European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00246.15T.0529.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und ihrer Nebenintervenientin deren jeweils mit 2.052,54 EUR (davon jeweils 342,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Revision ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Klägerin zeichnete nach Beratungsgesprächen mit einem Mitarbeiter der beklagten Bank vom 20. 10. 2006 bis 22. 12. 2006 Kommanditbeteiligungen an drei Kommanditgesellschaften deutschen Rechts („Reefer‑Flotten‑Fonds“, „Holland-Fonds“) über eine Summe von insgesamt 70.000 EUR zuzüglich 5 % Agio. Die Klägerin wollte Ausschüttungen und eine langfristige Veranlagung. Der Berater sagte ihr, die Kommanditbeteiligungen seien mit 7 % verzinst, es sei ein gutes Produkt und er habe selbst diese Beteiligungen. Er sagte ihr nicht, es bestehe die Möglichkeit, dass die erhaltenen Ausschüttungen zurückgezahlt werden müssen. Hätte die Klägerin dies gewusst, hätte sie die Beteiligungen nicht gekauft. Weitere Feststellungen über den konkreten Inhalt der Beratungsgespräche betreffend die Veranlagung in die Kommanditbeteiligungen konnten nicht getroffen werden. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass die Klägerin über das Risiko der Veranlagungen nicht aufgeklärt wurde bzw dass nicht darüber gesprochen wurde, dass mit diesen Beteiligungen auch ein Totalverlust möglich sei.
In den am 25. 9. 2006 vom Mitarbeiter der Beklagten im Beisein der Klägerin ausgefüllten und von der Klägerin unterfertigten „Anlageprofil für Privatkunden“ heißt es: „Ich strebe spekulative Veranlagungen an und bin auch bereit, den Verlust des eingesetzten Kapitals zu akzeptieren, zB Optionsscheine, Futures, spekulative Aktiennebenwerte, Staats-/Unternehmensanleihen schlechter Bonität“ und „Ich verfolge regelmäßig Kurse, Börsen- und Wirtschaftsnachrichten etc“.
Vor der Zeichnung der jeweiligen Kommanditbeteiligung unterfertigte die Klägerin ein „Anlegerprofil für die Zeichnung von mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen“ mit Risikohinweisen auf der Rückseite und eine Erklärung zum Anlegerprofil betreffend Zeichnung der einzelnen Fonds mit dem Inhalt: „... Sehr geehrte Frau Pursche, ich habe Erfahrung mit Veranlagungen dieser Art (geschlossene Beteiligungsgesellschaft) und ich bin ausreichend informiert. Aus diesem Grunde benötige ich keine WAG-Beratung und habe am Anlegerprofil die Option „Besondere Kundenerklärung ausgewählt“. Die Beitrittsunterlagen ging der Mitarbeiter der Beklagten mit der Klägerin durch und füllte sie aus, bevor die Klägerin diese Unterlagen, ohne sie genau durchzulesen, unterfertigte.
Die Gesellschafter der „Holland-Fonds“ wurden im Jänner bzw im Juli 2007 darauf hingewiesen, dass es sich bei den „Liquiditätsausschüttungen“ nicht um Kapitalverzinsungen handelt. Mit Schreiben vom 28. 10. 2010 wurden die Gesellschafter von der Aussetzung der Auszahlungen der Fondsgesellschaften informiert. Die Klägerin erhielt all diese Informationen und Schreiben.
Die Klägerin erhielt an Ausschüttungen: 1.404,44 EUR vom „Reefer‑Flotten‑Fonds“ sowie 7.107,17 EUR und 4.503,44 EUR von den „Holland-Fonds“.
Die Klägerin begehrt
- die Rückzahlung der investierten Beträge abzüglich erhaltener Ausschüttungen und zuzüglich kapitalisierter Zinsen aus entgangenen Alternativanlagen samt Zinsen seit Klagstag Zug um Zug gegen das Angebot auf Abtretung sämtlicher Rechte aus den Beteiligungen und
- die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden, die aus der Zeichnung der Beteiligungen entstehen.
Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Die Beklagte habe einen Beratungsfehler zu verantworten, weil ihr Mitarbeiter die Klägerin nicht über das Risiko aufgeklärt habe, bezogene Ausschüttungen zurückzahlen zu müssen.
Das Berufungsgericht änderte über die Berufungen der Beklagten und ihrer Nebenintervenientin das Urteil des Erstgerichts im klagsabweisenden Sinn ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage der Pflicht, über das Risiko der Rückzahlung von Ausschüttungen bei Kommandit-beteiligungen aufzuklären, noch nicht entschieden habe. Gestützt auf § 267 ZPO ging das Berufungsgericht davon aus, dass die Klägerin die Beitrittserklärungen, die produktspezifischen Anlegerprofile samt Risikohinweisen auf der Rückseite und die Gesellschaftsverträge erhalten hat. Wegen des Vorrangs des Geständnisses seien die gerügten Negativfeststellungen des Erstgerichts in dieser Frage unbeachtlich. Die Klägerin habe daher Gelegenheit gehabt, insbesondere die auf der Rückseite der produktspezifischen Anlegerprofile enthaltenen Risikohinweise zu studieren, bevor sie diese in den gesonderten Beratungsgeprächen im Oktober und Dezember 2006 unterfertigt habe. Auch ohne spezifische Kenntnisse über (geschlossene) Kommanditbeteiligungen sei es der Klägerin möglich und zuzumuten gewesen, die ihr rechtzeitig übergebenen Unterlagen zu prüfen. In den Anlegerprofilen fänden sich klare Hinweise auf das Bestehen von Rückzahlungsverpflichtungen nach § 169 ff dHGB. Bedenken, dass die Klägerin als erfahrene Anlegerin die Hinweise nicht ausreichend verstehen könnte und diese daher ihre ausreichende Warnfunktion nicht erfüllen könnten, seien ausgehend von dem von der Klägerin vermittelten Bild einer langjährig erfahrenen und risikobereiten Anlegerin nicht angebracht. Vor diesem Hintergrund sei auch der Hinweis auf eine 7%ige Verzinsung der angestrebten Veranlagung im vorliegenden Fall nicht als verharmlosend zu werten. Im konkreten Einzelfall sei daher eine mündliche Aufklärung über das Risiko, erhaltene Ausschüttungen zurückzahlen zu müssen, nicht geboten gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten und ihrer Nebenintervenientin beantwortete Revision der Klägerin ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
1.1. Die Revisionswerberin rügt, das Berufungsgericht weiche von den Feststellungen des Erstgerichts ab, indem es davon ausgehe, dass der Klägerin „klare Hinweise auf das Bestehen von Rückzahlungsverpflichtungen nach § 169 ff dHGB“ (jeweils auf der Rückseite der Anlegerprofile) zugekommen seien. Die Klägerin habe nämlich nicht den Zugang der Beitrittserklärungen, der produktspezifischen Anlegerprofile und der Gesellschaftsverträge schlüssig zugestanden.
1.2. Die Verfahrensrüge ist nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof kann im Rahmen einer Mängelrüge des Berufungsverfahrens die Anwendung des § 267 ZPO insbesondere dann überprüfen, wenn erstmals das Berufungsgericht ein schlüssiges Tatsachengeständnis annahm (RIS‑Justiz RS0040078 [T7]). Die vom Erstgericht verneinte Frage, ob die Klägerin die Beteiligungen auch dann gezeichnet hätte, wenn sie von der Möglichkeit der Rückforderung der Ausschüttungen gewusst hätte, ist von der vom Berufungsgericht aufgegriffenen Frage zu trennen, ob die Klägerin vor der Zeichnung der Beitrittserklärungen ausreichend Gelegenheit hatte, sich anhand der Unterlagen über diese Möglichkeit zu informieren.
