OGH 6Ob22/98y

OGH6Ob22/98y25.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ingebjorg K*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Rechtsanwältin in Wien, wider den Antragsgegner Svein Eiler T*****, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 29. Oktober 1997, GZ 45 R 558/97k-46, womit infolge der Rekurse beider Parteien der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 21. April 1997, GZ 7 F 183/95z-37, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

Text

Begründung

Die Parteien waren und sind norwegische Staatsbürger. Sie haben im Jahr 1955 in Oslo die Ehe geschlossen. Dieser entstammen drei in den Jahren 1957, 1959 und 1961 geborene Kinder. Der Mann wurde 1969 Angestellter einer UNO-Organisation mit dem Sitz in Wien, wohin die Familie zog. Die Frau war im Haushalt tätig. 1979 zog der Mann aus der ehelichen Wohnung aus. Seit damals war die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben. Mit dem seit 1. 8. 1994 rechtskräftig gewordenen Urteil eines österreichischen Gerichtes wurde die Ehe aus dem Alleinverschulden des Mannes geschieden. Die Frau lebte bis August 1995 in Wien. Seither hat sie ihren Wohnsitz in Norwegen.

Das im vorliegenden Aufteilungsverfahren aufzuteilende Vermögen der geschiedenen Eheleute besteht nach dem im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittigen Sachverhalt aus einer Liegenschaft in Norwegen, einem Sparbuch und einem PKW. Der Mann erhielt den PKW, die Frau die beiden anderen Vermögenswerte. Sie verkaufte die Liegenschaft 1995 um 2,4 Mio norwegische Kronen, was 3,7 Mio S entsprach. Bei der Aufteilung der angeführten Vermögenswerte im Verhältnis 1 : 1 ergibt sich eine von der Frau zu leistende Ausgleichszahlung von 1,6 Mio S. Sie strebt allerdings die Berücksichtigung des Umstandes an, daß der Mann gegenüber seinem Dienstgeber einen Anspruch hat, sich einen Teil seines (zu kapitalisierenden) Pensionsanspruchs vorzeitig auszahlen zu lassen, in welchem Fall sich sein künftiger Pensionsanspruch reduzieren würde. Bis Juni 1979 hatte der Mann eine Pensionsvorauszahlung nicht in Anspruch genommen. Im Falle des Todes des Mannes hätte die Frau keinen Anspruch auf Witwenpension.

Das Erstgericht trug der Frau eine in 120 Raten a 5.000 S zu zahlende Ausgleichszahlung von 600.000 S auf.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Frau nicht Folge und erhöhte auf Rekurs des Mannes die Ausgleichszahlung auf 1,6 Mio S.

Das Rekursgericht führte zur kollisionsrechtlichen Frage über das anzuwendende Sachrecht im Einklang mit der allerdings in einer Ehescheidungssache ergangenen oberstgerichtlichen Judikatur (2 Ob 517/94 mwN) zusammengefaßt folgendes aus:

Wegen der gemeinsamen norwegischen Staatsangehörigkeit der Parteien wäre zunächst gemäß § 9 Abs 1, § 18 Abs 1 Z 1 und § 20 Abs 1 IPRG grundsätzlich norwegisches materielles Recht anzuwenden. Dieses verweise aber nach nicht kodifizierten Kollisionsnormen auf das Heimatrecht der Ehegatten, das im Sinne des in Norwegen geltenden Domizilgrundsatzes das Recht ihres Wohnsitzes sei. Diese Rückverweisung auf österreichisches Recht entfalle aber nach ständiger Rechtsprechung des norwegischen Höchstgerichtes, wenn das norwegische Sachrecht besser geeignet sei, die vom norwegischen Gesetzgeber verfolgten Aufgaben und Ziele (hier des ehelichen Güterrechts und Scheidungsfolgenrechts) zu erreichen. Nach Ansicht des Rekursgerichtes sei das österreichische Sachrecht (als das zumindest für den Standpunkt der Antragstellerin günstigere Recht) anzuwenden, weil hier eine Aufteilung der ehelichen Gebrauchsgegenstände und der ehelichen Ersparnisse nach dem Billigkeitsgrundsatz (§ 83 Abs 1 EheG) vorgenommen werden könne und nicht in jedem Fall eine Aufteilung im Verhältnis 1 : 1, wie dies im norwegischen Gesetz vom 20. 5. 1927 in seinem § 12 zwingend vorgesehen sei. Das Rekursgericht gelangte hier nach Würdigung der beiderseitigen Beiträge (Haushaltsführung und Kindererziehung durch die Frau; Berufstätigkeit des Mannes) zu einer Aufteilung im Verhältnis 1 : 1. Die von der Frau angestrebte Einbeziehung des Pensionsvorauszahlungsan- spruchs des Mannes sei nicht berechtigt. Dabei handle es sich um höchstpersönliches Vorbehaltsgut des Mannes (im Sinne der Terminologie des norwegischen Rechts), das weder nach norwegischem noch nach österreichischem Recht in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Frau die Abänderung dahin, daß dem Mann eine Ausgleichszahlung von 1 Mio S auferlegt werde. Sie releviert folgende Rechtsfragen, zu denen eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege:

1. Die Frage nach dem anzuwendenden Sachrecht;

2. die Frage, ob ein zu kapitalisierender Pensionsanspruch, dessen Vorauszahlung vom Dienstgeber erreicht werden könne, dem Aufteilungsverfahren unterliegt;

3. die Reichweite von Billigkeitserwägungen, wenn einer einkommenslosen, schuldlos geschiedenen Frau keine Witwenpension zusteht;

4. die Zumutbarkeit einer Ausgleichszahlung, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Zahlungspflichtigen übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Insoweit die Rekurswerberin die Anwendung des norwegischen Sachrechts anstrebt, ist für ihren Standpunkt nur dann etwas zu gewinnen, wenn entweder der Anspruch auf Pensionsvorauszahlung zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft im Jahre 1979 als schon vorhandenes gemeinschaftliches Vermögen qualifiziert werden könnte oder aber das norwegische Gesetz anordnete, daß aus Billigkeitsgründen ein allfälliger künftiger Versorgungsnotstand des an der Scheidung schuldlosen Ehegatten schon im Teilungsverfahren zu berücksichtigen wäre. Beide Fragen sind sowohl nach norwegischem als auch nach österreichischem Recht zu verneinen:

Der Anspruch des Mannes auf Pensionsvorauszahlung ist ein vom Dienstgeber eingeräumtes Optionsrecht, das vor seiner Ausübung keinen Vermögenswert darstellt und nur vom berechtigten Dienstnehmer ausgeübt werden kann. Aufzuteilen ist nach § 12 des zitierten norwegischen Gesetzes nur das vorhandene Vermögen. Das während der Ehe erworbene Anwartschaftsrecht ist bei einem erst in der Zukunft entstehenden Abfertigungsanspruch noch kein Vermögensbestandteil des Abfertigungsberechtigten (SZ 56/42 = EFSlg 43.756; vgl EFSlg 57.294; Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 81 EheG). Auch der Pensionsanspruch des Mannes war im Jahr 1979 noch nicht entstanden. Ob er damals überhaupt schon eine Pensionsvorauszahlung verlangen hätte können, steht nicht fest. Tatsache ist aber, daß ein allfälliges Optionsrecht nicht ausgeübt wurde und aus diesem Grund eine Vermögensvermehrung noch nicht eingetreten sein konnte. Zu diesem Thema kann auch auf die von den Vorinstanzen zitierte Lehrmeinung Marholds (in Zacher, Der Versorgungsausgleich im internationalen Vergleich und in der zwischenstaatlichen Praxis 470

