Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Fünftbeklagte hat seine Rekurskosten selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Fünftbeklagte lehnte in seinem Revisionsschriftsatz die Richtern des Oberlandesgerichts Linz Dr. Brigitta H***** als befangen ab, weil er und die Viertbeklagte am 23. April 2004 eine Amtshaftungsklage eingebracht hätten, die auf eine unvertretbare Rechtsansicht eines Urteils des Oberlandesgerichts Linz in einem Vorprozess, an dem Dr. H***** ebenfalls mitgewirkt habe, gestützt worden sei. Die Anhängigkeit eines Amtshaftungsverfahrens, in dem der Vorwurf eines Organverschuldens zu prüfen sei, lasse schon dem äußeren Anschein nach befürchten, dass bei der Entscheidungsfindung der betroffenen Richterin auch andere als rein sachliche Überlegungen eine Rolle gespielt haben könnten.
Die abgelehnte Richterin erklärte, nicht befangen zu sein.
Das Oberlandesgericht Linz wies den Ablehnungsantrag zurück. Der Argumentation des Fünftbeklagten hielt es entgegen, dass die Einbringung einer Amtshaftungsklage allein noch nicht zu einer Befangenheit des davon betroffenen Richters führe. Eine Besorgnis der Befangenheit liege erst vor, wenn der Richter zu erkennen gebe, dass er nicht bereit sei, eine früher vertretene Rechtsansicht erneut kritisch zu überdenken und gegebenenfalls seine Meinung zu ändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Fünftbeklagten, der neuerlich auf das anhängige Amtshaftungsverfahren verweist, ist nicht berechtigt.
Gemäß § 21 Abs 2 JN kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei demselben, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Diese Bestimmung bindet die Ablehnung an Zeitgrenzen und hat insbesondere den Zweck, Ablehnungsgründe auszuschalten, die offenbar in Verschleppungsabsicht gestellt werden oder die erst vorgebracht werden, wenn sich aus dem Gang des Rechtsstreits ihre „taktische Zweckmäßigkeit" ergibt. Sie ist allgemein dahin zu verstehen, dass Ablehnungsgründe sofort nach ihrem Bekanntwerden vorzubringen sind, denn das Ablehnungsrecht ist verzichtbar und verschweigbar (6 Ob 600/92 mwN). Voraussetzung für die Ausübung des Ablehnungsrechts ist die Kenntnis (des Ablehnungswerbers oder seines Prozessbevollmächtigten) der Tatsachen, die die (behauptete) Besorgnis der Befangenheit begründen und die Kenntnis der Person des mit der Sache befassten Richters. Kennenmüssen reicht nicht aus (1 Ob 5/95; 7 Ob 90/01p).
Der Ablehnungswerber führt nicht aus, warum er sich in die Berufungsverhandlung eingelassen hat, ohne sogleich einen Ablehnungsantrag gegen die nach dem Protokoll über die Berufungsverhandlung als Berichterstatterin den Sachverhalt und den bisherigen Gang des Rechtsstreits darlegende Richterin gestellt zu haben. Die mündliche Berufungsverhandlung fand am 28. 9. 2004 statt. Der gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter persönlich anwesende Fünftbeklagte hatte zu diesem Zeitpunkt nach seinen eigenen Ausführungen die Amtshaftungsklage längst eingebracht. Dass er oder sein Vertreter die Berichterstatterin zum Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung noch nicht namentlich gekannt und nicht mit jener Richterin identifiziert hätten, deren Mitwirkung am Rechtsmittelverfahren des Vorprozesses Anlass der Amtshaftungsklage war, wurde nicht behauptet. Dagegen spricht auch, dass Dr. H***** im Rahmen der Revision ausdrücklich in ihrer Eigenschaft als Berichterstatterin im Berufungsverfahren abgelehnt wurde, obwohl die Ausfertigung des angefochtenen Urteils nicht erkennen lässt, welcher der dort namentlich bezeichneten Richter als Berichterstatter mitwirkte.
