European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00169.24G.1106.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der klagende und gefährdete Fußballverein (in der Folge: Kläger) begehrt die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge: Beklagte), die eine Internetplattform betreibt, schuldig zu erkennen, es zu unterlassen,
1.a. die wörtliche und/oder sinngemäße Behauptung zu verbreiten, dass vermutet werde, dass Suchanfragen mit der Eingabe „G* 1902“, „G*“, „g*“, „G* G*“, „G* Fußball“, „Fußball G*“ oder „G* G*“ mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu tun haben könnten,
in eventu
1.b. die wörtliche und/oder sinngemäße Verbreitung der Behauptung zu verbreiten, dass der Kläger im Verdacht stünde, mit sexuellem Missbrauch von Kindern in Zusammenhang zu stehen, weil vermutet werde, dass Suchanfragen mit der Eingabe „G* 1902“, „G*“, „g*“, „G* G*“, „G* Fußball“, „Fußball G*“ oder „G* G*“ mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu tun haben könnten,
in eventu
1.c. eine Mitteilung wie in Beilage ./M anlässlich der Eingabe der Begriffe „G* 1902“, „G*“, „g*“, „G* G*“, „G* Fußball“, „Fußball G*“ oder „G* G*“ in die Suchfunktion auf ihrer Online-Plattform F*, abrufbar unter www.f*.com, anzuzeigen.
[2] Unter einem beantragte der Kläger zur Sicherung seines Unterlassungsanspruchs die Erlassung einer mit den Haupt- und Eventualbegehren zu Punkt 1.a. bis 1.c. inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung.
[3] Seit mehreren Monaten werde über die Suchfunktion der Plattform bei den genannten Eingaben nicht mehr die F*‑Seite des Klägers angezeigt, sondern eine Mitteilung, dass sexueller Missbrauch von Kindern illegal sei [Anm: wie Beilage ./M]. Diese von der Beklagten eingeblendete Mitteilung sei ehrenbeleidigend und kreditschädigend iSd § 1330 Abs 1 und Abs 2 ABGB.
[4] Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren – ohne der Beklagten eine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt zu haben – teilweise statt und trug der Beklagten mit (insoweit unbekämpft in Rechtskraft erwachsener) einstweiliger Verfügung auf, ab sofort bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Hauptverfahren, die Verbreitung der wörtlichen und/oder sinngemäßen Behauptung, dass vermutet werde, dass Suchanfragen mit der Eingabe „G* 1902“, „G* G*“, „G* Fußball“, „Fußball G*“ oder „G* G*“ mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu tun haben könnten, zu unterlassen. Die Mehrbegehren betreffend die Suchanfragen „G*“ und „g*“ wies es ab.
[5] Es stellte fest, dass die Begriffe „G*“ und „g*“ in pädophilen Kreisen „Geheimcodes“ bedeuten, die mit Kinderpornographie in Verbindung stehen. Im Gegensatz zu den im Unterlassungsgebot genannten Suchanfragen beziehe ein durchschnittlich qualifizierter Erklärungsempfänger den Warnhinweis der Beklagten bei den Suchanfragen „G*“ oder „g*“ nicht auf den Kläger.
[6] Das lediglich vom Kläger gegen den abweisenden Teil dieses Beschlusses angerufene Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[7] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig:
[8] 1. Gemäß § 402 Abs 1 EO ist der Revisionsrekurs unter anderem dann, wenn das Verfahren einen Beschluss über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum Gegenstand hat, nicht deshalb unzulässig, weil das Gericht zweiter Instanz die angefochtene Entscheidung zur Gänze bestätigt hat. Das gilt jedoch nach § 402 Abs 2 EO nicht für einen Rekurs der gefährdeten Partei gegen die Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wenn der Gegner der gefährdeten Partei zu dem Antrag nicht einvernommen wurde. Nach ständiger Rechtsprechung ist daher der Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung, mit der die Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne Einvernahme des Gegners der gefährdeten Partei bestätigt wurde, gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (6 Ob 183/21m; 2 Ob 155/20p; RS0012260). In diesem Fall kann auch kein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden (RS0012260 [T3]). Auch die Beteiligung der Beklagten am Rekursverfahren beseitigt den Ausschluss der Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht (vgl 4 Ob 54/09h; 4 Ob 57/19i; RS0005654 [T5]).
[9] 2.1. Auch wenn das Gericht zweiter Instanz die ohne Anhörung des Antragsgegners erfolgte Abweisung eines Teils eines Sicherungsbegehrens bestätigt, ist der Revisionsrekurs dagegen jedenfalls unzulässig. Das gilt nur dann nicht, wenn der stattgebende und der abweisende Teil des Beschlusses in einem unlösbaren Sachzusammenhang stehen, sodass die Zulässigkeit deren Anfechtung nur einheitlich beurteilt werden kann (vgl 6 Ob 74/17a; 4 Ob 54/09h; RS0107345). Der eine einheitliche Beurteilung erfordernde unlösbare Sachzusammenhang ist regelmäßig dann nicht gegeben, wenn jeder der geltend gemachten Sicherungsansprüche ein gesondertes rechtliches Schicksal haben kann (7 Ob 61/11p; 4 Ob 54/09h; RS0107345 [T2]).
[10] 2.2. Im vorliegenden Fall ist ein unlösbarer Sachzusammenhang zwischen dem abweisenden und dem stattgebenden Teil des Beschlusses über den Sicherungsantrag zu verneinen, weil die Entscheidungen über die beanstandeten Äußerungen – wie sich schon aus der Entscheidung der Vorinstanzen ergibt – jeweils unterschiedliche rechtliche Schicksale haben können. Daraus folgt die (absolute) Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Klägerin gegen die Bestätigung der (teilweisen) Abweisung ihres Sicherungsantrags (§ 402 Abs 2 EO).
[11] 3. Das Rechtsmittel des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)