Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die beklagte Tourismus Gesellschaft mbH betreibt die Website www.l *****-z*****.at. Auf dieser Website ist ein „Gästebuch" eingerichtet, in dem Nutzer persönliche Beiträge und Kommentare direkt und online platzieren können. Im Gästebuch findet sich ein Hinweis der Beklagten darauf, dass die im Gästebuch dargestellten Meinungen nicht zwingend die Ansichten der Beklagten widerspiegeln und sie sich vorbehalte, Einträge, deren Inhalt vom Betreiber der Website als extrem bedenklich oder stark rufschädigend angesehen werden, ohne Kommentar zu löschen.
In diesem Gästebuch wurde am 26. 2. 2004 folgender Kommentar eines Nutzers mit dem Pseudonym „Chris C*****" veröffentlicht:
„Haus-M*****@nicht-betreten.at
!!!Warnung!!!
Vor: Jürgen E*****, Haus M*****!!!!
„Der schlechteste Wirt von Österreich"
- Unfreundlich, Teuer, Null Service, Null Bock
- Jürgen meldet seine Gäste nicht bei der Gemeinde an.
- Er betreibt in seinem Keller eine Bar ohne Konzession.
- Er schickt seine Leute zum Parken auf den S*****parkplatz, weil er keine Lust hat, Platz frei zu räumen.
- Er verbreitet Lügen über seinen Bruder Horst.
An alle Gäste: Dieses Haus unbedingt meiden.
An alle Lecher: Jagt diesen Mann mit Schimpf und Schande vom Berg. Der schädigt euren guten Ruf, genau wie den seines toten Bruders."
Trotzdem lieben wir L*****!!
Chris C*****"
Der Kläger übermittelte der Beklagten am 5. 3. 2004 um 9:21 Uhr ein Telefax, in dem er diese aufforderte, diesen Leserbrief binnen zwei Stunden nach Erhalt der Faxmitteilung aus dem Gästebuch ihrer Website zu entfernen. Daraufhin löschte die Beklagte unverzüglich die inkriminierte Textpassage des Nutzers Chris C***** aus der Website. Es kann nicht festgestellt werden, dass auf der Website der Beklagten zunächst noch die Zeichenfolge „Haus-M*****@nicht-betreten.at" sichtbar war.
Am selben Tag übersandte der Rechtsvertreter des Klägers eine weitere Faxmitteilung an die Beklagte, in der diese aufgefordert wurde, die Passage „Haus-M*****@nicht-betreten.at" und „Beitrag: Warnung vor Haus M*****" zu entfernen.
Nachfolgende Eintragung löschte die Beklagte nicht aus der Website:
„2004-03-05/Jürgen G*****
G*****@gmx
Beitrag: Warnung vor Haus M*****.
Hallo Gebi,
Ich muss euch loben, dass bei dem Beitrag vom Chris nicht die Zensur
gegriffen hat.
Vor allem, weil ich weiß, dass er 100 pro der Wahrheit entspricht.
Weiter so.
Grüße Jürgen"
Dieser Eintrag sowie sämtliche weiteren auf den Kommentar des Nutzers Chris C***** Bezug nehmenden Einträge, die keine inkriminierenden Äußerungen mehr enthielten, wurden von der Beklagten spätestens am 18. 3. 2004 um 17:40 Uhr gelöscht.