1.3. Bei einem Widerspruch zwischen Negativfeststellung und schlüssigem Zugeständnis setzt sich aufgrund der Dispositionsmaxime das schlüssige Zugeständnis durch; ein Widerspruch zwischen einem Geständnis und der gegenteiligen Überzeugung des Gerichts wird hingegen durch den Vorrang der vom Gericht getroffenen Feststellung aufgelöst (7 Ob 226/14g mwN). Darauf kommt es im vorliegenden Fall gar nicht an: Das Erstgericht hat zur Frage, ob die Klägerin die Anlageprofile und die Beitrittserklärungen, die die Risikohinweise enthalten, bekommen hat, gar keine Negativfeststellung getroffen; wurden diese dann doch auch von der Klägerin unterschrieben. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung hat es – zumindest implizit – positiv festgestellt, dass diese Unterlagen „zahlreiche klein geschriebene Risikohinweise“ enthielten und darin auch auf die Gefahr der Möglichkeit der Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen hingewiesen wurde. Auch die Feststellungen, dass die Klägerin diese Risikohinweise nicht las, setzt voraus, dass sie diese Unterlagen erhalten hat. Die Behauptung der Revision, der Klägerin seien diese Risikohinweise nicht zugegangen, ist daher unzutreffend.
1.4. Keine Deckung im Urteil des Erstgerichts findet die Behauptung der Revisionswerberin, das Erstgericht habe festgestellt, dass die Klägerin niemals Hinweise auf das Bestehen von Rückzahlungsverpflichtungen erhalten habe.
2.1. Zu der vom Berufungsgericht bezeichneten, die Zulässigkeit der Revision begründenden Rechtsfrage hat der Oberste Gerichtshof bereits Stellung genommen:
2.2. Unstrittig kommt es hinsichtlich der von der Beklagten zu den Zeitpunkten des Erwerbs der Beteiligungen zu beachtenden Beratungs- und Aufklärungspflichten auf die einschlägigen Bestimmungen des Wertpapieraufsichts-gesetzes 1996 an. Dabei sind für den Umfang und die konkrete Ausgestaltung dieser Beratungs- und Aufklärungspflichten grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Deren Beurteilung stellt regelmäßig keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0119752, vgl auch RS0111165). Dies gilt auch für Beteiligungen wie den hier zu beurteilenden (6 Ob 193/15y). Gegenteiliges gilt hingegen nur dann, wenn eine grobe Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0106373). Auch eine Vielzahl an Geschädigten ändert nichts daran, dass die Frage, wie weit jeweils Beratungs- und Aufklärungspflichten gehen, dennoch stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt, wie etwa Risikobereitschaft des Anlegers, der Höhe der zu veranlagenden Geldsumme, der Renditeerwartung des Anlegers und vieles andere mehr (6 Ob 193/15y mwN).
2.3. Die Revisionswerberin wirft der Beklagten eine mangelnde Beratung hinsichtlich der Möglichkeit einer Rückforderung bezogener Ausschüttungen und des Risikos der Außenhaftung vor. In der Entscheidung 6 Ob 193/15y führte der Oberste Gerichtshof dazu bei Beteiligungen an Kommanditgesellschaften deutschen Rechts, insbesondere am Reefer‑Flotten‑Fonds, aus, dass eine allfällige Rückzahlungsverpflichtung als von der Belehrung über das Totalverlustrisiko bei einer Unternehmensbeteiligung umfasst anzusehen ist, weil ein Rückforderungsanspruch gegenüber einem Kommanditisten voraussetzt, dass entgegen den Bestimmungen des deutschen Handelsgesetzbuches eine Ausschüttung „aus der Substanz“ erfolgt ist. Nimmt nämlich der Anleger einen Totalverlust in Kauf, so weiß er, dass seine gesamte Substanz, die er investiert, verloren gehen kann. Auch die Revisionswerberin spricht davon, dass das „Risiko einer Außenhaftung nach § 172 Abs 4 dHGB gleichbedeutend mit einem Fehlschlag des getätigten Investments“ sei. Die Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft weist in diesem Zusammenhang zwar (nur) die Besonderheit auf, dass sich das Totalverlustrisiko auch auf bestimmte „rechtswidrige“ Ausschüttungen bezieht, wenn der Anleger dadurch Teile der Substanz zwischenzeitig zurückerhalten haben sollte. Die Auffassung, dass darüber nicht gesondert aufgeklärt werden muss, ist jedenfalls dann vertretbar, wenn dem Anleger hinsichtlich der Rechtsnatur und Herkunft der Ausschüttungen nicht vermittelt wurde, dass es sich um eine „Verzinsung des Kapitals“ handeln sollte.
