OGH 6Ob166/20k

OGH6Ob166/20k29.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen B***** GmbH mit dem Sitz in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 2. Juli 2020, GZ 6 R 80/20h‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00166.20K.0929.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 FBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Die Vorinstanzen trugen über Antrag des neuen selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführers der im Firmenbuch zu FN ***** eingetragenen Gesellschaft, Mag. A*****, unter gleichzeitiger Löschung der bisherigen Geschäftsführer S***** und A***** als neue, seit 26. 3. 2020 jeweils allein vertretungsbefugte Geschäftsführer den Antragsteller und P***** ein, wogegen sich im Rechtsmittelverfahren die Gesellschaft wehrt; diese wird von der Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG rechtsfreundlich vertreten, die sich auf eine von einem der beiden bisherigen Geschäftsführer erteilte Vollmacht beruft.

1.  Im bzw aus Anlass des Rekursverfahrens haben sowohl der Antragsteller als auch die DORDA Rechtsanwälte GmbH unter Berufung auf eine ihr von der Gesellschaft erteilte Vollmacht, wobei die Gesellschaft offenbar von der neuen Geschäftsführung vertreten wurde, die Zurückweisung des Rekurses der Gesellschaft mangels deren Vertretung durch die Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG beantragt bzw angeregt. Dem ist das Rekursgericht mit dem Argument nicht gefolgt, dass der Grundsatz, wonach im Streit um die Partei- und Prozessfähigkeit der Betreffende als partei- und prozessfähig zu behandeln sei, auch für die Frage des Vorliegens der Vertretungsmacht zu gelten habe. Einer weiteren Erörterung dieser Vertretungsfrage bedarf es allerdings schon allein deshalb nicht, weil der Rekurs der Gesellschaft ohnehin erfolglos geblieben ist und auch ihr außerordentlicher Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen ist.

2.  Der von den Vorinstanzen eingetragene Beschluss wurde in der Generalversammlung der Gesellschaft vom 26. 3. 2020 gefasst. Im Rechtsmittelverfahren wird dazu vorgebracht, dass für diesen Tag, zur selben Zeit und in den Kanzleiräumen der Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG zwei Einberufungen einer Generalversammlung vorgenommen worden waren, und zwar einerseits von der Gesellschaft (vertreten durch die bisherige und in der Folge abberufene Geschäftsführung) und andererseits von der Mehrheitsgesellschafterin, wobei der von der Gesellschaft anberaumte Termin in weiterer Folge auf den 15. 4. 2020 verlegt wurde. Am 26. 3. 2020 fand dennoch die Generalversammlung statt, dies allerdings nicht in den genannten Kanzleiräumlichkeiten, sondern vor diesen. Die Gesellschaft beruft sich im Rechtsmittelverfahren auf das Vorliegen zweier Mängel des in dieser Generalversammlung von der Mehrheitsgesellschafterin gefassten Beschlusses, nämlich zum einen auf die Einberufung der Generalversammlung durch die Mehrheitsgesellschafterin entgegen § 36 Abs 1 GmbHG, wonach die Generalversammlung von der Geschäftsführung einzuberufen gewesen wäre, und zum anderen darauf, dass der Ort der Generalversammlung entgegen der Einberufung nicht in, sondern vor den genannten Kanzleiräumlichkeiten stattgefunden habe; von der Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG sei noch vor dem Generalversammlungstermin bekannt gegeben worden, dass die Kanzleiräumlichkeiten am 26. 3. 2020 nicht zur Verfügung stehen würden.

Rechtliche Beurteilung

3.  Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs spricht der weite Wortlaut des § 41 GmbHG dafür, dass sowohl Einberufungs‑ als auch Ankündigungsmängel den Gesellschafterbeschluss nur anfechtbar, nicht aber von Anfang an unwirksam machen (RS0111765). Auch Koppensteiner/Rüffler (GmbHG³ § 41 Rz 21) sehen Einberufungs- und Ankündigungsmängel als anfechtbare Beschlüsse, es sei denn es wären die Voraussetzungen verwirklicht, von denen die Rechtsprechung die Annahme eines „Scheinbeschlusses“ abhängig macht; solche Mängel führten dann zur Nichtigkeit gleichwohl gefasster Beschlüsse (Rz 10). Dies steht auch im Einklang mit der Systematik des GmbHG: Über § 40 und eine normzweckentsprechende Fixierung des Beginns der Klagefrist nach § 41 Abs 4 lässt sich sicherstellen, dass Gesellschafter, deren Anspruch auf Beteiligung am Willensbildungsprozess der Versammlung beeinträchtigt wurde, den Beschluss zu Fall bringen können (Rz 10).

