OGH 6Ob15/88

OGH6Ob15/887.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 26.Dezember 1985 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Hilda S***, geb. G***, geb. am 3.Juli 1914, Hausfrau, zuletzt in Wald 7, 6416 Obsteig, wohnhaft gewesen, infolge Revisionsrekurses des erbl. Witwers Johann S***, Pensionist, Wald 7, 6416 Obsteig, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 5. Februar 1988, GZ 3 bR 182/87-48, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Silz vom 6.November 1987, GZ A 211/85-44, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zur Verlassenschaft gehört auch der geschlossene Hof EZ 8 I KG Obsteig. Zu gesetzlichen Erben sind der erbl. Witwer Johann S*** und die erbl. Tochter Elfriede S*** geb. G*** berufen. Die von den Beiden zu einem bzw. zu zwei Drittel abgegebenen bedingten Erbserklärungen wurden vom Erstgericht angenommen. Beide Erben beanspruchten die Zuweisung des Hofes mit der Begründung, der andere Erbe sei von der Hofübernahme ausgeschlossen. Das Erstgericht wies den geschlossenen Hof der erbl. Tochter zu und wies den Antrag des erbl. Witwers ab. Die Entscheidung über die Abfertigung des erbl. Witwers behielt es einer gesonderten Beschlußfassung vor. Es stellte fest:

Der geschlossene Hof EZ 8 I KG Obsteig besteht aus der Hofstelle in Obsteig, Wald 7, landwirtschaftlich genutzten Grundstücken im Ausmaß von 3 ha 26 a 89 m2, forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken im Ausmaß von 51 a 35 m2 sowie Bauflächen von 11 a 98 m2. Das Gesamtausmaß der zum Hof gehörigen Grundflächen beträgt demnach 3 ha 90 a 22 m2. Das Wohnhaus wurde nach einem Brand 1927 neu aufgeführt, besteht aus Erd- und Obergeschoß sowie ausgebautem Dachgeschoß und befindet sich äußerlich in "recht ansprechendem" Zustand. Das Wirtschaftsgebäude ist im Norden an das Wohnhaus angebaut. Zu ebener Erde sind der Rinder- und Kleintierstall, der Hühnerstall, ein Zwischengang und die Garage untergebracht. Darüber befindet sich der Heustadel. An der Süd-, Nord- und Ostseite sind drei Holzschuppen angebaut.

Die Grundstücke 5535, 5543 und 5564 liegen im Nahbereich der Hofstelle, werden landwirtschaftlich genutzt und sind vorwiegend Wiesen. Ein Grundstück im Ausmaß von 28 a wird als Kartoffelacker genutzt.

Der Hof ist mit der Dienstbarkeit des unentgeltlichen lebenslangen Wohnungsrechtes für die Schwester der Erblasserin, Hermine G*** geb. G***, geboren am 5.6.1911, belastet. Die Servitut erstreckt sich auf die Wohnung im Dachgeschoß des Wohnhauses.

Mit dem Hof sind Holz- und Streunutzungsrechte und die Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft Buchtelwald verbunden. Die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke sind, mit Ausnahme des Angers vor dem Haus, seit mehreren Jahren verpachtet. Der Pachtzins beträgt derzeit jährlich S 4.500,--. Vor fünf oder sechs Jahren hat der erbl. Witwer den Viehstand (drei Milchkühe, zwei Rinder und zwei Schweine) verkauft, der nur durch Zukauf von Heu erhalten werden konnte.

