OGH 6Ob175/10v

OGH6Ob175/10v17.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. V***** R*****, 2. Mag. A***** M*****, beide vertreten durch Dr. Friedrich Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die Antragsgegnerin F***** GmbH *****, vertreten durch Dr. Bernd A. Oberhofer und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Bucheinsicht, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 4. Juli 2010, GZ 3 R 67/10t-27, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 2. April 2010, GZ 62 Fr 568/08v-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob das Recht auf Bucheinsicht des Gesellschafters, konkret der Informationsanspruch des Gesellschafters gegenüber einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, auch das Recht umfasst, Ablichtungen und/oder digitale Fotografien herzustellen.

Die Vorinstanzen haben der Antragsgegnerin über Antrag der beiden Antragsteller, die - neben vier weiteren Personen - Gesellschafter der Antragsgegnerin sind, aufgetragen, einem von den Antragstellern namhaft gemachten und von ihnen bevollmächtigten, zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Vertreter Einsicht in folgende Unterlagen des Geschäftsjahrs 2007 zu gewähren und dem Vertreter auch zu gestatten, von diesen Unterlagen Fotokopien in Form von Digitalfotografien anzufertigen: Saldenlisten, Debitoren Kreditoren - offene Postenlisten, sämtliche Belege, Buchhaltungskonten, Bankkonten, Lohnkonten, Lohnvereinbarungen, Provisionsabrechnungen mit Vertriebspartnern, Mietverträge, Leasingverträge sowie Bewertung Bilanzpositionen.

1. Die Antragsgegnerin bekämpft in ihrem Revisionsrekurs nicht, dass den Antragstellern grundsätzlich das Recht zusteht, in die von ihnen geforderten Unterlagen Einsicht zu nehmen und „gegebenenfalls von einzelnen, bedenklichen Unterlagen Kopien“ zu nehmen. Einer Auseinandersetzung mit der von Koppensteiner/Rüffler (GmbHG³ [2007] § 22 Rz 37) gegen die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geäußerten Kritik bedarf es somit nicht; nach dieser Rechtsprechung stehen den Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch außerhalb der Hauptversammlung umfassende Informationsrechte zu (6 Ob 17/90 SZ 63/150 = ecolex 1991, 25 [Thiery]; RIS-Justiz RS0060098).

2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 11/08y (GesRZ 2008, 234 [Thiery] = GeS 2008, 282 [Vavrovsky]) den außerordentlichen Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung eines Rekursgerichts zurückgewiesen, mit der einer Gesellschafterin einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung Einsicht in „alle Bücher, Papiere und sonstigen Geschäftsunterlagen […] und die Herstellung von Abschriften und Fotokopien davon“ gewährt wurde. Auch wenn sich der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung mit der hier vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage nicht näher auseinander zu setzen hatte, so entsprach das dargestellte Ergebnis doch der - soweit ersichtlich - völlig einhelligen Auffassung (OLG Wien NZ 1997, 99; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht² I [1997] RN 2/740; Kostner/Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5 [1998] Rz 253; Rassi, Fragen der Bucheinsicht im Gesellschaftsrecht, ecolex 1999, 546; Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 30; Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung6 [2008] Rz 247; Ch. Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht [2008] Rz 4/326). Die Antragsgegnerin geht in ihrem Revisionsrekurs aber durchaus zutreffend selbst davon aus, dass die Herstellung von Fotokopien in Form von Digitalfotografien der Ablichtung der Urkunden entspricht.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar in mehreren Entscheidungen (zuletzt 3 Ob 194/09i GesRZ 2010, 114 mwN zwischen denselben Parteien wie im vorliegenden Verfahren) ausgesprochen, ein nur auf Gewährung der Einsicht in die Belege eines bestimmten Jahres lautender Exekutionstitel verschaffe der einsichtsberechtigten Partei keinen (exekutiv durchsetzbaren) Anspruch auf Herstellung digitaler Fotografien der eingesehenen Urkunden. Dabei ging es jedoch nur um die Auslegung des Exekutionstitels, nicht jedoch um die materielle Berechtigung des Gesellschafters.

3. Die Antragsgegnerin unterstellt in ihrem Revisionsrekurs, dass eine Ablichtung des gesamten Rechnungswesens der Gesellschaft „rechtsmissbräuchlich gesellschaftsfremden Zwecken dienen soll“, ihr dadurch die „Möglichkeit [genommen werde,] die Verbreitung dieser Daten zu kontrollieren“, „Missbrauch [zu] befürchten“ sei, die „Gesellschaft zu Recht ihr Geheimhaltungsinteresse gefährdet“ sehe und dem „ein Riegel vorzuschieben“ sei. Sie übersieht damit aber die ausdrücklichen Feststellungen der Vorinstanzen, es sei „keinerlei Hinweis dafür gegeben, dass die beiden Antragsteller ihr Informationsbegehren in rechtsmissbräuchlicher Absicht geltend machen“ oder „dass zu besorgen sei, die Antragsteller würden angefertigte Kopien in Form von Digitalfotografien zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden“. Nach ständiger Rechtsprechung wäre jedoch genau dies der Maßstab, an dem die Inanspruchnahme des Individualrechts des Gesellschafters auf Information zu messen wäre (6 Ob 178/09h NZ 2010, 75 mwN).

4. Die Antragsgegnerin unterlässt es in ihrem Revisionsrekurs, konkrete Umstände darzulegen, weshalb ihre Interessen durch die Anfertigung von Digitalfotografien ihres Rechnungswesens durch die Antragsteller gefährdet werden könnten; sie beschränkt sich auf allgemein gehaltene Ausführungen. Damit haben aber die Vorinstanzen jedenfalls im vorliegenden Verfahren dem „Einsichtsbegehren“ zu Recht stattgegeben; der Revisionsrekurs war zurückzuweisen.

5. Die Antragsteller haben in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Die Antragsteller haben dessen Kosten selbst zu tragen.

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