Mit seiner am 11. 3. 2004 eingebrachten Klage begehrt der Kläger, die Beklagte sei schuldig, auf ihrer Website und insbesondere im Gästebuch dieser Website die Veröffentlichung bzw Zulassung von Äußerungen des Inhalts der E-Mail des Nutzers Chris C***** vom 26. 2. 2004 sowie ähnlicher Äußerungen zu unterlassen. Zugleich stellte er ein dem Unterlassungsbegehren entsprechendes Sicherungsbegehren. Die im Gästebuch der Beklagten veröffentlichten Äußerungen des Nutzers Chris C***** vom 26. 2. 2004 über den Kläger seien tatbestandsmäßig iSd § 1330 Abs 1 und 2 ABGB. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass ehrenrührige und verleumderische Beiträge nicht ins Gästebuch gelangen, nicht nachgekommen. Sie habe auch über entsprechende Aufforderungen des Klägers die ehrenrührigen und rufschädigenden Textpassagen nicht zur Gänze gelöscht. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich schon aus der Tatsache, dass nicht alle Bezug habenden Gästebucheintragungen gelöscht worden seien. Es bestehe Grund zur Besorgnis, dass die Beklagte ihr rechtswidriges Verhalten fortsetze bzw weitere derartige Einträge im Gästebuch veröffentliche.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Beim Gästebuch auf ihrer Website handle es sich um ein freies Medium, in dem jeder Nutzer seine persönliche Meinung über Geschehnisse, Erlebtes ... wiedergeben könne. Darauf weise die Beklagte auf ihrer Website ausdrücklich hin. Im Gästebuch habe der Nutzer Chris C***** seine persönliche Meinung über den Kläger bzw dessen Pension wiedergegeben. Dafür sei die Beklagte nicht verantwortlich. Sie habe den „elektronischen Leserbrief" dieses Nutzers vom 26. 2. 2004 nicht veröffentlicht und unverzüglich nach der Aufforderung des Klägers den Leserbrief aus dem Gästebuch entfernt. Sie habe nicht dafür zu sorgen, dass bestimmte Beiträge gar nicht ins Gästebuch gelangten. Dies käme einer Zensur gleich. Sie sei auch nicht verpflichtet, täglich das Gästebuch zu überprüfen und inkriminierende Texte sofort zu löschen. Sie werde künftig ohne Bestehen einer diesbezüglichen Rechtspflicht allfällige weitere Beiträge des Nutzers Chris C***** löschen. Schon aus diesem Grund bestehe keinerlei Wiederholungsgefahr.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Der Medieninhaber bzw Betreiber einer Website sei grundsätzlich für die auf der Website veröffentlichten Diskussionsbeiträge oder Kommentare von Nutzern verantwortlich. Er oder seine Mitarbeiter müssten dafür Sorge tragen, dass ehrenrührige Äußerungen, die im Medium veröffentlicht worden seien, ehestmöglich entfernt werden. Eine allgemeingültige Frist zur Löschung eines Beitrags sei in der Rechtsprechung nicht vorgegeben worden. Vielmehr komme es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei die zugestandene Reaktionszeit auch zur Schnelligkeit des Mediums ins Verhältnis zu setzen sei. Die Beklagte habe die inkriminierten Äußerungen über Aufforderung des Klägers umgehend gelöscht. Auch sämtliche Kommentare, die ohnedies keine inkriminierenden Äußerungen mehr enthalten hätten, seien von der Website entfernt worden. Dem Kläger drohe daher kein unwiederbringlicher Schaden mehr. Ihm sei es auch nicht gelungen zu beweisen, dass Wiederholungsgefahr vorliege. Weder die E-Mailadresse „Haus-M*****@nicht-betreten.at" noch der Textteil „Beitrag: Warnung vor Haus M*****" seien tatbildlich iSd § 1330 ABGB.
Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 4.000, nicht aber EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei den verfahrensgegenständlichen Äußerungen handle es sich um eine Rufschädigung, die gleichzeitig eine Ehrenbeleidigung iSd § 1330 Abs 1 ABGB sei. Durch die Zurverfügungstellung ihrer Website für Gästebucheintragungen habe die Beklagte die beanstandeten Äußerungen iSd § 1330 ABGB verbreitet. Auch wenn sie keinen Einfluss auf den Inhalt der in das Gästebuch platzierten Kommentare habe, könne sie sich nicht erfolgreich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen. Es treffe die Beklagte, die dieses Forum anbiete, eine Prüfpflicht im Sinn einer regelmäßigen Beobachtung der Foren und Löschung inkriminierender Textstellen. Dieser von der Beklagten verneinten Beobachtungs- und Prüfpflicht habe sie nicht entsprochen, weil der beanstandete Kommentar am 26. 2. 2004 veröffentlicht und erst am 5. 3. 2004 über Aufforderung des Klägers gelöscht worden sei. Seien Tatsachenbehauptungen ehrenbeleidigend iSd § 1330 ABGB, sei eine Gefahrenbescheinigung nicht erforderlich. Es stehe aber dem Beklagten offen, die schon aufgrund seiner Äußerung entstandene Vermutung, er werde sie auch wiederholen, zu entkräften. Der Beklagte müsse nachweisen, dass er ernstlich gewillt sei, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen. Allein die Tatsache, dass die Beklagte die Äußerung gelöscht habe, führe nicht zu einem Wegfall der Wiederholungsgefahr, zumal die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren den Standpunkt eingenommen habe, zur Prüfung der im Gästebuch veröffentlichten Kommentare nicht verpflichtet zu sein. Daher lägen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, die Beklagte werde in Hinkunft ernstlich durch Prüfung und Beobachtung ihrer Homepage dafür Sorge tragen, dass den Kläger beleidigende Einschaltungen gelöscht werden.