3.1.  Ein absolut nichtiger Beschluss liegt allerdings nicht vor, wenn die Einberufung der Generalversammlung entgegen § 36 GmbHG nicht durch den Geschäftsführer der Gesellschaft, sondern – wie im vorliegenden Fall – durch Gesellschafter erfolgte, die über eine Mehrheit der Gesellschaftsanteile verfügen (6 Ob 65/15z RWZ 2015/89 [ Wenger ] = GesRZ 2016, 62 [ Enzinger ]).

3.2. Dass die Generalversammlung nicht in, sondern vor den Kanzleiräumlichkeiten der Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG stattfand, stellt möglicherweise einen Einberufungs‑ bzw Ankündigungsmangel dar. Wie bereits dargestellt würde dies aber lediglich dazu führen, dass der dennoch gefasste Beschluss zwar anfechtbar, jedoch zunächst im Firmenbuch einzutragen ist.

4.  Die Gesellschaft beruft sich in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs darauf, dass den Vorinstanzen „der schwere Verfahrensfehler bei der Beschlussfassung nicht verborgen bleiben“ habe können und dass ein öffentliches Interesse an einer „richtigen Eintragung“ bestehe.

4.1.  Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 174/97z ausgeführt, dass das Firmenbuchgericht eine gegen öffentliches Interesse verstoßende Verletzung zwingender Bestimmungen des GmbHG in einem Gesellschafterbeschluss im Rahmen seiner materiellen Prüfungspflicht zum Inhalt der Abweisung eines Eintragungsgesuches machen kann. Die Entscheidungen 6 Ob 142/05h (RWZ 2007/40 [ Wenger ] = GeS 2007, 186 [ Fantur ] = GesRZ 2007, 258 [ Höller ; Umlauft , GesRZ 2009, 4] = NZ 2007, 379 [ Schopper/Walch , NZ 2019, 441]) und 6 Ob 35/16i (JBl 2016, 446 [ Trenker ] = GesRZ 2016, 289 [ Brugger ] = ecolex 2016/339 [ Told ] = NZ 2016/119 [ Schopper/Walch , NZ 2019, 441]) hielten fest, dass die durch sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung begründete Nichtigkeit einer Abfindungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GmbH von Amts wegen wahrzunehmen ist und ein Eintragungshindernis begründet. Und in der Entscheidung 6 Ob 187/17v (GesRZ 2018, 121 [ Brix/Wagner ] = ecolex 2018/189 [ Foglar‑Deinhardstein ] = ZFR 2018/140 [ Schacherreiter ]) stellte der erkennende Senat unter Hinweis auf 6 Ob 239/08b zuletzt klar, dass die materielle Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht besteht, wobei insbesondere zu prüfen ist, ob dem Eintragungsbegehren zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen und ob das materielle Recht die begehrte Eintragung gestattet; bei satzungsändernden Beschlüssen bestehe grundsätzlich eine sehr weitgehende Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts, wobei die Frage, ob einer bestimmten Klausel zwingendes Recht entgegensteht, gerade Gegenstand des Firmenbuchverfahrens sei.

4.2.  Die Frage, ob in einem konkreten Fall Einberufungs‑ oder Ankündigungsmängel in einer Generalversammlung gefasste Beschlüsse anfechtbar machen, wird von dieser Rechtsprechung nicht erfasst. Die bloße Anfechtbarkeit eines Gesellschafterbeschlusses bildet – im Gegensatz zur Nichtigkeit ( Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer , FBG § 15 Rz 32 und 34; OLG Wien 28 R 309/00t) – kein Eintragungshindernis; der Gesetzgeber räumt hier den Gesellschaftern eine Dispositionsmöglichkeit ein; solange kein Gesellschafter von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sind Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit eines Gesellschafterbeschlusses nicht aufzugreifen ( Kodek , Fluch oder Segen: Zur Prüfpflicht im Firmenbuchverfahren, FS Bittner 307 [313]). Erst wenn eine Klage eingebracht ist, hat das Gericht das Verfahren nach § 19 FBG zu unterbrechen und den Ausgang des Anfechtungsprozesses abzuwarten ( Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer , Österreichisches Gesellschaftsrecht² Rz 1/101; Zib in Zib/Dellinger , UGB § 15 FBG Rz 8).

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