeit bestehenden Fenstern in der Wand des Nachbarhauses, deren offenkundiger einziger Zweck nur der sein könne, Luft und Licht in dieses Haus einströmen zu lassen, eine stillschweigende Anerkennung bedeute.

§ 1471 ABGB gilt auch für Dienstbarkeiten, die nur selten ausgeübt werden können (10 Ob 512/88 = SZ 61/114; Unterlassung des höher Bauens, GlU 1779; Unterlassung der Verbauung, 7 Ob 569/79). Rechte im Sinn dieser Gesetzesstelle sind solche, bei denen Ausübungsakte nur in größeren zeitlichen Abständen und unregelmäßig wiederkehren (10 Ob 512/88 = SZ 61/114; M. Bydlinski aaO § 1471 Rz 1). Gerade dies trifft - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - aber auf die hier strittige Dienstbarkeit zu. Aus § 1471 ABGB ergibt sich, dass ein Besitz, der nur anfangs faktisch ausgeübt wird, später aber nur noch im äußerlich nicht in Erscheinung tretenden Besitzwillen fortdauert (nach § 351 ABGB nicht zum Besitzverlust führend) für sich allein nicht zur Ersitzung hinreicht (EvBl 1973/28). Für die Ausübung von Rechtsbesitz ist es erforderlich, dass die Ausübung des Rechtsinhalts als Recht in Anspruch genommen wird (SZ 45/45 ua; RIS‑Justiz RS0010140; M. Bydlinski aaO § 1460 Rz 3 mwN). Es kann nur ein für den anderen Teil als Rechtsausübung erkennbares Verhalten zur Ersitzung führen (2 Ob 2267/96p = SZ 69/180; RIS‑Justiz RS0009762; RS0033018). Für die Ausübung eines Verbotsrechts (zB einer verneinenden Dienstbarkeit) ist die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Verbots, das der Gegner „achtet" oder dem der sich „gefügt hat" (§ 1459 ABGB), notwendig (1 Ob 23/62; Spielbüchler in Rummel, ABGB³ § 313 Rz 4; Schey/Klang in Klang II2 78). Die Unterlassung muss Folge des ausgesprochenen Verbots sein (1 Ob 23/62; Spielbüchler aaO; Schey/Klang aaO), setzt aber nicht nur Verbotskenntnis, sondern auch Anlass zum Handeln (nämlich zu dem Verbote) voraus (Spielbüchler aaO; Schey/Klang aaO). Die theoretische Möglichkeit zur Ausübung des Rechts genügt also nicht (vgl SZ 61/114 zu § 1484 ABGB). Da aber von vorneherein nicht gesagt werden kann, ob und wann Anlass bestehen wird, das Verbot auszusprechen, dem herrschenden Gebäude Licht und Luft zu nehmen, das Untersagungsrecht also wieder ausgeübt werden kann, ist die Dienstbarkeit nach § 476 Z 10 ABGB im Sinn der obigen Definition ein selten ausübbares Recht, auch wenn theoretisch nicht selten Gelegenheit zur Rechtsausübung bestehen könnte.

III.

Die Rüge des Revisionswerbers, das Berufungsgericht habe zu Unrecht einen Verstoß des Erstgerichts gegen § 405 ZPO bejaht, ist nicht begründet.

Das Begehren der Servitutenklage geht ua - je nach den Verhältnissen des Falls - auf Wiederherstellung, besonders durch Beseitigung des vom Beklagten herbeigeführten rechtswidrigen Zustands - der vom Beklagten verursachten Beeinträchtigung (1 Ob 6/00i; 1 Ob 2003/96g; RIS‑Justiz RS0106908). Der Kläger begehrt von den Beklagten, den Zustand vor dem Umbau hinsichtlich des vorhanden gewesenen Licht- und Belüftungsschachts wiederherzustellen und hiebei insbesondere die Zumauerungen der in diesen Lichthof führenden Fenster zu entfernen. Der Auffassung des Berufungsgerichts, dass das Erstgericht durch die Verpflichtung der Beklagten zur „Herstellung eines Daches, dass ausreichend Tageslicht in den Lichthof dringt", die Bindung an den Sachantrag des Klägers (§ 405 ZPO; 4 Ob 258/04a mwN) verletzte, ist beizupflichten. Gegen § 405 ZPO wird ua verstoßen, wenn mehr als nach dem Klagebegehren unter Beachtung des Inhalts der Klage verlangt zugesprochen wird (vgl 4 Ob 258/04a mwN). Nach dem Wortlaut des Klagebegehrens bezieht sich das Wiederherstellungsbegehren nur auf den wiederherzustellenden Lichthof. Zu diesem gehört nicht die Überdachung, von der in der Klage nicht einmal die Rede ist. Der Kläger sieht nach dem Inhalt der Klage den von den Beklagten geschaffenen rechtswidrigen Zustand nur in der Beseitigung des Lichthofs. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Entfernung des Daches allein die vom Kläger behauptete Dienstbarkeit nicht beeinträchtigte.

IV. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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