Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.
Text
Begründung
Der mj Daniel wächst seit seiner Geburt bei der mütterlichen Großmutter auf, der mit Beschluss vom 13. 8. 1991 auch die Obsorge übertragen wurde. Seine Mutter hat sich in einem mit dem Unterhaltssachwalter geschlossenen Vergleich vom 10. 12. 1992 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 1.000 S verpflichtet. Diese Unterhaltsbeiträge wurden laufend bevorschusst, und zwar zuletzt bis 30. 9. 2000.
Seit 1. 5. 1995 bezieht die mütterliche Großmutter ein Pflegegeld gemäß § 27 Abs 6 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz (Wr JWG).
Mit Beschluss vom 20. 5. 1999 hat das Erstgericht die Unterhaltsvorschüsse rückwirkend mit Ablauf des Dezember 1994 eingestellt, weil die Gewährung von Pflegegeld die Zuerkennung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG ausschließe.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es sei zwar zweifelhaft, ob die Unterbringung des Kindes bei der mütterlichen Großmutter, der auch die Obsorge seit langem zukomme, eine Maßnahme im Sinn des § 2 Abs 2 Z 2 UVG darstelle. Durch die nachträgliche Gewährung von "Verwandtenpflegegeld" sei die Unterbringung aber auch auf die Grundlage des öffentlichen Jugendwohlfahrtsrechts gestellt worden, wie aus den Entscheidungen 1 Ob 592/92 und 7 Ob 5/99 hervorgehe.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hatte in jüngster Zeit in mehreren vergleichbaren Fällen die Frage zu entscheiden, ob ein gemäß § 27 Abs 6 Wr JWG an nahe Verwandte des Kindes gewährtes Pflegegeld gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG der Vorschussgewährung entgegensteht (7 Ob 224/99p; 1 Ob 243/99p ua). Der Oberste Gerichtshof hat in diesen Entscheidungen, denen sich auch der erkennende Senat anschließt, erwogen:
a) Gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG besteht kein Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse, wenn das Kind auf Grund einer Maßnahme der Sozialhilfe oder der vollen Erziehung nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung untergebracht ist. Diese Einschränkung soll nach den Materialien (JAB 199 BlgNR XIV. GP 5) sicherstellen, dass die Kosten der Unterbringung eines Kindes in einem Heim oder bei Pflegeeltern nicht vom Träger der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe, den diese Kosten nach der geltenden Rechtslage treffen, auf den Bund überwälzt werden, weil der Unterhalt des Kindes durch öffentlich-rechtliche Leistungen der Sozialhilfe oder der Jugendwohlfahrtspflege, die vom Unterhaltspflichtigen zu ersetzen sind, abgedeckt werden (RV 172 BlgNR XVII. GP 24), also das Kind aus öffentlichen Mitteln "voll versorgt wird" (Neumayr, Die neueste Rechtsprechung zum UVG in RpfSlgA 1999/2, 81 [83]). Grundlegende Voraussetzung für die Möglichkeit der Versagung von Unterhaltsvorschüssen nach dieser Bestimmung ist jedenfalls, dass die Unterbringung "auf Grund einer Maßnahme" der Jugendwohlfahrtspflege (oder Sozialhilfe), somit einer entsprechende Anordnung mit Kostenfolgen erfolgt (Neumayr aaO). So genügt es nach der Rspr nicht, dass bloß die Obsorge über ein Pflegekind nach § 186a ABGB auf Pflegeeltern übertragen, eine Pflegebewilligung nach § 16 JWG erteilt und die Kosten aus Mitteln der Sozialhilfe getragen werden (ÖA 1991, 22), sofern nicht auch die Pflege und Erziehung eines Kindes in einer Pflegefamilie ausdrücklich als Maßnahme der vollen Erziehung statuiert und erfasst wird (so etwa § 14 Tir JWG LGBl 1991/18); (nur) in einem solchen Fall vermag dann konsequenter Weise auch die Unterlassung einer Antragstellung auf Pflegegeld den Unterhaltsvorschussanspruch nicht aufrecht zu erhalten (ÖA 1996, 127/UV 1991).