Da Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob der Betreiber einer Homepage, der ein Forum zur Eintragung von Kommentaren zur Verfügung stelle, auf deren Inhalt er keinen Einfluss habe, eine einen Rechtfertigungsgrund ausschließende Prüf- und Beobachtungspflicht treffe, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt. Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, sie habe vorgebracht, dass sie auf ihrer Website darauf hinweise, das Gästebuch sei ein freies Medium, in dem jeder Nutzer seine persönliche Meinung wiedergeben könne; weiters habe sie vorgebracht, dass sie künftig weitere, den Kläger inkriminierende Beiträge löschen werde. Wären diese Feststellungen getroffen worden, so wäre eine Prüf- und Beobachtungspflicht und das Vorliegen der Wiederholungsgefahr zu verneinen gewesen. Wenn ein Betreiber einer Website auf den Inhalt der in das Gästebuch eingetragenen Kommentare keinen Einfluss habe und auf diesen Umstand ausdrücklich hinweise, könne er sich auf einen Rechtfertigungsgrund berufen. In diesem Fall sei der Betreiber nicht verpflichtet, das Forum regelmäßig zu beobachten und inkriminierende Textstellen zu löschen. Erst wenn er auf eine Verletzung fremder Rechte hingewiesen werde, müsse er handeln. Dieser Pflicht sei die Beklagte unverzüglich nachgekommen. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr, habe die Beklagte doch nachgewiesen, von künftigen Störungen Abstand nehmen zu wollen.
Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte ermöglicht es einem Internet-Nutzer, von ihm eingegebene Informationen im Online-Gästebuch auf ihrer Website zu speichern. Sie ist in diesem Zusammenhang als Host-Provider im Sinn des § 16 E-Commerce-Gesetz (ECG) anzusehen (s ErläutRV 817 BlgNR 21. GP zu § 16 ECG, abgedruckt bei Brenn [Hrsg], ECG 279 ff; Venier/Ebensperger in Brenn, ECG 281 f; ob die Beklagte diesen Dienst unentgeltlich oder entgeltlich bereitstellt, ist unerheblich [§ 19 Abs 2 ECG]). Wenn der Nutzer dem Host-Provider nicht untersteht oder von ihm nicht beaufsichtigt wird (§ 16 Abs 2 ECG), ist der Provider für die im Auftrag des Nutzers gespeicherten Informationen nicht verantwortlich, sofern er
- von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, oder,
- sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erhalten hat, unverzüglich tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren (§ 16 Abs 1 Z 1 und 2 ECG). Diese Regelung berührt nicht die Frage der Rechtswidrigkeit der Tätigkeit des Host-Providers. Diese bestimmt sich ausschließlich nach den jeweiligen materiellrechtlichen Bestimmungen, etwa nach ABGB, UWG oder UrhG (6 Ob 190/03i; 4 Ob 66/04s).