Der erbl. Witwer ist nicht in der Lage, landwirtschaftliche Arbeiten zu verrichten. Er leidet an im Krieg erlittenen Verwundungen im Bereich der rechten Hüfte und an der linken Seite des Schädels, ist stark gehbehindert und bezieht eine Pension einschließlich des Hilflosenzuschusses von monatlich etwa S 15.000,--. Vor dem Ruhestand hat er in verschiedenen Unternehmen und nebenbei auch immer in der Landwirtschaft der Erblasserin gearbeitet. Er kennt sich in allen landwirtschaftlichen Arbeiten aus. Die erbl. Tochter wuchs im Haus ihrer Mutter auf, besuchte die Volks-, die Haupt- und danach die Dr. Wagner-Schule und war sodann in kaufmännischen Berufen tätig. Sie schloß 1969 mit Hermann S*** die Ehe und wohnt mit ihrem Mann in Innsbruck. Ihr Ehegatte ist Leiter eines Rechenzentrums. Die erbl. Tochter ist seit drei Jahren in einem Wurstimportunternehmen als Angestellte mit 20 bis 30 Wochenstunden beschäftigt. Sie hat ihrer Mutter von Jugend auf in der Landwirtschaft geholfen und ist gleichfalls mit solchen Arbeiten vertraut. Auch nach ihrer Verehelichung hat sie regelmäßig an den Wochenenden in der Landwirtschaft ihrer Mutter mitgearbeitet. Sie beabsichtigt, den Wohnsitz bei Zuweisung des Hofes an sie nach Obsteig zu verlegen. Über die Betriebsform der von ihr zu führenden Landwirtschaft ist sie sich jedoch derzeit noch nicht im klaren. Die Höfebehörde hat unter Anschluß einer amtsärztlichen Begutachtung dahin Stellung genommen, daß sowohl der erbl. Witwer als auch die erbl. Tochter von der Hofübernahme ausgeschlossen seien: Der erbl. Witwer, weil er wegen körperlicher Gebrechen hilflos sei und daher den landwirtschaftlichen Betrieb nicht führen könne, die erbl. Tochter, weil sie seit Jahren in Innsbruck wohne, als Büroangestellte beschäftigt sei und als solche wegen der Entfernung der Wohnung von der Hofstelle (40 km) und ihrer beruflichen Tätigkeit den Hof von der Hofstelle aus nicht persönlich betreuen könne.

