Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Am 23. Jänner 2008 nahm der Beklagte als Schüler während des Musikunterrichts ein Tamburin an sich und führte in Gegenwart der Klägerin als Musiklehrerin einen einzelnen Trommelschlag aus. Bereits unmittelbar danach verspürte die Klägerin starke Ohrenschmerzen und litt unter einem plötzlich einsetzenden Hörverlust auf dem linken Ohr. Noch am selben Tag teilte sie dem Klassenvorstand des Beklagten mit, dass der Beklagte dafür verantwortlich sei, dass sie einen Hörsturz erlitten habe.
Am nächsten Tag suchte die Klägerin ihren Ohrenarzt auf. Auch diesem schilderte sie den durch den Trommelschlag des Beklagten erlittenen plötzlichen Hörverlust. Der Ohrenarzt erstellte ein Audiogramm und konnte einen Hochtonverlust auf dem linken Ohr der Klägerin feststellen. Durch eine 10-tägige Behandlung mit Infusionen besserte sich die Lärmschädigung am linken Ohr objektiv wieder.
Etwa zwei Wochen nach dem 23. Jänner 2008 klagte die Klägerin jedoch über einen aufgetretenen Tinnitus vor allem am linken Ohr, später auch am rechten Ohr. Weiters beklagte die Klägerin insbesondere bei hohen Lautstärken eine am ehesten als verzerrtes Hören zu beschreibende Symptomatik, ein Druckgefühl im Ohr, insbesondere links, und auch Ohrengeräusche. Da der Ohrenarzt trotz weiterführender Therapie keine Besserung feststellen konnte und die Symptomatik nicht einzuordnen war, überwies er die Klägerin zur Weiterbehandlung an eine Klinik. Dort wurde eine beidseitige, annähernd symmetrische, mittelgradige sensorineurale Schwerhörigkeit festgestellt. Eine wesentliche Lärmkomponente in der Entstehung wurde für unwahrscheinlich gehalten. Die Klägerin wurde mit Hörgeräten versorgt.
Da sich die Klägerin aufgrund ihrer Beschwerden nicht mehr in der Lage sah, als Musiklehrerin weiterzuarbeiten, beantragte sie am 8. Juli 2008 die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension. Auch in ihrer diesbezüglichen Antragstellung führte die Klägerin aus, dass sie - verursacht durch einen Schüler - am 23. Jänner 2008 während des Unterrichts ein Knalltrauma erlitten habe, infolge dessen einen großen Hörverlust und Tinnitus, verbunden mit Schmerzen. Die Pensionsversicherungsanstalt beauftragte daraufhin den HNO-Arzt Dr. G***** H***** mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser führte in seinem Gutachten vom September 2008 aus, dass die von der Klägerin angegebenen Hörstörungen seit einem akustischen Trauma im Jänner 2008 für ihn nicht objektivierbar und nicht nachvollziehbar seien. Der von der Klägerin jetzt angegebene Tinnitus sei möglich, könne jedoch nicht verifiziert werden. Er unterstellte der Klägerin eine Aggravationstendenz bezüglich des Hörvermögens und führte aus, die Glaubwürdigkeit der Angaben zum Tinnitus seien ebenso in Frage zu stellen. Er diagnostizierte eine leichtgradig bis mittelgradige sensorineurale Schwerhörigkeit.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 wurde der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension mangels Vorliegens von Berufsunfähigkeit iSd § 273 Abs 1 ASVG abgewiesen.
Am 9. Jänner 2009 brachte die Klägerin beim Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht eine Klage auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ein. Im Zuge dieses Verfahrens wurden drei HNO-Gutachten eingeholt. Der Sachverständige Dr. K***** N***** führte in seinem Gutachten vom 28. April 2009 aus, dass bei der Klägerin eine maximal mittelgradige sensorineurale Schwerhörigkeit mit glaubhaftem Tinnitus beidseits bestehe. Er führte weiter aus, dass das akustische Trauma durch das Anschlagen eines Tamburins in der Schule nicht so stark gewesen sein könne, dass daraus der geschilderte Leidenszustand resultiere.
