Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können behauptete Nichtigkeiten erster Instanz, die nicht auch dem Verfahren der zweiten Instanz anhaften und deren Vorliegen das Rekursgericht verneint hat, auch im Verfahren außer Streitsachen nicht mehr zum Gegenstand der Bekämpfung der rekursgerichtlichen Entscheidung gemacht werden (RIS-Justiz RS0007232). Die vom Rekursgericht bejahte Frage der Zuständigkeit des Rechtspflegers zur Entscheidung über eine gegen seinen Zwangsstrafenbeschluss erhobene Vorstellung ist daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufzugreifen.
Zur Vermeidung eines Missverständnisses sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Ausführungen des Rekursgerichtes, das gegenständliche Zwangsstrafenverfahren betreffe die Offenlegung der Unterlagen gemäß §§ 277 ff HGB für das Geschäftsjahr 1999/2000 (Seite 5 der angefochtenen Entscheidung), aktenwidrig ist: Es geht hier eindeutig um die Offenlegung für das Geschäftsjahr 1997/1998 (zum Bilanzstichtag 28. 2. 1998; vgl ON 39, 40).
Die Unterbrechungspflicht des § 90a Abs 1 GOG bezieht sich nach dessen eindeutigem Wortlaut nur auf Anträge des (anfragenden) Gerichtes auf Fällung einer Vorabentscheidung nach Art 234 EG (Art 177 EG-Vertrag) und nach anderen konkret bezeichneten Verträgen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, begründet das Ersuchen eines nationalen Gerichtes um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften keine Unterbrechungspflicht oder Aussetzungspflicht eines anderen nationalen Gerichtes, das dieselbe Rechtsfrage wie das Anfragegericht zu beurteilen hat. Für eine derart weitreichende Unterbrechungswirkung fehlt jede Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht, in der Judikatur des EuGH und im nationalen österreichischen Recht (RIS-Justiz RS0114648; 6 Ob 304/00z). Nichts anderes kann für die Einbringung einer Klage beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 288 Abs 2 EG (Art 235 EG) gelten, mit der die Kläger Schadenersatz begehren und dieselben Rechtsfragen aufwerfen wie in ihrem Vorbringen vor dem nationalen Gericht. Auf eine solche Klage ist § 90a GOG nicht anwendbar, weil sie nicht zu einer Vorabentscheidung des EuGH über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts führt. Ob - wie die Rechtsmittelwerber meinen - § 190 Abs 1 ZPO hier analog anzuwenden wäre, kann dahingestellt bleiben, weil aus dieser Bestimmung kein Recht einer Partei auf Verfahrensunterbrechung abgeleitet werden kann und die Nichtunterbrechung auch gar nicht angefochten werden könnte (§ 192 Abs 2 ZPO).
Der Oberste Gerichtshof beurteilt in ständiger Rechtsprechung, deren Kenntnis auch bei den Rechtsmittelwerbern infolge der vorangehenden, sie betreffenden Zwangsstrafenverfahren vorausgesetzt werden kann (6 Ob 304/00z), die handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als dem Gemeinschaftsrecht entsprechend und hat sich auch bereits mehrfach mit dem Argument, die Offenlegungsvorschriften der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. RL 68/151/EWG des Rates vom 9. 3. 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. RL 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 - Bilanzrichtlinie) und deren Umsetzung verstießen gegen Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaften befasst und dieses Argument als nicht zutreffend abgelehnt. Es besteht daher weder Anlass für ein Innehalten mit dem Zwangsstrafenverfahren bis zur Entscheidung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften über die Schadenersatzklage der Rechtsmittelwerber noch zur Einholung von Vorabentscheidungen im Sinne der im Revisionsrekurs enthaltenen Anregungen.
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