Rechtlich meinte das Erstgericht, das Kind des Erblassers gehe dem nachgelassenen Ehegatten vor. Die gesetzlichen Ausschließungsgründe gälten nur zwischen Berufenen innerhalb der selben Rangstufe, sodaß ein entfernterer Verwandter das Anerbenrecht unter Hinweis auf vorhandene Ausschließungsgründe bei einem näher Verwandten nicht an sich ziehen könne. Das ergebe sich aus dem Sinn der Erbteilungsvorschriften, wonach der Hof nur dem geeignetsten Erben zufallen solle. Selbst wenn bei der erbl. Tochter der Ausschließungsgrund nach § 17 Z 4 lit d TirHG zuträfe, wäre sie dennoch als Anerbin berufen, weil sie der Erblasserin am nächsten gestanden sei. Ihr wäre aber auch dann der Vorzug zu geben, wenn man den gegenteiligen Standpunkt verträte. Dann wäre nämlich abzuwägen, welcher Ausschließungsgrund gewichtiger erscheine. Da die Viehhaltung aufgelassen sei und die Grundstücke verpachtet seien, sei der von der Hofstelle entfernte Wohnsitz der erbl. Tochter nicht derart gravierend, daß der angeführte Ausschließungsgrund hiedurch begründet wäre. Außerdem habe sie die Bereitschaft bekundet, im Falle der Hofübernahme den die persönliche Bewirtschaftung hindernden Beruf aufzugeben. Eine solche Bereitschaft beseitige den Ausschließungsgrund nach § 17 Z 4 lit d TirHG. Der erbl. Witwer sei hingegen gesundheitlich nicht in der Lage, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, zumal angesichts seines Alters auch mit einer Änderung des Zustandes nicht mehr gerechnet werden könne. Die Möglichkeit, den Hof zu führen, bestehe bei ihm noch weniger als bei der erbl. Tochter. Für den Weiterbestand des Hofes sei es daher günstiger, wenn er der erbl. Tochter zugewiesen werde, zumal der Hof in diesem Fall auch in der Familie der Erblasserin verbleibe.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es verneinte den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund auch als Verfahrensmangel, übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, wohl sei der im § 17 TirHG nicht genannte erbl. Witwer in den Kreis jener Personen, aus denen der Hofübernehmer zu wählen sei, miteinzubeziehen, doch sei er nach der Rechtsprechung erst nach den Kindern des Erblassers zu reihen. Der Ausschließungsgrund des § 17 Z 4 lit d TirHG liege bei der erbl. Tochter entgegen der Ansicht der Höfebehörde nicht vor. Maßgeblich sei in diesem Zusammenhang die Erklärung der erbl. Tochter, im Falle der Zuweisung des Hofes ihren bisherigen Beruf aufzugeben, auf die Hofstelle zu übersiedeln und den Hof zu bewirtschaften. Aber auch wenn man den Ausschließungsgrund bei der erbl. Tochter bejahte, könne sich am Ergebnis nichts ändern. Seien nämlich alle als Anerben in Betracht kommenden Personen nach dem Gesetz von der Hofübernahme ausgeschlossen, müsse gleichwohl einer von ihnen bestimmt werden, falls es nicht im Einzelfall als zweckmäßiger befunden würde, den Hof zu veräußern und das Verlassenschaftsvermögen nach den allgemeinen Vorschriften zu verteilen. Daher wäre dann eine Gewichtung der bei beiden Erben vorliegenden Ausschließungsgründe vorzunehmen. Der erbl. Witwer sei hilflos und aufgrund amtsärztlicher Untersuchung nicht einmal in der Lage, sich selbst zu versorgen, geschweige denn fähig, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, sodaß auf ihn der Ausschließungsgrund des § 17 Z 4 lit b TirHG zutreffe. Das Vorliegen des Ausschließungsgrundes bestreite der erbl. Witwer nicht einmal. Schon deshalb müsse der erbl. Tochter selbst bei Bejahung des Ausschließungsgrundes des § 17 Z 4 lit d TirHG der Vorzug gegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Der vom erbl. Witwer gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Da das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluß bestätigte, kann ein gegen diese Bestätigung gerichtetes Rechtsmittel nur auf die im § 16 Abs.1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe gestützt werden.

Eine Aktenwidrigkeit erblickt der erbl. Witwer darin, daß das Rekursgericht bei seiner rechtlichen Beurteilung von einer amtsärztlichen Untersuchung ausgegangen sei, wonach er kaum in der Lage sei, sich selbst zu versorgen, geschweige denn, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, ein solches amtsärztliches Gutachten aber nie Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Bei diesen Ausführungen unterläuft dem Rechtsmittelwerber jedoch selbst insofern eine Aktenwidrigkeit, als ein amtsärztliches Gutachten, das in seiner Zusammenfassung zu den im Rekursgericht übernommenen Schlußfolgerungen gelangt, der Stellungnahme der Höfebehörde angeschlossen ist (ON 43, S. 9 = AS 207). Ob und inwieweit die Verwertung eines von der Höfebehörde, die nach dem Gesetz (§ 17 Z 4 TirHG) zur Begutachtung der Frage, ob Ausschließungsgründe vorhanden sind, berufen ist, eingeholten amtsärztlichen Gutachtens durch das Gericht zweiter Instanz einen Verfahrensmangel begründen könnte, ist nicht weiter zu prüfen, weil ein solcher Verfahrensmangel - sofern er, wie im vorliegenden Fall, nicht das Gewicht einer Nullität erreicht (6 Ob 22/87) - nicht zum Gegenstand der Anfechtung mittels eines nach § 16 Abs.1 AußStrG zu beurteilenden Rechtsmittels gemacht werden kann (EFSlg.52.804 uva). Als offenbare Gesetzwidrigkeit rügt der erbl. Witwer die Auffassung des Rekursgerichtes, er sei auf Grund seines Gesundheitszustandes außerstande, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen.

