European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00023.22H.0225.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Der Kläger begehrte gegenüber der Beklagten, die – ohne über eine Konzession nach dem österreichischen GlSpG zu verfügen – auf ihrer Website die Teilnahme an Online‑Pokerspielen anbot, die auf Bereicherungs‑ und Schadenersatzrecht gestützte Rückzahlung seiner im Zeitraum von 19. 8. 2008 bis 16. 10. 2020 eingetretenen Spielverluste.
[2] Die Vorinstanzen erkannten den Klageanspruch als zu Recht, die von der Beklagten geltend gemachte Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verpflichteten die Beklagte zur Zahlung des Klagsbetrags.
[3] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist nicht zulässig.
[4] 1. Zu den in der außerordentlichen Revision als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichneten Rechtsfragen hat der Obersten Gerichtshof jüngst in den (gegen dieselbe Beklagte ergangenen) Entscheidungen 6 Ob 207/21s, 6 Ob 229/21a und 6 Ob 8/22b Stellung genommen (vgl auch 4 Ob 229/21m; 3 Ob 197/21y). Die dort ausgeführten rechtlichen Erwägungen treffen auch im vorliegenden Fall zu.
[5] 2. Zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des Konzessionsvorbehalts des österreichischen Glücksspielgesetzes und der daran anknüpfenden Sanktionstatbestände wurde zu 6 Ob 229/21a bereits ausgeführt, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts zwar zu einem Wegfall des in § 14 Abs 2 Satz 1, § 21 Abs 2 Satz 1 GlSpG in der bis 30. 12. 2010 (vor BGBl I 2010/111, BudgetbegleitG 2011) geltenden Fassung normierten „Sitzerfordernisses“ geführt hat, die übrigen Voraussetzungen für den Erhalt einer Konzession und das Konzessions‑ bzw Monopolsystem an sich aber unberührt blieben. In diesem Zusammenhang wurde auch klargestellt, dass die Vertragsnichtigkeit gemäß § 879 Abs 1 ABGB keine (verwaltungs‑)strafrechtliche Sanktion wegen der Nichterfüllung von Verwaltungsformalitäten darstellt, sodass die von der Beklagten ins Treffen geführte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum Sanktionsverbot (siehe nur verbundene Rs Placanica, C‑338/04 , C‑359/04 , C‑360/04 , Rn 63/69) der Beurteilung der zwischen den Parteien zustande gekommenen Verträge als nichtig gemäß § 879 Abs 1 ABGB nicht entgegen steht.
[6] 3. Es ist auch bereits geklärt, dass die zivilrechtliche Unerlaubtheit des Spiels nicht zwingend voraussetzt, dass dieses gleichzeitig strafbar iSd § 168 StGB ist (6 Ob 229/21a).
[7] 4. Auch im Zusammenhang mit ihrer von den Vorinstanzen bejahten Passivlegitimation zeigt die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. In den Entscheidungen 6 Ob 207/21s, 6 Ob 229/21a und 6 Ob 8/22b wurde bereits die mit dem vorliegenden Sachverhalt übereinstimmende konkrete Ausgestaltung der von derselben Beklagten angebotenen Online‑Pokerspiele beurteilt und dabei die Passivlegitimation der Beklagten bejaht. Die maßgeblichen Erwägungen, dass die Beklagte durch die Geldüberweisungen der Spielteilnehmer unmittelbar bereichert wurde und ihre Rolle über diejenige einer bloßen „Abwicklungstreuhänderin“ hinausging, treffen auch im vorliegenden Fall zu.
[8] 5. Schließlich wurde in der Entscheidung 6 Ob 229/21a – der Vollständigkeit halber – auch bereits zu den von der Beklagten auch im vorliegenden Verfahren erhobenen Einwänden gegen ihre schadenersatzrechtliche Haftung Stellung genommen.
[9] 6. Die außerordentliche Revision zeigt daher insgesamt keine Rechtsfragen der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
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