2.4. Die Revisionswerberin bestreitet nicht, dass § 13 Z 3 und 4 WAG es einer Anlagen vermittelnden Bank überlässt, in welcher Art und Weise sie in der Anlageberatung ihre Kunden informiert (vgl Bracht in Schwintowski, Bankrecht4 § 18 Rz 39). Eine Aufklärung des Kunden über das Anlageobjekt kann auch durch die so rechtzeitige Übergabe entsprechenden Unterlagen erfolgen, in denen die Risiken dargestellt sind, die mit einer Beteiligung verbunden sind, dass der Kunde diese noch vor der Anlageentscheidung intensiv zur Kenntnis nehmen kann. Vom Kunden darf erwartet werden, dass er diese eingehend und sorgfältig liest (vgl 2 Ob 99/16x ErwG 1.1.b; Spindler in Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar² 33. Kap Rz 61; Nobbe/Zahrt in MünchKommHGB³ Bankvertragsrecht, Anlageberatung Rz 147).
2.5. Nach dem vom Berufungsgericht als feststehend angenommenen Sachverhalt wurden der Klägerin die Anlegerprofile für die Zeichnung von mitunternehmerschaftlichen Beteiligungen so rechtzeitig vor den einzelnen Beratungsgesprächen übergeben, dass die Klägerin diese vor den Anlageentscheidungen studieren konnte. Schon in der Unterlage für die erste Anlageentscheidung (Reefer‑Flotten‑Fonds) steht, dass es nach §§ 169 ff dHGB denkbar ist, dass ausgezahlte Beträge im Falle einer negativen Entwicklung zurückgeführt werden müssen, und dass Einlagen gegenüber Gläubigern als nicht geleistet angesehen werden, sofern das Kapitalkonto bei Entnahmen nach vorhergegangenen Verlusten den Stand der Einlage nicht wieder erreicht hat, und dass Entnahmen bei negativem Kapitalkonto zu einem Wiederaufleben der beschränkten Haftung der Kommanditisten in Höhe der Entnahmen führen. Das Erstgericht hat disloziert in der rechtlichen Beurteilung festgehalten, dass eher davon auszugehen war, dass der Berater die Klägerin, die nach den Feststellungen seit 1970 Geld in verschiedene Anlagenklassen investierte und keine unerfahrene, sondern eine versierte risikobereite Anlegerin war, „über das mit Kommanditbeteiligungen verbundene Risiko“ aufklärte. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass im konkreten Einzelfall trotz der Rede von einer „Verzinsung der Kommanditbeteiligungen“ die rechtzeitige Aushändigung von Unterlagen, die spezifisch auf das Risiko der Rückforderung bezogener Ausschüttungen hinwiesen, zur Aufklärung über dieses Risiko genügte, jedenfalls vertretbar.
3. Auch mit dem Vorwurf, das Berufungsgericht erkenne rechtsirrig nicht die Gefahr einer – nicht näher konkretisierten – „Spesentreiberei“, die von – über das offengelegte Agio hinaus – dem Kunden verheimlichten Kick‑back‑ oder Retrozessionszahlungen herrühre, zeigt die Revision keine Rechtsfrage auf, von der die Entscheidung des Falls abhängt. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung hat der Geschädigte zu beweisen, dass der Anlageberater eine ihn treffende Sorgfaltsverbindlichkeit verletzt hat; § 1298 ABGB ist insofern nicht anwendbar (RIS‑Justiz RS0026458 [T1, T4]; 10 Ob 46/13g; 3 Ob 225/11a; 1 Ob 115/11k; G. Kodek in Kletecka/Schauer, ABGB‑ON 1.02 § 1298 Rz 35). Das Erstgericht konnte – abgesehen von der unterbliebenen mündlichen Aufklärung über die mögliche Rückzahlungspflicht – den Inhalt der Beratungsgespräche nicht feststellen. Daher ist nicht erwiesen, dass der Berater nicht über Spesen jenseits des Agio aufgeklärt hätte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. In den Rechtsmittelgegenschriften wurde auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
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