Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der erstinstanzliche Beschluss ersatzlos behoben wird.
Text
Begründung
Das Erstgericht verhängte über den Geschäftsführer der Gesellschaft mbH wegen Verletzung der Offenlegungsvorschriften nach den §§ 277 ff HGB ohne vorherige Aufforderung und Androhung eines Zwangsmittels eine Zwangsstrafe von 5.000 S und forderte den Geschäftsführer auf, den Jahresabschluss zum 31. 12. 1998 binnen zwei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses vorzulegen, widrigenfalls eine weitere Zwangsstrafe von 7.000 S verhängt werde.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Geschäftsführers nicht Folge. Es verneinte unter Hinweis auf ein obiter dictum in der Entscheidung 6 Ob 213/99p eine Verpflichtung des Firmenbuchgerichtes, vor der Verhängung einer Zwangsstrafe den Geschäftsführer zu einer Vorlage des Jahresabschlusses aufzufordern und eine Zwangsstrafe anzudrohen. Aus dem repressiven Charakter der Zwangsstrafe sei abzuleiten, dass das Organ der Kapitalgesellschaft verpflichtet sei, dem Firmenbuchgericht die Unmöglichkeit der Erfüllung der Offenlegungspflicht innerhalb der Neunmonatsfrist des § 277 Abs 1 HGB mitzuteilen.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Rekursgericht zugelassene Revisionsrekurs des Geschäftsführers der Gesellschaft, der die ersatzlose Behebung der verhängten Zwangsstrafe beantragt, ist zulässig und berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber ficht die von der Rechtspflegerin des Erstgerichtes verhängte Zwangsstrafe als nichtig an, weil Zwangsstrafen über 2.000 S nur vom Richter verhängt werden dürften. Der erkennende Senat befasste sich mit dieser Frage erst jüngst (6 Ob 100/00z) und gelangte zusammenfassend zu folgendem Ergebnis:
Ungeachtet einer fehlenden Änderung des § 16 Abs 1 Z 6 RpflG mit Art XVIII des BGBl 1991/10 fällt die Verhängung von Zwangsstrafen nach § 24 FBG iVm § 283 HGB auch dann in die Kompetenz des Rechtspflegers, wenn die Zwangsstrafe 2.000 S übersteigt. Die gerügte Nichtigkeit liegt deshalb nicht vor.
Mit dem zweiten Teil der Revisionsrekursausführungen wird der repressive Charakter der im § 283 Abs 1 HGB vorgesehenen Zwangsstrafen in Zweifel gezogen und das Abgehen des Erstgerichtes von seiner bisherigen, der Übung anderer Firmenbuchgerichte entsprechenden, Praxis gerügt, dass der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft vor der Verhängung einer Zwangsstrafe erst aufgefordert werde, die Offenlegung vorzunehmen und dass ihm, für den Fall der Nichtoffenlegung die Verhängung einer Zwangsstrafe angedroht werde. Das Rekursgericht hat dieses Abgehen mit einer nur obiter in der Entscheidung 6 Ob 213/99p gegebenen Begründung gebilligt. Dort wurde aber nur ausgesprochen, dass eine der Zwangsstrafenverhängung vorangehende Aufforderung "im Gesetz gar nicht vorgesehen ist, sodass den Offenlegungspflichten auch unaufgefordert zu entsprechen gewesen wäre". Der Vorentscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass vom Firmenbuchgericht ohnehin eine Aufforderung zur Einreichung vor der Verhängung der Zwangsstrafe ergangen war. Dass auch ohne eine Aufforderung dem gesetzlichen Auftrag zur Offenlegung zu entsprechen ist, die Aufforderung nach Säumnis also nicht erst die Verpflichtung zur Offenlegung auslöst, ergibt sich geradezu zwangsläufig aus dem Gesetz. Dies wird vom Rechtsmittelwerber auch nicht in Frage gestellt. Damit ist aber noch nicht gesagt, ob nicht aus dem Charakter der Zwangsstrafe abzuleiten ist, dass vor ihrer Verhängung eine Aufforderung des Firmenbuchgerichtes zu erfolgen habe, auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