Unabhängig von der vom Oberlandesgericht Linz nicht geprüften Frage der rechtzeitigen Geltendmachung des behaupteten Ablehnungsgrunds ist dieser aber ohnehin nicht geeignet, die Unbefangenheit der abgelehnten Richterin an der Entscheidungsfindung in Zweifel zu ziehen. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 281/02b einer ähnlichen Argumentation des dortigen Ablehnungswerbers entgegenhielt, kann das Argument, dass jeder von einem Amtshaftungsverfahren betroffene Richter von einem weiteren Verfahren ausgeschlossen sei, schon deshalb nicht stichhältig sein, weil es sonst jede Partei in der Hand hätte, durch Erhebung einer (auch völlig unberechtigten) Amtshaftungsklage den ihr missliebigen gesetzlichen Richter an der weiteren Ausübung seines Amtes zu hindern. Gelingt es einer Partei nicht, das Vorliegen einer Befangenheit oder eines Ausschlussgrunds aufzuzeigen, wird das weitere Einschreiten des betreffenden Richters durch eine Amtshaftungsklage nicht verhindert. Wie schon das Oberlandesgericht Linz ausgeführt hat, ist ein Richter auch nicht etwa deshalb befangen, weil eine der Streitparteien Strafanzeigen oder Disziplinaranzeigen gegen ihn erstattet (RIS-Justiz RS0046101).
Der Rekurswerber beruft sich zur Stützung seiner gegenteiligen Ansicht auf Schragel, Komm z Amtshaftungsgesetz3 § 9 Rz 257. Schragel begründet dort nicht weiter, warum „kein Zweifel" daran bestehen könne, dass ein Richter dann, wenn sein Verhalten zum Gegenstand eines Amtshaftungsanspruchs gemacht werde, zumindest den Anschein erwecke, nicht mehr unbefangen entscheiden zu können. Der zitierte Autor bleibt eine plausible Erklärung schuldig, warum anhängige Amtshaftungsverfahren das Vertrauen in die Unbefangenheit eines Richters eher erschüttern sollten als (unerledigte) Straf- und Disziplinaranzeigen. Er hebt zwar das Kostenrisiko eines Amtshaftungsprozesses hervor, das die Partei auf sich nehmen müsse. Mit diesem Hinweis lässt sich aber nicht begründen, warum einer Amtshaftungsklage mehr Gewicht als einer Straf- oder Disziplinaranzeige zukommen sollte. Denn einerseits kann sich das Kostenrisiko durch die (durchaus im Sinn des Gesetzgebers großzügig gehandhabten) Bestimmungen über die Gewährung der Verfahrenshilfe in Grenzen halten. Andererseits setzt sich die Partei, die einen Richter anstatt im Wege einer Amtshaftungsklage durch eine Straf- oder Disziplinaranzeige aus einem Verfahren entfernen will, eher der Gefahr aus, wegen Verleumdung (§ 297 StGB) verfolgt zu werden. Die Argumentation des Obersten Gerichtshofs, dass derartige von einer Partei gegen den Richter gesetzte Schritte für sich allein noch kein Grund für eine erfolgreiche Ablehnung sind, weil es sonst die Partei in der Hand hätte, ihr missliebige Richter von der Entscheidungsfindung auszuschalten, wird nichts entgegengehalten. Der rechtssuchenden Bevölkerung ist durchaus die Erkenntnis zu unterstellen, dass Richter schon auf Grund ihres Aufgabenbereichs immer wieder derartigen Angriffen von Parteien, die sich durch gerichtliche Entscheidungen benachteiligt fühlen, ausgesetzt und dennoch in der Lage sind, das Verfahren unparteiisch zu Ende zu führen. Es besteht daher keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen, dass die Einbringung einer Amtshaftungsklage für sich allein im Allgemeinen noch nicht den Anschein einer Befangenheit des davon betroffenen Richters bewirkt.
Der angefochtene Beschluss ist daher zu bestätigen.
Abgesehen davon, dass dem Rekurs des Fünftbeklagten kein Erfolg beschieden ist, gibt es im Ablehnungsverfahren als einseitigem Verfahren nach dem Gesetz keine Kostenersatzpflicht (SZ 63/24; 4 Ob 193/03s ua). Ein Zuspruch der verzeichneten Rekurskosten kommt daher nicht in Betracht.
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