European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00020.18M.0228.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Ob man den Rechtfertigungsgrund des § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB für erfüllt ansieht, ist hier eine Frage der Auslegung der Urteilsfeststellungen, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS-Justiz RS0118891). Nur wenn die Auslegung der erstrichterlichen Feststellungen durch die zweite Instanz eine unvertretbare Fehlbeurteilung darstellt, ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur zulässig (RIS-Justiz RS0118891 [T5]).
Im vorliegenden Fall ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Zweitbeklagte habe mit seinen Behauptungen im Schreiben Beilage ./F nicht wider besseres Wissen gehandelt, durchaus vertretbar. Die Kläger konnten im Verfahren nicht nachweisen (vgl RIS-Justiz RS0105665), dass es sich bei den Vorwürfen des Zweitbeklagten um offenkundig bereits widerlegte Verdachtsgründe handelte (RIS-Justiz RS0031957), zumal der Zweitbeklagte tatsächlich von Mängeln im Kontrollsystem ausging und er die inkriminierten Behauptungen in seinen Schreiben vollinhaltlich für richtig hält. Auch die Feststellung, wonach für den Zweitbeklagten kein begründeter Verdacht für die von ihm erhobenen Vorwürfe bestand, ist nicht entscheidend, weil für einen Anzeiger keine Verpflichtung besteht, Verdachtsgründe auf ihre Stichhältigkeit zu prüfen und das Für und Wider selbst abzuwägen (RIS-Justiz RS0031957). Vertrauliche Mitteilungen an Behörden oder sonst zuständigen Stellen, die nicht nur zu Verschwiegenheit, sondern auch zu einer gewissenhaften Nachprüfung der Angaben verpflichtet sind, sind selbst bei Unwahrheiten der Tatsachenmitteilungen nicht schlechthin vom Gesetz verpönt (RIS-Justiz RS0031927 [T4]).
2. Die Revision macht geltend, der Rechtfertigungsgrund nach § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB könne dem Zweitbeklagten schon deshalb nicht zugute kommen, weil die Eingabe (Beilage ./F) an eine unzuständige Behörde gegangen sei (vgl RIS-Justiz RS0107664; RS0031927).
Im vorliegenden Fall bestand jedoch insoweit eine Zuständigkeit des Bundesministeriums für (damals) Wirtschaft, Familie und Jugend, als es um die Akkreditierung der Prüfstellen ging. Die Beurteilung des Berufungsgerichts ist nicht korrekturbedürftig, dass der Zweitbeklagte mit seinem Schreiben zumindest auch die Verhinderung der Akkreditierung der Konkurrenz anstrebte. Dass das Wirtschaftsministerium selbst anschließend offenbar keine Maßnahmen ergriff und das Schreiben an das Gesundheitsministerium weiterleitete, bedeutet noch nicht zwangsläufig die Verneinung eines berechtigten Interesses.
3. Die Revision bekämpft schließlich die Auffassung des Berufungsgerichts, der Inhalt des E‑Mails (Beilage ./J) an das Patentamt sei nicht geeignet, den Tatbestand der Gefährdung des wirtschaftlichen Rufs der Kläger zu erfüllen.
Die Auslegung einer Äußerung ist stets anhand ihres Gesamteindrucks vorzunehmen; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht aber der subjektive Wille des Erklärenden ist maßgebend (RIS-Justiz RS0031883 [T1]). Wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, hängt so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS-Justiz RS0031883 [T28]).
Im vorliegenden Fall ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht korrekturbedürftig: Die Formulierung, die Texte auf den Gutscheinen seien selbsterklärend, hat zunächst überhaupt keinen näheren Bedeutungsinhalt; auch die Aussage, nicht ausgefüllte Gutscheine könnten mehrmals verwendet werden, ist neutral, weil damit – selbst unter Anschluss von drei Gutscheinen als „Beispiel“ – wohl noch nicht ausgedrückt wird, dass Derartiges hier tatsächlich in einem relevanten Ausmaß vorkommt. In diesem E-Mail wird überhaupt kein näher konkretisierter Vorwurf in Richtung der Erstklägerin erhoben. Was die in der Revision erwähnten weiteren zahlreichen Schreiben an das Patentamt betrifft, so hat das Erstgericht deren Inhalt nicht festgestellt, sodass daraus keine Rückschlüsse gezogen werden können.
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