Der erkennende Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die wegen einer Verletzung der Offenlegungspflicht auszusprechende Zwangsstrafe auch repressiven Charakter hat (6 Ob 215/99g). In der Begründung der zitierten Entscheidung wurde auf die vom 3. Senat des Obersten Gerichtshofes in Exekutionssachen vertretene Ansicht verwiesen, dass die nach den §§ 354 f EO verhängten Strafen Strafcharakter hätten (SZ 68/83; 3 Ob 92/98w). Tatsächlich vertritt der 3. Senat diese Auffassung aber nur für die Unterlassungsexekution nach § 355 EO und qualifiziert die zur Erzwingung unvertretbarer Handlungen ausgesprochenen Strafen als reine Beugemittel (SZ 68/83). Der erkennende Senat kann sich daher mit seiner Auffassung, dass die zur Erzwingung der Offenlegungspflicht - also die Erzwingung unvertretbarer Handlungen der Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH - ausgesprochenen Zwangsstrafen auch repressiv seien, nicht auf die zu § 354 EO ergangene Judikatur des 3. Senates stützen. Damit ist aber noch nicht die weitere Begründung für den Strafcharakter weggefallen, dass die Strafdrohung keinerlei psychologischen Druck auszuüben vermöchte, wenn sich die Geschäftsführer darauf verlassen könnten, dass die verhängten Geldstrafen nachzusehen sind, wenn das Versäumte nachgeholt wird. Damit wäre jedenfalls eine Verzögerung der Offenlegung ohne jeden Nachteil für die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer möglich. Eine nähere Befassung mit diesem Thema ist aber entbehrlich, weil die Offenlegung hier (auf der Basis des maßgeblichen Zeitpunkts der Entscheidung erster Instanz) noch nicht erfolgte und jedenfalls feststeht, dass die gemäß § 283 HGB verhängte Zwangsstrafe primär Beugecharakter zur Erzwingung einer unvertretbaren Handlung hat. Vor der Novellierung des § 283 HGB durch das EU-GesRÄG BGBl 1996/304 konnten Zwangsstrafen nur über Antrag verhängt werden, über den "Umweg" des seit dem 1. 1. 1991 in Kraft stehenden § 24 FBG aber auch von Amts wegen.
Nach § 24 FBG ist ein Anmeldungspflichtiger vom Gericht durch Zwangsstrafen anzuhalten, seine Verpflichtung zu erfüllen oder darzutun, dass die Verpflichtung nicht besteht. Aus diesem Recht, etwa die Unmöglichkeit der Erfüllung der Anmeldungspflicht darzutun, ist abzuleiten, dass das Firmenbuchgericht den Verpflichteten zunächst unter Fristsetzung und Androhung einer Zwangsstrafe zur Erfüllung der Anmeldungspflicht oder zur Bekanntgabe entgegenstehender Hindernisse aufzufordern hat (6 Ob 15/91 = EvBl 1992/70; Eiselsberg/Schenk/Weißmann, FBG, Anm 2 zu § 24). Die Materialien zu § 24 FBG (abgedruckt bei Danzl, Das neue Firmenbuch 82) stützen diese Ansicht. Der Betroffene soll mittels stufenweisen Vorgehens zur Erfüllung seiner Verpflichtung angehalten werden. Die Steigerung des Zwanges zur Erreichung des Zieles ist Ausdruck des Beugecharakters der Zwangsstrafe. Aus diesem ergibt sich schon für den ersten Schritt, also die erste Stufe des Vorgehens, dass noch keine Strafe zu verhängen, sondern diese zunächst nur anzudrohen ist. Das gebotene stufenweise Vorgehen (vgl dazu Zehetner in ecolex 1998, 482 ff, 483) ist Ausfluss des Prinzipes des gelindesten Mittels und entspricht auch der Verfahrensökonomie. Es ist nicht sinnvoll, über den Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH schon vor der Androhung einer Zwangsstrafe eine solche zu verhängen, die der Geschäftsführer mit zulässigen Neuerungen (§ 10 AußStrG) mit Rekurs bekämpfen (nur dem Strafbeschluss nachfolgende Ereignisse unterlägen dem Neuerungsverbot) und ihre Aufhebung zur Verfahrensergänzung erreichen könnte, was zu einer nicht wünschenswerten Verfahrensverzögerung führte. An dieser Beurteilung vermag auch die Bejahung eines zum Beugecharakter hinzutretenden repressiven Charakters der Zwangsstrafe nichts zu ändern. Schon das Recht auf Gehör spricht für die bisher von den meisten Firmenbuchgerichten geübte Praxis. Zwar könnte eine sofort ausgesprochene Zwangsstrafe einer Strafverfügung und der gegen den Strafbeschluss erhobene Rekurs einem Einspruch gleichgehalten werden. Eine Analogie zu den Rechtsinstituten des Strafrechtes wäre aber nur bei einer planwidrigen Gesetzeslücke und völlig vergleichbaren Sachverhalten (hier zu den nur in besonderen Fällen zulässigen Strafverfügungen) zulässig. Beides liegt nicht vor. Der Rückgriff auf die Rechtslage im Strafrecht ist schon im Hinblick auf den jedenfalls primären Beugecharakter der Zwangsstrafen nach § 283 HGB nicht zulässig.
Der Revisionsrekurs ist aus den dargelegten Gründen berechtigt.
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