OGH 6Ob2028/96w

OGH6Ob2028/96w4.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ramona S*****, vertreten durch Dr.Margit Schoeller, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Helga G*****, 2. Ing.Gerhard D*****, 3. Rainer D*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 44 Msch 126/94x des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 25. Jänner 1996, GZ 40 R 1133/96d-5, womit dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23. November 1995, GZ 44 C 474/95y-2, nicht Folge gegeben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit ihrer am 17.11.1995 beim Erstgericht eingelangten Wiederaufnahmsklage begehrt die Klägerin gestützt auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO die Wiederaufnahme des Verfahrens 44 Msch 126/94x des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, in welchem sie (unter anderem) die Anerkennung als Hauptmieterin einer Wohnung begehrte.

Die Vorinstanzen wiesen die Wiederaufnahmsklage zurück. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß die Wiederaufnahme in derselben Verfahrensart zu erledigen sei, die für die Hauptsache vorgeschrieben sei. Die vorliegende Klage wäre daher als Antrag im außerstreitigen Verfahren zu behandeln. Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung finde sich jedoch im allgemeinen Außerstreitverfahren nicht der geringste Hinweis auf die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens. Nach einem Teil der Lehre seien aber die Bestimmungen der ZPO über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage im außerstreitigen Verfahren analog anzuwenden, weil einerseits eine Gesetzeslücke vorliege und andererseits Gründe der Rechtsschutzgarantie dafür sprächen. Nach Ansicht des Rekursgerichtes scheitere die analoge Anwendung der Bestimmungen der ZPO über die Wiederaufnahmsklage aber schon daran, daß diese im § 37 Abs 3 MRG nicht aufgezählt seien. Dies spreche gegen das Vorliegen einer Regelungslücke. Eine analoge Anwendung der Bestimmungen der ZPO sei auch mit der Ausgestaltung des außerstreitigen Verfahrens nicht in Einklang zu bringen. Für die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrages könnte lediglich das im außerstreitigen Verfahren gemäß § 37 MRG geltende Neuerungsverbot sprechen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige und daß der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage, ob im Verfahren gemäß § 37 MRG ein Wiederaufnahmeantrag zulässig sei, fehle eine oberstgerichtliche Rechtsprechung.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die Klägerin (erkennbar) die ersatzlose Behebung der Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage und die Zurückverweisung der "Außerstreitsache zur Verhandlung an das Erstgericht".

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Vorschriften über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage im außerstreitigen Verfahren nicht analog angewendet werden können (SZ 53/127; NZ 1983, 105; JBl 1989, 186; 7 Ob 641/94 uva). Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Judikatur abzuweichen, auf die kritischen Lehrmeinungen neuerlich einzugehen und mit der gestellten Frage einen verstärkten Senat zu befassen. Das Verfahren über die im § 37 Abs 1 MRG angeführten Sachanträge ist ein außerstreitiges Verfahren, für das allerdings die in Abs 3 leg cit normierten Besonderheiten gelten. Das Gesetz verweist auf zahlreiche anzuwendende Normen der ZPO, die in ihrer Gesamtheit bewirken, daß das Verfahren dem Streitverfahren stark angenähert ist (beispielsweise beträgt die Rekursfrist gegen Sachbeschlüsse vier Wochen; das Rekursverfahren ist zweiseitig; die Beweiswürdigung ist bekämpfbar). Die Bestimmungen der ZPO über die Wiederaufnahmsklage sind im § 37 MRG aber nicht angeführt. Eine analoge Anwendung setzte eine planwidrige Gesetzeslücke voraus. Eine solche kann aber dem Gesetzgeber in Anbetracht der schon jahrzehntelang immer wieder geäußerten Absicht, das Außerstreitverfahren reformieren zu wollen (vgl dazu zB Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen Bd. XVI S.11 ff: Die Außerstreitreform - eine unendliche Geschichte), nicht unterstellt werden, zumal dem Gesetzgeber die ebensolange einhellige Ablehnung der Übernahme der prozessualen Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens in das außerstreitige Verfahren durch den Obersten Gerichtshof sowie der Meinungsstreit mit der Lehre durchaus bewußt sein muß. Der erkennende Senat hat erst jüngst festgestellt, daß diese Diskussion den Gesetzgeber bisher nicht veranlaßt hat, eine Angleichung vorzunehmen, sodaß die Übernahme der Bestimmungen des streitigen Verfahrens über die Wiederaufnahme des Verfahrens in das Außerstreitverfahren einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Gesetzgebungsbefugnis bedeuten würde. Abhilfe könne nur durch den Gesetzgeber geschaffen werden (6 Ob 12, 13/95). Dieses Argument gilt für alle im außerstreitigen Verfahren zu erledigenden Rechtssachen, also auch für die im § 37 MRG aufgezählten.

Gegen eine analoge Anwendung des hier in Betracht kommenden Wiederaufnahmsgrundes des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO spricht auch ein historischer Rückblick. In den vor der ZPO geltenden Zivilverfahrensordnungen war die Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem genannten Wiederaufnahmsgrund als Einsetzung in den vorigen Stand geregelt. § 489 der Westgalizischen Gerichtsordnung, JGS 1796/329, lautete: Vermöge dieser Gerichtsordnung gebühret die Einsetzung in den vorigen Stand demjenigen, a) zu dessen Nachtheil eine Fallfrist ohne sein Verschulden verstrichen ist; b) wider welchen ein Spruch ergangen ist, wenn er nach solchem erhebliche Beweismittel gefunden hat, die er vorhin nicht wissen, oder doch nicht finden konnte. Nur wider die verfallene Frist zur Ueberreichung der Appellations- und Revisions-Beschwerden, dann Einreden, hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht Statt". Diese Regelung findet sich auch in § 372 der Allgemeinen Gerichtsordnung (AGO), JGS 1781/13. Diese Bestimmung hatte folgenden Wortlaut:

"Vermöge dieser Gerichtsordnung aber gebühret dieses Recht dem Verkürzten in folgenden zwei Fällen: a) wenn eine Fallfrist (terminus per emptorius) ohne dessen Verschulden verstrichen ist; b) wenn wider ihn ein Spruch ergangen ist, und er nach solchem erhebliche Beweismittel gefunden hat, die er vorhin nicht wissen oder nicht finden konnte". Das kaiserlische Patent vom 9.8.1854 (AußStrG), RGBl 1854/208 übernahm für das außerstreitige Verfahren in seinem § 17 die Vorschriften der Prozeßordnung über die Einsetzung in den vorigen Stand, erster Fall, nicht aber den zweiten Fall der Wiederaufnahme des Verfahrens. Der historische Gesetzgeber hat also für das außerstreitige Verfahren ganz bewußt keine Wiederaufnahme vorgesehen und dies durch die unveränderte Beibehaltung des § 17 AußStrG aufrecht erhalten.

Da die Vorinstanzen im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen haben, ist der Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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