f) verwiesen werden, der zutreffend bemerkt, daß von einer Ersparnis nur bei Wertanlagen gesprochen werden könne, die ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmt sind. Die Anerkennung von Versorgungsanwartschaften als eheliche Ersparnis stünde mit dem Unterhaltsrecht in Widerspruch, weil dem Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Aufteilungsverfahrens die Hälfte seiner Versicherungsanwartschaften und damit die Grundlage zur Tilgung der (künftigen) Unterhaltspflichten entzogen würde. Diese Argumente können noch durch einen Vergleich mit einem Gehaltsvorschuß ergänzt werden, der schon aus dem Grund nicht als eheliche Ersparnis angesehen werden kann, weil ihm die Rückzahlungsverpflichtung gegenübersteht, sodaß wirtschaftlich und rechtlich betrachtet eben nichts in die Aufteilungsmasse fallen kann. Nicht anders verhält es sich beim Pensionsvorschuß. Der Rückzahlungsverpflichtung beim Gehaltsvorschuß entspricht die vom Erstgericht festgestellte Pensionsreduktion im Falle der Inanspruchnahme einer Pensionsvorauszahlung. Dieses Auslegungsergebnis ergibt sich gleichermaßen für das österreichische und das norwegische Recht. Schon aus dem Gesetzeswortlaut und der Definition der Begriffe "Ersparnis" bzw "vorhandenes gemeinschaftliches Vermögen" ist die Rechtsansicht der Rekurswerberin nicht zu teilen. Einer näheren oberstgerichtlichen Stellungnahme zu diesem Thema bedarf es nicht.

Ein Billigkeitsgrundsatz, der es ermöglichte, den allfälligen Versorgungsnotstand in der Zukunft nach dem Tod des unterhaltspflichtigen Ehegatten schon im Teilungsverfahren zu berücksichtigen, den fehlenden Anspruch auf Witwenpension also zu supplieren, ist im norwegischen Scheidungsfolgenrecht nicht verankert (Gesetzestext abgedruckt bei Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Norwegen 58 ff). Die angestrebten Billigkeitserwägungen könnten daher höchstens auf österreichisches Sachrecht und den im § 83 EheG normierten Billigkeitsgrundsatz gestützt werden. Die kollisionsrechtliche Frage wurde von den Vorinstanzen daher richtig im Sinne der in 2 Ob 517/94 angeführten Grundsätze gelöst.

Der Billigkeitsgrundsatz des § 83 Abs 1 EheG kann nicht so extensiv ausgelegt werden, wie dies die Rekurswerberin anstrebt:

Zwar sind die Aufteilungsgrundsätze nur demonstrativ dahin aufgezählt, daß besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrages jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse sowie auf das Wohl der Kinder Bedacht zu nehmen sei; weiters auch auf Schulden, die mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen. Aus dieser Aufzählung geht aber klar hervor, daß der Gesetzgeber Billigkeitserwägungen nur dort zuläßt, wo ein Konnex zur Aufteilungsmasse besteht (Art des Zustandekommens sowie die Verwendung der Sachgüter). Daß die Aufteilungsvorschriften auch Versorgungscharakter hätten, kann aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden, wenn für diese Versorgung andere Rechtsvorschriften existieren, wie eben im österreichischen Recht das Unterhaltsrecht und die Pensionsregelungen. Die gegenteilige Auffassung der Rekurswerberin führte dazu, daß ein nicht kodifizierter Versorgungsausgleich, wie er - soweit überblickbar - ausschließlich in Deutschland gesetzlich geregelt ist, durch Richterspruch mit einer Gesetzesauslegung eingeführt werden würde, die über den Wortlaut und den Zweck der Vorschriften über die Aufteilung ehelicher Ersparnisse exzessiv hinausginge. Außer in Deutschland (§§ 1587 ff BGB) gibt es keinen anderen Staat der Welt, der bei der Ehescheidung einen Gesamtausgleich auch der während der Ehe erworbenen Pensionsanwartschaften vorsieht (Eichenhofer in Staudinger, BGB13 Rz 36 Vorbem zu §§ 1587 ff). Es gibt in anderen Ländern lediglich Funktionsäquivalente, zu denen in Österreich eben das schon erwähnte Unterhaltsrecht, aber auch die Geschiedenenwitwenrente (Eichenhofer aaO Rz 41) gehören. Der von der Rekurswerberin befürchtete Versorgungsnotstand mag Anlaß für sozialpolitische und gesetzgeberische Überlegungen sein. Ein besseres Aufteilungsergebnis kann damit aber nicht begründet werden. Die Aufteilungsvorschriften haben nicht den Zweck, einer künftigen Bedürftigkeit des schuldlos geschiedenen Ehegatten vorzubeugen. Es ist ein vorhandenes Vermögen aufzuteilen und nicht ein künftiges Risiko.