Im Rahmen der mündlichen Erörterung seines Gutachtens in der Tagsatzung vom 9. Juni 2009 führte der Sachverständige Dr. K***** N***** aus, dass möglicherweise das Knalltrauma so gewesen sei, dass es eine Mischung aus Stress und Knall gewesen sei, der dann zum Hörsturz der Klägerin geführt habe, weshalb er eine psychiatrische Begutachtung in den Raum stellte.
Mit Schreiben vom 23. November 2009 bat der Klagsvertreter den Sachverständigen Prim. Univ.-Prof. Dr. K***** A***** um Erstellung eines Gutachtens zur Frage, ob der bei der Klägerin eingetretene Hörverlust mit dem Vorfall vom 23. Jänner 2008 in Verbindung zu bringen sei. Dieser kam in seinem Gutachten vom 11. Jänner 2010 zum Ergebnis, dass ein kausaler Zusammenhang der derzeit bestehenden Hörstörung mit dem Lärmtrauma vom 23. Jänner 2008 aufgrund der vorliegenden Befunde nicht wahrscheinlich sei.
Im Zuge des Verfahrens zur Erlangung der Invaliditätspension vor dem Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht wurde schließlich ein weiteres HNO-fachärztliches Gutachten bei Dozent Dr. E***** B***** in Auftrag gegeben. Am 19. Februar 2010 untersuchte dieser Sachverständige die Klägerin. Er äußerte gegenüber der Klägerin die Ansicht, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Vorfall vom 23. Jänner 2008 und den nach wie vor vorliegenden Beschwerden der Klägerin bestehe. Mit rechtskräftigem Urteil vom 30. November 2010 wies das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht das Klagebegehren auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab.
Mit Schreiben vom 1. März 2011 beauftragte der Klagsvertreter den Sachverständigen Univ. Doz. Dr. E***** B***** mit der Erstellung eines Privatgutachtens zur Frage, ob der bei der Klägerin eingetretene Hörverlust mit dem Vorfall vom 23. Jänner 2008 in Verbindung zu bringen sei. Mit seinem Gutachten vom 2. Mai 2011, beim Klagsvertreter eingelangt am 5. Mai 2011, bekräftigte dieser Sachverständige einen Kausalzusammenhang.
Mit der am 19. Dezember 2011 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 69.080,12 EUR sA (davon ua 25.000 EUR Schmerzengeld und 35.280,12 EUR Verdienstentgang) sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche aus dem Vorfall vom 23. Jänner 2008 resultierenden Folgen und Schäden. In Anbetracht der zuvor anderslautenden medizinischen Aussagen und der Komplexität des Leidens habe die Klägerin am 5. Mai 2011, am Tag der Zustellung des Gutachtens von Dr. B*****, erstmals Kenntnis von einem hinreichend abgesicherten Kausalzusammenhang des Vorfalls vom 23. Jänner 2008 mit den eingetretenen Beschwerden und Leidenszuständen erlangt. Die geltend gemachten Ansprüche seien daher nicht verjährt.
Der Beklagte wendete ein, der Klägerin sei seit dem Vorfallstag sowohl der Eintritt des Schadens als auch die Person des angeblichen Schädigers bekannt gewesen, weswegen die dreijährige Verjährungsfrist bereits mit 23. Jänner 2008 zu laufen begonnen habe. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB sei bei Klagseinbringung bereits abgelaufen gewesen.
Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Das Berufungsgericht führte aus, der der Prozessökonomie dienende Zweck des Verjährungsrechts verbiete es, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehung beginnen zu lassen; sei ein, wenn auch der Höhe nach noch nicht bezifferbarer Schaden einmal eingetreten, so seien damit alle Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben und sei dieser dem Grunde nach entstanden. Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden habe der Geschädigte daher dann, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden sei, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (RIS-Justiz RS0097976). Die Verjährung beginne bei der kürzeren Verjährungsfrist des § 1489 ABGB jedenfalls schon dann, wenn dem Berechtigten der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden erkennbar gewesen sei oder habe sein müssen, wenn also die objektive Möglichkeit zur Klagseinbringung gegeben gewesen sei (RIS-Justiz RS0034366). Die Klage müsse Aussicht auf Erfolg haben (RIS-Justiz RS0034366 [T5]). Eine solche Erfolgsaussicht bestehe bereits im Fall der Erhebung einer schlüssigen Klage, also einer Klage, bei der aus dem Sachvorbringen das Begehren abgeleitet werden könne. Der den Anspruch begründende Sachverhalt müsse dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage sei, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten. Über die Beweislage müsse der Geschädigte freilich nicht Kenntnis haben. Er könne also nicht so lange warten, bis er alle Beweismittel gesammelt habe, die sein Prozessrisiko auf ein Minimum reduzierten (RIS-Justiz RS0034524 [T6, T14 und T24]). Nur wenn der Geschädigte Laie sei und die Kenntnis dieser Umstände (hier des Kausalzusammenhangs) Sachwissen voraussetze, so beginne die Verjährungsfrist regelmäßig erst zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt habe (RIS-Justiz RS0034524 [T35]).
Die Klägerin habe aufgrund des Vorfalls am 23. Jänner 2008 einen „Primärschaden“ erlitten und einen Kausalzusammenhang zwischen dem Trommelschlag und ihren (auch späteren) Beschwerden selbst nie in Zweifel gezogen. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Trommelschlag und ihren Leiden sei ihr von Anfang an in einem für eine Klagsführung ausreichenden Maß bekannt gewesen. Das Problem der Klägerin habe darin bestanden, den Kausalzusammenhang in einem gerichtlichen Verfahren nachweisen zu müssen. Das damit verbundene Beweisrisiko sei jedoch ein jedem Verfahren immanentes Prozessrisiko. Dem gegen Ende der Verjährungsfrist erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. B***** komme daher nur die Qualität eines „Zufallsfundes“ im Hinblick auf die Beweisführung zu. Dieses Gutachten könne aber nicht dazu führen, dass die kurze Verjährungsfrist erst zu diesem späten Zeitpunkt zu laufen beginne. Der Primärschaden sei keinesfalls „banal“ gewesen. Eine Feststellungsklage wäre innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist möglich gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin ist unzulässig.
Das Berufungsgericht hat die einschlägige Rechtsprechung zur Frage des Beginns der schadenersatzrechtlichen Verjährungsfrist zutreffend wiedergegeben. Die Frage, wann eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann, ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wäre demnach nur bei krasser Fehlbeurteilung als erhebliche Rechtsfrage einzustufen (RIS-Justiz RS0034524 [T23, T32]). Eine solche ist dem Berufungsgericht jedenfalls nicht vorzuwerfen.
Die Klägerin sieht eine erhebliche Rechtsfrage darin, es existiere keine Rechtsprechung zur Frage des Einflusses eines Sachverständigengutachtens, das den Kausalzusammenhang ausschließe, auf den Beginn der Verjährungsfrist.
Diese Frage stellt sich hier insofern nicht, als die Klägerin während der Verjährungsfrist betreffend den Kausalzusammenhang die unterschiedlichsten Aussagen von Sachverständigen erhielt: „unwahrscheinlich“ (Klinik), kein Kausalzusammenhang (SV N*****), „nicht wahrscheinlich“ (SV A*****), „Kausalzusammenhang besteht“ (SV B*****).
Angesichts dieser Ergebnisse hätte die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist jedenfalls eine Feststellungsklage mit Aussicht auf Erfolg erheben können, wäre doch bei drei von den vier genannten Expertisen einer Feststellungsklage stattzugeben gewesen: Ein Feststellungsinteresse besteht nämlich nur dann nicht, wenn auszuschließen ist, dass mit weiteren kausalen Schäden zu rechnen ist (RIS-Justiz RS0038865 [T2]; RS0038976 [T20, T22, T23, T27, T28, T34]). Dass dabei ein (hier eher geringes) Prozessrisiko besteht, kann nach der schon vom Berufungsgericht zitierten Judikatur den Beginn der Verjährungsfrist nicht hinausschieben.
Der gerügte Verfahrensmangel wurde bereits vom Berufungsgericht verneint (RIS-Justiz RS0042963).
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