Wird jedoch die Obsorge den Eltern entzogen und - wie hier - auf die Großmutter übertragen, dann liegt keine "Maßnahme der vollen Erziehung" nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht vor. Die Initiative zu diesem Schritt ging nicht von der Jugendwohlfahrtsbehörde aus. Der Obsorgeübertragung liegen ausschließlich dem Wohl des Minderjährigen (§ 178a ABGB) entsprechende familienbezogene Erwägungen zu Grunde. Die Übernahme (eigentlich: der Verbleib) des Minderjährigen im Wohnungsverband seiner Großmutter und die rechtliche Gestaltung als Fall einer Obsorgeübertragung von der Mutter auf die Großmutter waren daher gerade keine "Maßnahme der vollen Erziehung", sollte doch eine solche durch die Belassung des Kindes innerhalb der Familie (im weiteren Sinn) geradezu vermieden werden. Der Minderjährige wurde somit nicht auf Grund einer Maßnahme der vollen Erziehung nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht (§ 2 Abs 2 Z 2 UVG) untergebracht.
b) Entgegen der zu 7 Ob 5/99g vertretenen Auffassung liegt hier keine bescheidmässige und damit der Rechtskraft fähige, einen Rechtsanspruch des Empfängers erledigende Pflegegeldzuerkennung vor. Während nämlich nach § 27 Abs 1 Wr JWG "Pflegeeltern" (Pflegepersonen) zur Durchführung der vollen Erziehung - eine solche liegt nicht vor - auf Antrag zur Erleichterung der mit der Pflege verbundenen Lasten Pflegegeld gebührt, diesen also ausdrücklich ein Rechtsanspruch zuerkannt wird (so auch die Materialien zum Wr JWG § 27, 57), statuiert § 27 Abs 6 Wr JWG, dass (sonstigen) Personen, die mit den von ihnen betreuten Kindern bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert sind - unter welchen Personenkreis die Großmutter eines Kindes fällt - vom Magistrat unter Berücksichtigung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Pflegegeld bis zur Höhe des - auf Grund des § 27 Abs 5 Wr JWG durch Verordnung der Wiener Landesregierung festzusetzenden - Richtsatzes gewährt werden kann, somit kein Rechtsanspruch besteht (Materialien zum Wr JWG zu § 27 Abs 6). Diese rechtliche Ausgestaltung als nicht bescheidmäßiger Gewährungsakt der Privatwirtschaftsverwaltung entspricht übrigens auch der Rspr des Obersten Gerichtshofs zum BundespflegegeldG BGBl 1993/110, wonach die Zuerkennung von Pflegegeldern in der Zeit bis zum 30. Juni 1995 (BGBl 1995/131) über die Stufe 2 hinaus mittels bloßer Mitteilungen (der gewährenden Pflegegeldträger) ebenfalls ohne Bescheidcharakter erfolgte; derartige, über der Stufe 2 liegende Pflegegelder wurden daher vom zuständigen Sozialversicherungsträger bloß als Träger von Privatrechten im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährt (SSV-NF 10/110 uva).
Daraus folgt, dass den von den Ländern nach ihren jeweiligen Jugendwohlfahrtsgesetzen bloß auf Grund von "Kannbestimmungen" und damit ohne Rechtsanspruch gewährten Pflegegeldern kein bescheidmäßiger Zuweisungsakt zugrundeliegt. Im übrigen ist Leistungsempfänger nach § 2 Abs 1 UVG das Kind, nach § 27 Wr JWG die Pflegeperson.
Bloß freiwillig gewährte Zuschüsse welcher Art immer treffen den Jugendwohlfahrtsträger jedenfalls nur wirtschaftlich, aber nicht "nach der Rechtslage". Dass dies - je nach dem anzuwendenden Landesrecht - zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, ist eine von den jeweiligen Landesgesetzgebern rechtspolitisch gewollte normative Ausgestaltung, deren Änderung der Gesetzgebung und nicht den ordentlichen Gerichten im Rahmen ihrer Rechtsprechung obliegt (vgl 1 Ob 78/99y). Die Gewährung eines Verwandtenpflegegeldzuschusses nach § 27 Abs 6 Wr JWG an die Großmutter stellt demnach keinen Einstellungsgrund für die dem Kind gewährten Unterhaltsvorschüsse nach § 2 Abs 2 Z 2 UVG dar. Die in der Entscheidung 7 Ob 5/99g vertretene gegenteilige Auffassung kann nicht aufrecht erhalten werden.
Da die angefochtenen Beschlüsse der Vorinstanzen diesen Erwägungen widersprechen, waren sie in Stattgebung des Revisionsrekurses ersatzlos zu beseitigen.
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