Abschließend ist zum Rekurseinwand, die Rekurswerberin sei wirtschaftlich nicht in der Lage, die vom Rekursgericht verfügte Ausgleichszahlung zu erbringen, folgendes auszuführen:

Das Rekursgericht ging von einem Vermögen der Frau von 5,1 Mio S (Wert einer Eigentumswohnung) und von einem Unterhaltsanspruch gegenüber dem Mann von 21.000 S monatlich aus. Ob ein solcher Anspruch in dieser Höhe tatsächlich zusteht und durchsetzbar ist, steht nicht fest. Die Frage kann auf sich beruhen, weil die bekämpfte Ausgleichszahlung nach einem Aufteilungsschlüssel von 1 : 1 trotz allfälliger Leistungsunfähigkeit der Rekurswerberin zur Zahlung aus Ersparnissen und aus laufenden Einkünften aus den in ständiger Rechtsprechung vertretenen und in 1 Ob 2104/96k ausführlich dargelegten Gründen nicht zu beanstanden ist.

Der an der Ehescheidung schuldlose Teil soll durch die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse nicht in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht werden. Gerade deshalb hat er ein Optionsrecht, wie die Vermögensaufteilung erfolgen soll. Der Aufteilungswunsch darf aber nicht dazu führen, daß der andere Teil sein Eigentum entschädigungslos oder gegen unverhältnismäßig geringe Gegenleistung aufzugeben hätte (SZ 67/38 mwN). Wenn die Rekurswerberin schon vorweg und de facto von ihrem Optionsrecht Gebrauch gemacht, die gemeinschaftliche Liegenschaft übernommen und verwertet hat, ist es das unvermeidliche Ergebnis, daß die berechtigten Ausgleichsansprüche des Mannes von ihr entweder mit der Hilfe Dritter oder eben auch durch eine Veräußerung der wertvollen Eigentumswohnung befriedigt werden. Der Einwand des ausgleichspflichtigen Ehegatten, eine angemessene Ausgleichszahlung nicht aufbringen zu können, darf nicht dazu führen, daß der andere Ehegatte entschädigungslos oder gegen eine dem Wert nicht entsprechende Ausgleichszahlung abgefunden wird (4 Ob 78/97p mwN).

Aus den angeführten Gründen ist der Standpunkt der Revisionsrekurswerberin insgesamt nicht zu teilen. Zur kollisionsrechtlichen Frage liegt eine oberstgerichtliche Judikatur zumindest zu den Grundsätzen vor. Zur entscheidungswesentlichen Hauptfrage, ob ein Versorgungsanspruch in den Aufteilungsvorschriften des norwegischen oder österreichischen Rechts Deckung findet, liegt zwar keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vor, sie konnte aber letztlich schon im Wege der Auslegung klarer Gesetzeswortlaute gelöst werden (eine Rechtsfortentwicklung ausländischer Rechtsnormen obliegt dem Obersten Gerichtshof nicht). Die nach österreichischem Recht zu beurteilenden Sachfragen bedürfen keiner weiteren über die gegebene Begründung hinausgehenden Erörterungen.

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