§ 18 Abs 1 ECG bestimmt, dass unter anderen Host-Provider nicht verpflichtet sind, die von ihnen gespeicherten, übermittelten oder zugänglich gemachten Informationen allgemein zu überwachen oder von sich aus nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Tätigkeiten hinweisen. Nach § 18 Abs 4 ECG haben Host-Provider den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes, mit dem sie Vereinbarungen über die Speicherung von Informationen abgeschlossen haben, auf Verlangen dritten Personen zu übermitteln, sondern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet. Die §§ 13 bis 18 ECG lassen gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Gericht oder eine Behörde dem Dienstanbieter die Unterlassung, Beseitigung oder Verhinderung einer Rechtsverletzung auftragen kann, unberührt (§ 19 Abs 1 ECG). Nach der, von der Rechtsmittelwerberin nicht in Frage gestellten Rechtsprechung des erkennenden Senats ist aus § 19 Abs 1 ECG abzuleiten, dass das Haftungsprivileg nach § 16 Abs 1 ECG lediglich eine allfällige Schadenersatzhaftung und die strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließt und nicht für verschuldensunabhängige zivilrechtliche Unterlassungsansprüche - etwa nach § 1330 ABGB - gilt (6 Ob 190/03i; 6 Ob 274/03t; in diesem Sinn auch ErläutRV 817 BlgNR
21. GP zu § 19 ECG, abgedruckt bei Brenn [Hrsg], 304 f; Zankl, ECG § 19 Rz 296; ders, ecolex 2004, 361; Burgstaller/Minichmayr, ECG 142; Brenn, ECG 284, 307; aA Schanda, ecolex 2001, 920 f; Kresbach, E-Commerce 56).
Der Kläger stützt sein Unterlassungsbegehren auf § 1330 Abs 1 und 2 ABGB, was nach ständiger jüngerer Rechtsprechung zulässig ist (SZ 69/12 ua). Es ist nicht strittig, dass die beanstandeten Äußerungen rufschädigende Tatsachenbehauptungen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB sind, die gleichzeitig auch Ehrenbeleidigungen nach § 1330 Abs 1 ABGB sind. Durch die Äußerungen werden demnach Rechtsgüter des Klägers verletzt.
„Verbreiten" einer Tatsache (§ 1330 Abs 2 ABGB) bedeutet das Mitteilen einer Tatsache, und zwar sowohl das Äußern der eigenen Überzeugung als auch das Weitergeben der Behauptung eines Dritten, ohne sich mit dessen Äußerung zu identifizieren (6 Ob 197/99k; RIS-Justiz RS0064443, RS0031781). Eine geistige Beziehung des Verbreiters zum wiedergegebenen Gedankeninhalt („intellektueller Verbreiter") ist nicht erforderlich; es genügt das „technische Verbreiten" (SZ 72/144 mwN). Technischer Verbreiter ist derjenige, der zur Äußerung keine individuelle geistige Beziehung hat (SZ 2002/178; 6 Ob 51/01w ua). Auch Medieninhaber haften für die in ihren Medien veröffentlichten Behauptungen Dritter (SZ 62/20; SZ 68/136), sei es, dass die beanstandete Äußerung Teil eines redaktionellen Artikels, eines Interviews (SZ 68/136) oder eines Leserbriefs (SZ 62/20) ist (4 Ob 213/99y mwN). Täter ist in diesem Zusammenhang jeder Verbreiter der (rufschädigenden oder ehrenbeleidigenden) Tatsachenbehauptung (SZ 69/113; 4 Ob 213/99y; SZ 72/144). Der erkennende Senat führte bereits aus, dass die Aufnahme von Tatsachen in eine „Homepage" (womit eine „Website" [= Webpräsenz] auch bezeichnet wird [4 Ob 226/05x]) eine Verbreitung darstellt (6 Ob 307/00s = MR 2001, 161 [Thiele]; RIS-Justiz RS0114804). Grundsätzlich kann daher derjenige, der ein Online-Gästebuch im Internet betreibt, als Verbreiter auf Unterlassung rechtswidriger Inhalte in Anspruch genommen werden. Für die Ausstrahlung rufschädigender oder ehrverletzender Äußerungen in Radio- oder Fernsehsendungen sprach der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 64/36 (s auch SZ 72/144) aus, dass sich die Rundfunkanstalt Äußerungen von Diskussionsteilnehmern in einer Live-Sendung, die unwahre Tatsachenbehauptungen darstellen, nicht zurechnen lassen muss, wenn diese Behauptungen im Rahmen eines „Meinungsforums" geäußert und im Wesentlichen kommentarlos wiedergegeben wurden und sie nur als „Markt" verschiedener Ansichten und Richtungen in Erscheinung getreten ist. Dadurch, dass das Fernsehen Äußerungen Dritter ausstrahlt, ohne sich von diesen zu distanzieren, identifiziert es sich noch nicht mit solchen Äußerungen. In diesem Fall wird also das bloß technische Verbreiten nicht zugerechnet. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Verbreiterhaftung in diesen Fällen ist, ob sich die Rundfunkanstalt die Äußerungen Dritter erkennbar zur eigenen Sicht der Dinge machte. Ferner erkannte der Oberste Gerichtshof - im Anschluss an diese Rechtsprechung - dem Buchhändler als bloß technischem Verbreiter einen sich aus der anzustellenden umfassenden Interessenabwägung ergebenden Rechtfertigungsgrund zu (SZ 72/144; 3 Ob 215/02t). Der Buchhändler stelle einen mit einem Medium, wenn es nur Diskussions- und Meinungsforum sei, vergleichbaren „Markt" der verschiedensten, in den Büchern veröffentlichten Meinungen und Tatsachenbehauptungen Dritter dar. Er sei als Unternehmer bestrebt, eine breite Palette an Büchern auf dem Markt den Kaufinteressenten anzubieten. Die Öffentlichkeit wisse auch, dass es dem Buchhändler regelmäßig verwehrt sei, auf den Inhalt des Buches Einfluss zu nehmen, und dass es ihm nicht darauf ankomme, die in einem bestimmten Buch vertretenen Ansichten zu seiner eigenen Sicht der Dinge zu machen. Um die im Interesse der Öffentlichkeit liegende Tätigkeit des Buchhändlers nicht über Gebühr zu erschweren und den Buchhändler auch nicht in einer unzumutbaren Weise mit einer Zensur der von ihm vertriebenen Bücher zu überfordern, obliege ihm grundsätzlich keine Prüfungspflicht in Ansehung der von ihm vertriebenen Bücher. Der Buchhändler sei nur bei Kennen oder Kennenmüssen der Unwahrheit von kreditschädigenden Tatsachen, die in den von ihm vertriebenen Büchern enthalten sind, zur Unterlassung verpflichtet. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens bestehe im Bereich des „Kennenmüssens" darin, dass die Unrichtigkeit der Tatsachenbehauptung bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt erkennbar ist und die Tatsachen dennoch verbreitet werden. In der Entscheidung 6 Ob 274/03t sprach der erkennende Senat aus, dass diese Erwägungen ohne weiteres auf den Betreiber eines Online-Archivs, der keine „eigenen" Beiträge ins Archiv stellt, übertragbar sind. Er hob hervor, dass es dem Betreiber zumeist (im wirtschaftlichen Sinn) unmöglich sein wird, die Fülle der in einem elektronischen Archiv gespeicherten Informationen auf allfällige Gesetzesverstöße zu prüfen. Ohne Hinweis des Verletzten auf einen Eingriff in seine Rechte oder dessen Aufforderung zur Entfernung könne eine Prüfpflicht des Betreibers nicht gefordert werden. Gemäß § 6 Abs 2 Z 3a MedienG idF MedienG-Novelle 2005 besteht ein Anspruch auf Entschädigung nach Abs 1 der Gesetzesstelle nicht, wenn im Fall einer üblen Nachrede es sich um die Abrufbarkeit auf einer Website handelt, ohne dass der Medieninhaber oder einer seiner Mitarbeiter oder Beauftragten die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Die Materialien (ErläutRV 784 BlgNR 22. GP 8 ff) weisen in diesem Zusammenhang auf Parallelen zwischen Veröffentlichungen im Internet und Live-Sendungen im Rundfunk hin, in denen ebenfalls bestimmte Äußerungen Dritter im Weg einer nicht beeinflussbaren Echtzeitkommunikation veröffentlicht werden, für die die Haftungsbefreiung nach § 6 Abs 2 Z 3 MedienG in Anspruch genommen werden kann. Online-Diskussionsforen, Online-Gästebücher oder Online-Leserbriefe, die von Nutzern in das Netz gestellt und von anderen Mitnutzern abgerufen werden können, sind typische von diesem neuen Ausschlussgrund erfasste Fälle, der voraussetzt, dass der Belangte Medieninhaber der fraglichen Website und daher für die inhaltliche Gestaltung verantwortlich ist (Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz Praxiskommentar² [2005] § 6 Rz 40, 41 und 44; ErläutRV 784 BlgNR 22. GP 8, 10).