Abgesehen davon, daß der Schluß, wer sich kaum selbst zu versorgen in der Lage sei,könne auch keinen landwirtschaftlichen Betrieb führen, auch mit der im Revisionsrekurs zitierten Judikatur durchaus in Einklang zu bringen wäre, bringt der erbl. Witwer damit keine offenbare Gesetzwidrigkeit zur Darstellung. Eine solche ist nur dann anzunehmen, wenn Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers gar nicht aufkommen können (WBl 1988, 199; EFSlg.52.757 uva). Der Ausschließungsgrund, von dem der Rechtsmittelwerber nach Ansicht der Vorinstanzen betroffen ist (§ 17 Z 4 lit TirHG), besteht dann, wenn der Erbe wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen zur persönlichen Bewirtschaftung des Hofes unfähig erscheint. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist so allgemein gefaßt, daß ihr Inhalt im Einzelfall erst auf Grund eingehender Feststellungen über den geistigen und körperlichen Gesundheitszustand im Wege der Auslegung ermittelt werden kann. Die Lösung der Frage, ob und inwieweit ein Gebrechen den Erben von der persönlichen Bewirtschaftung des Hofes ausschließt und unter welcher Voraussetzung überhaupt von einer solchen Bewirtschaftung gesprochen werden kann, kann demnach nicht offenbar gesetzwidrig sein, soweit sie nicht auf denkunmöglicher Auslegung beruht. Eine solche kann der erbl. Witwer nicht ins Treffen führen. Er beruft sich vielmehr ohnehin nur auf Rechtsprechung. Liegt der Rüge offenbarer Gesetzwidrigkeit eine Auslegungsfrage zugrunde, reicht es nicht hin, so wie der Rechtsmittelwerber Argumente vorzutragen, die eine andere Auslegungsmöglichkeit aufzeigen sollen. Es müßte vielmehr dargetan werden, daß die rekursgerichtliche Auslegung bestehenden Interpretationsregeln widerspricht bzw. unlogisch oder mit den Regeln der Sprache unvereinbar ist (EFSlg.52.763; WBl 1988, 199 uva). Nach wie vor erblickt der erbl. Witwer eine Nullität darin, daß ihm die Vorinstanzen das Gutachten der Höfebehörde nicht zugestellt hätten. Es soll nicht verhehlt werden, daß das Erstgericht den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gutachten der Höfebehörde hätte geben müssen, zumal dieses ihrem Standpunkt nicht Rechnung trug. Nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg.52.811 uva) begründet jedoch die Unterlassung der Anhörung der Beteiligten zu einzelnen Beweisergebnissen noch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vom Gewicht einer Nichtigkeit. Überdies kann von einer in einem nach § 16 Abs.1 AußStrG zu beurteilenden Revisionsrekurs geltend zu machenden Nichtigkeit durch Verletzung des rechtlichen Gehörs dann nicht mehr gesprochen werden, wenn diese Verletzung im erstinstanzlichen Verfahren erfolgt sein soll und Gelegenheit bestand, im Rekurs diese angebliche Nichtigkeit aufzuzeigen (EFSlg.49.984 uva). Die Gelegenheit bestand nicht nur für den erbl. Witwer, sondern er hat von ihr auch im Rekurs an die zweite Instanz Gebrauch gemacht. Das Rekursgericht hat hiezu eingehend Stellung genommen und in der Unterlassung des Erstgerichtes - in Entsprechung ständiger Rechtsprechung - weder einen solchen Verstoß gegen die Stoffsammlungspflicht gemäß § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG angenommen, der Nichtigkeit begründet, noch überhaupt einen Verfahrensmangel erblickt, der für den Verfahrensausgang von Bedeutung hätte sein können.

Da der erbl. Witwer somit keinen der gesetzlichen Anfechtungsgründe ins Treffen führen konnte, war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

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