Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antrag auf Zuspruch von Rekurskosten wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt in dem beim Landesgericht Innsbruck anhängigen Verfahren GZ 14 Cg 93/07g von Dr. Stephan K***** sowohl persönlich als auch in seiner Funktion als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin H***** AG & Co. KG rund 5,3 Mio EUR aus verschiedenen Rechtsgründen, wobei der Klage der Erwerb des Unternehmens der Gemeinschuldnerin durch die Klägerin zugrunde liegt. Die Ehegattin des Beklagten, Dr. Christiane K*****, ist Richterin des Landesgerichts Innsbruck.
Die Klägerin lehnte zunächst in der Klage sämtliche Richter des Landesgerichts Innsbruck und in weiterer Folge die nach dessen Geschäftsverteilung für das vorliegende Verfahren zuständige Richterin MMag. Veronika W***** als befangen ab. In Anbetracht des Streitwerts sei das Verfahren für den Beklagten existenzbedrohend; dies beeinträchtige auch die Interessenlage seiner Ehegattin, mit der die zuständige Richterin ebenso wie alle anderen Richter des Landesgerichts Innsbruck bekannt seien. Es bestehe daher die Gefahr, dass sich diese bei der Entscheidung im vorliegenden Verfahren mit Rücksicht auf ihre Kollegin von anderen als rein sachlichen Überlegungen leiten lassen könnten.
MMag. Veronika W***** erklärte sich nicht für befangen, auch wenn der Beklagte von den Konkursabteilungen des Landesgerichts Innsbruck immer wieder als Masseverwalter eingesetzt werde und auch Partei in „Verfahren aus [seinen] Konkursen" sei bzw sie mit dessen Ehegattin gelegentlich „am Gang" des Gerichtsgebäudes zusammentreffen würde; die übrigen Richter des Landesgerichts Innsbruck wurden zu keiner Stellungnahme aufgefordert.
Das Oberlandesgericht Innsbruck wies den gegen alle Richter des Landesgerichts Innsbruck erhobenen Ablehnungsantrag zurück. Die behaupteten Ablehnungsgründe beinhalteten lediglich pauschale Vermutungen. Auch die Tatsache, dass der Ehegatte einer Richterkollegin persönlich und in seiner Funktion als Masseverwalter in einem Verfahren mit einem sehr hohen Streitwert beklagt sei, lasse ohne Hinzutreten weiterer, besonderer Umstände bei objektiver Betrachtungsweise noch nicht den Anschein einer Voreingenommenheit entstehen; besondere Umstände wie etwa ein Naheverhältnis zur betroffenen Richterkollegin oder ein Bekanntschaftsverhältnis zum Beklagten habe die Klägerin jedoch nicht behauptet. Die Vermutung spreche für die Unparteilichkeit eines Richters, solange nicht Sachverhalte behauptet und dargetan würden, die das Gegenteil annehmen ließen; das Richteramt verlange so viel Professionalität, dass auch bei einer Verfahrenskonstellation wie der vorliegenden die gebotene Objektivität eingehalten, ein faires Verfahren geführt und die Entscheidung nach rein sachlichen Gesichtspunkten getroffen werden könne. Im Übrigen erachte sich gerade auch die zuständige Richterin nicht für befangen.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rekurs der Klägerin kommt keine Berechtigung zu. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Oberlandesgerichts Innsbruck sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann.
Im Übrigen ist es ständige Rechtsprechung, dass bei der Prüfung der Unbefangenheit im Interesse des Ansehens der Justiz zwar ein strenger Maßstab anzulegen ist; es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss - auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte - oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte; bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens ist auch der äußere Anschein von Bedeutung; Gerechtigkeit soll nicht nur geübt, sondern auch sichtbar geübt werden. Die Vermutung spricht aber für die Unparteilichkeit eines Richters, solange nicht Sachverhalte dargetan werden, die das Gegenteil annehmen lassen (5 Nc 11/04v mwN). Insbesondere bei größeren Gerichten reicht demnach der Umstand, dass ein nicht dem selben Senat angehörender Kollege durch ein anhängiges Verfahren involviert sein könnte, für sich allein nicht aus, die Befangenheit aller anderen Mitglieder dieses Gerichts auch dann anzunehmen, wenn sie darlegen, mangels weiterer als beruflicher Kontakte mit diesem Kollegen nicht befangen zu sein (RIS-Justiz RS0046129).
Die Klägerin geht in ihrem Rekurs von einem „beweglichen System" aus; je größer, unangenehmer und (existenz-)bedrohlicher die Auswirkungen des jeweiligen Rechtsstreits für die Partei bzw den Parteienvertreter seien, also je ausgeprägter die unmittelbare persönliche, wirtschaftliche und rechtliche Betroffenheit der Partei bzw des Parteienvertreters sei, desto weniger ausgeprägt brauche das Naheverhältnis zu sein, um dennoch Befangenheit zu begründen. Sie übersieht dabei allerdings, dass sie keinerlei Naheverhältnis des Beklagten selbst zu irgendeinem der abgelehnten Richter, insbesondere auch nicht zu der nach der Geschäftsverteilung für das vorliegende Verfahren zuständigen Richterin des Landesgerichts Innsbruck behauptet hat; umgekehrt ist es aber auch nicht ersichtlich, dass das Verfahren für die Ehegattin des Beklagten selbst existenzgefährdend wäre.
Mangels besonderer Umstände, aus denen im Einzelfall dennoch eine Interessenkollision oder ein über berufliche Kontakte hinausgehendes Verhältnis geschlossen werden könnte, liegen also keine ausreichenden Gründe vor, die Unbefangenheit der abgelehnten Richter in Zweifel zu ziehen oder auch nur den Anschein einer Voreingenommenheit zu bejahen.
Dass entgegen § 22 Abs 2 JN eine Stellungnahme der übrigen abgelehnten Richter des Landesgerichts Innsbruck bislang nicht eingeholt worden ist, wird im Rekurs nicht gerügt.
Dem Rekurs war somit der Erfolg zu versagen.
Eine Kostenersatzpflicht ist - ganz abgesehen vom fehlenden Rechtsmittelerfolg der Klägerin im vorliegenden Verfahren - im Ablehnungsverfahren nicht vorgesehen (stRsp, s 3 Ob 176/97x; 3 Ob 128/06d).
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