Im Hinblick auf diese vom Gesetzgeber gezogene Parallele ist es angezeigt, sich bei der Beantwortung der Frage des Bestehens eines auf § 1330 ABGB gestützten Unterlassungsanspruchs gegen den Betreiber eines Online-Gästebuchs als Verbreiter der darin eingestellten Beiträge Dritter mit rechtsverletzendem Inhalt an der Entscheidung SZ 64/36 und der Vorjudikatur zum Buchhändler und Betreiber eines Online-Archivs zu orientieren und dabei die Besonderheiten einer Veröffentlichung im Internet zu beachten.
Auch der Unterlassungsanspruch nach § 1330 ABGB setzt die Rechtswidrigkeit der begangenen oder drohenden Eingriffshandlung voraus (SZ 72/144 mwN ua). Zwar ist der Angriff auf die Ehre und den wirtschaftlichen Ruf einer Person schon ein Indiz für die Rechtswidrigkeit, doch kann diese im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn eine umfassende Interessenabwägung zur Beurteilung des Verhaltens als rechtmäßig führt (SZ 72/144 mwN). Dem Interesse am gefährdeten Gut müssen stets auch die Interessen des Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden (SZ 72/144; SZ 73/198 je mwN). Dabei kommt es auf die Art des eingeschränkten Rechtes, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck und den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses an (SZ 72/144; SZ 73/198; SZ 74/117 je mwN).
Dabei ist im vorliegenden Fall zunächst zu beachten, dass das Betreiben eines Online-Gästebuchs zu kommunikativen Zwecken unter dem Schutz der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Meinungsäußerung (Art 10 EMRK; Art 13 StGG) steht und die Existenz eines solchen kommunikationsbezogenen Dienstes bei Überspannung der Überwachungspflichten in Frage gestellt wäre. Andererseits sind die absoluten Rechte der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes der Betroffenen zu berücksichtigen, deren Verletzung durch die Einrichtung eines Online-Gästebuchs erst ermöglicht wurde. Es liegt für jeden Leser des Online-Gästebuchs auf der Hand, dass es sich bei den Eintragungen, die ganz unterschiedliche Meinungen widerspiegeln können, nicht um die Wiedergabe der Meinung des Betreibers handelt, sodass es einer Distanzierung nicht bedarf. In Anlehnung an die Grundsätze der Entscheidung SZ 64/36 gilt für ein Online-Gästebuch, bei dessen Nutzung nicht der Eindruck erweckt wird, der Beitrag gebe die Meinung des Betreibers wieder, dass dem Betreiber im Regelfall Rechtsverletzungen durch Nutzer nicht zuzurechnen sind, wenn er diese durch sein eigenes Verhalten nicht provozierte (s Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz Praxiskommentar² [2005] § 6 Rz 43). Eine allgemeine Verpflichtung zu einer Kontrolle des Vorgangs des Einstellens der Beiträge verstieße gegen § 18 Abs 1 ECG und schränkte die Möglichkeiten des freien Meinungsaustausches über Gebühr ein. Eine Identifizierung der Beklagten mit den beanstandeten Äußerungen des Nutzer Chris C***** ist den Feststellungen nicht zu entnehmen; auch nicht, dass sie sich die Äußerungen zur eigenen Sicht der Dinge machte oder diese provoziert hätte.
Dies bedeutet aber nicht, dass der Betreiber des Online-Gästebuchs nicht verpflichtet ist, den Inhalt des Gästebuchs zu überwachen und Beiträge zu löschen, wenn diese Rechte Dritter offensichtlich verletzen; im Unterschied zu einer Ausstrahlung einer Live-Sendung im Rundfunk bleiben nämlich im Internet dort einmal zugänglich gemachte Beiträge weiterhin zugänglich (ErläutRV 784 BlgNR 22. GP 9). Aus § 16 Abs 1 Z 2 ECG ergibt sich, dass den Betreiber die Verpflichtung trifft, bei Bekanntwerden (offensichtlich) rechtswidriger Inhalte die entsprechenden Beiträge zu entfernen (in diesem Sinn auch ErläutRV 784 BlgNR 22. GP 9 unter Betonung, dass die in § 6 Abs 2 Z 3a MedienG angesprochene „gebotene Sorgfalt" jedenfalls durch die Freistellungen des ECG begrenzt wird; Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz Praxiskommentar² [2005] § 6 Rz 43). In diesem Fall kann der Betreiber auch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (vgl 4 Ob 66/04s). Die Beklagte kam dieser Verpflichtung insofern nach, als sie unmittelbar nach der Mitteilung der Rechtsverletzung und Aufforderung zur Löschung unverzüglich den beanstandeten Beitrag des Nutzers Chris C***** entfernte.
§ 18 Abs 1 ECG schließt nicht aus, bei einem entsprechenden Anlass eine besondere Prüfungspflicht des Betreibers des Online-Gästebuchs anzunehmen. Eine derartige Pflicht ist - wägt man die widerstreitenden Rechte der Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und auf Ehre und wirtschaftlichen Ruf andererseits ab - angemessen, wenn dem Betreiber schon mindestens eine Rechtsverletzung durch einen Beitrag bekannt gegeben wurde und sich damit die Gefahr weiterer Rechtsverletzungen durch einzelne Nutzer konkretisiert. Sie ist im vorliegenden Fall zu bejahen:
Nach dem Bekanntwerden der Rechtsverletzungen war die Beklagte verpflichtet, die Beiträge im Online-Gästebuch laufend zu beobachten, ob sie erneute Äußerungen der beanstandeten Art, die für den betroffenen Kläger eine besonders einschneidende Wirkung haben konnten, enthielten. Es ist nämlich davon auszugehen, dass der Autor der beanstandeten Äußerungen für den Kläger nicht identifizierbar und erreichbar war, sodass er nicht durch eine gegen diesen gerichtete Unterlassungsklage Schutz vor künftigen Verletzungshandlungen erreichen konnte, trat doch der Nutzer unter einem Pseudonym auf. Es war auch mit weiteren Rechtsverletzungen zu rechnen, lud doch der Beitrag von Chris C***** auf Grund der massiven Angriffe gegen den Kläger zu Stellungnahmen anderer Nutzer ein. Eine derartige Kontrolle auf bestimmte Rechtsverletzungen hin wird mit wesentlich geringerem Aufwand möglich sein als die Durchführung einer allgemeinen Überwachungspflicht und ist im vorliegenden Fall jedenfalls zumutbar, drohte doch eine erhebliche Rechtsverletzung. Für die Beklagte war es nach dem Bekanntwerden offensichtlich, dass der Kläger bei erneuten Äußerungen der beanstandeten Art oder bei einer Bestätigung des Inhalts der Äußerung durch andere Nutzer wirtschaftlich schwer geschädigt werden konnte. Dass die Beklagte in der Lage war, alle auf den beanstandeten Beitrag bezugnehmenden Einträge zu löschen, zeigt, dass eine Durchsicht ohne größeren Aufwand möglich war. Die Beklagte behauptete denn auch nicht, dass Anzahl und Umfang der Eintragungen im Online-Gästebuch eine Durchführung der Überwachung mit vertretbaren Mitteln nur schwer zugelassen hätten. Dazu kommt, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Tätigkeit nach Sinn und Zweck des von ihr eingerichteten Online-Gästebuchs Interesse an der Kenntnis der Eintragungen hat. Diese besondere Kontrollpflicht hat die Beklagte dadurch verletzt, dass sie das Posting des Nutzers Jürgen G*****, der die Äußerungen Chris C***** als wahr bestätigte, trotz Aufforderung vom 5. 3. 2004 nicht unverzüglich - es verging zumindest eine Woche - entfernte.
Da die Beklagte die ihr obliegende Kontrollpflicht verletzte, besteht bei gegebener Wiederholungsgefahr der Unterlassungsanspruch zu Recht. Dass diese Gefahr besteht, hat das Rekursgericht zutreffend ausgeführt.
Der Ausspruch über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 Satz 1 EO, derjenige über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 Satz 3 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, 52 ZPO.
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