OGH 6Ob22/87

OGH6Ob22/8718.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 28. August 1983 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Peter O***, geboren am 26. April 1914, Landwirt, zuletzt in Jochberg 148 wohnhaft gewesen, infolge Revisionsrekurses des unehelichen erblasserischen Sohnes Wolfgang B***, Hilfsarbeiter, Jochberg 165, vertreten durch Dr. Herwig Grosch, Dr. Günter Harasser und Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 12. August 1987, GZ 3 b R 125/87-90, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 3. Juli 1987, GZ A 249/83-87, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Bestandteil der Verlassenschaft nach dem am 28. August 1983 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Peter O*** war auch der geschlossene Hof "Bauberg" (EZ 90.058 KG Jochberg). Zu gesetzlichen Erben waren die erbl. Witwe Maria O*** und der uneheliche Sohn des Erblassers, Wolfgang B***, berufen. Der Nachlaß wurde der erbl. Witwe zu zwei Dritteln und dem unehelichen Sohn des Erblassers zu einem Drittel eingeantwortet. Die Auseinandersetzung der gesetzlichen Erben in bezug auf den geschlossenen Hof wurde gemäß § 16 Abs 1 TirHG aufgeschoben und der Hof den beiden Miterben mit dem Vorbehalt eingeantwortet, daß der Anerbe sein Recht jederzeit in Anspruch nehmen könne. Sowohl die erbl. Witwe als auch Wolfgang B*** haben in der Folge das Anerbenrecht geltend gemacht und die Zuweisung des geschlossenen Hofes mit der Behauptung beantragt, daß der andere Erbe von der Hofübernahme ausgeschlossen sei.

Das Erstgericht wies den geschlossenen Hof "Bauberg" (EZ 90.058 KG Jochberg) der erbl. Witwe als Anerbin zu und bestimmte gleichzeitig den Übernahmswert des Hofes mit S 235.000,--. Hiezu stellte es fest:

Der geschlossene Hof "Bauwerk" umfaßt Grundflächen im Gesamtausmaß von 105.907 m2 (187 m2 Baufläche, 74.563 m2 landwirtschaftlich genutzte Flächen und 31.157 m2 Wald). Davon ist die Lie enschaft EZ 121 KG Jochberg, die den gesetzlichen Erben entsprechend ihren Erbportionen eingeantwortet wurde, nicht erfaßt. Der Hof ist hochgelegener Bergbauernhof (1180 m Seehöhe) in steiler bis mäßig steiler Lage. Er verfügt über keine Zufahrt und kann nur mit Pferdefuhrwerken, Schlitten oder Karren bzw. mit dem Wagstättlift erreicht werden. Die Anlegung des an sich unbedingt notwendigen Zufahrtsweges würde einen Aufwand von zumindest S 1 Mill. erfordern. Unter Bedachtnahme auf die Grundstücksbonitäten errechnet sich der Ertragswert der Äcker und zweimahdigen Wiesen (32.733 m2) mit S 198.850,--, jener der einmahdigen Wiesen und Weiden (41.830 m2) mit S 101.438,-- und der Ertragswert der Wälder mit S 110.000,--. Dem Gesamtertragswert der Liegenschaft stehen jedoch Abzugsposten von S 211.000,-- (Eigenmittel für die Anlegung des Zufahrtsweges und die Kosten der Mindestsanierung der Gebäude) gegenüber, so daß der Übernahmswert mit S 235.000,-- anzusetzen ist. Die erbl. Witwe lebt seit ihrer Verehelichung mit dem Erblasser im Jahre 1942 auf dem Hof und hat diesen gemeinsam mit dem Erblasser und einer Hilfskraft oder mit verwandtschaftlicher Hilfe bewirtschaftet. In den letzten Jahren wurden durchschnittlich vier bis fünf Kühe und ebensoviele Jungtiere gehalten. Die Bewirtschaftung des Hofes erfordert zumindest eine Hilfskraft. Seit etwa einem Jahr lebt die erbl. Witwe nicht mehr auf dem Hof. Auf sich allein gestellt, könnte sie ihn nicht bewirtschaften. Sie wagt es auch nicht, allein dort zu leben, weil sie von Wolfgang B*** bereits wiederholt bedroht wurde. Allerdings sieht sie von Zeit zu Zeit nach dem Rechten. Angesichts des derzeitigen Miteigentums des unehelichen erbl. Sohnes war es der erbl. Witwe nicht möglich, eine Hilfskraft einzustellen oder das Anwesen zu verpachten. An sich stünde ihr jemand zur Verfügung, der ihr bei der Bewirtschaftung des Hofes an die Hand gehen würde. Die erbl. Witwe ist am 11. Jänner 1920 geboren. Sie leidet zwar an Herz- und Schilddrüsenerkrankungen, doch sind diese Leiden bei entsprechender Medikation bzw. operativem Eingriff verbesserungsfähig. Die erbl. Witwe ist durchaus gesundheitlich in der Lage, auf dem Bergbauernhof zu wohnen und die erforderlichen Arbeiten anzuordnen und zu überwachen. Sie kann allein auf den Hof hinaufgehen. Die fachliche Eignung zur Bewirtschaftung kann ihr nicht abgesprochen werden.

Der uneheliche erbl. Sohn Wolfgang B*** ist am 14. Februar 1938 geboren. Er ist Bauhilfsarbeiter, gilt jedoch infolge seiner Trunksucht "eher" als unzuverlässig. Er ist im Dorf als Alkoholiker bekannt. Sein Arbeitgeber hat sich immer wieder über durch die Trunksucht bedingte Arbeitsausfälle beklagt. Wolfgang B*** hat bis zum 16. Lebensjahr auf einem Bauernhof gelebt. Gelegentlich half er auch in Landwirtschaften als Knecht oder Hüter aus. Auf dem Hof des Erblassers hielt sich Wolfgang B*** nur äußerst selten auf. Wenn er dort auftauchte, war er fast immer betrunken und forderte von seinem Vater Geld. Auf dem väterlichen Hof hat er nur gelegentlich beim Heuen mitgeholfen. Eine spezielle landwirtschaftliche Ausbildung hat er nicht genossen. Er wohnt in Jochberg-Hütte bei seiner Mutter. Aufgrund seiner Trunksucht und der hiedurch bedingten Labilität und Unzuverlässigkeit sowie mangels fachlicher Ausbildung ist er zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Hofes nicht geeignet.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, die erbl. Witwe gehe dem unehelichen Kind als Anerbe vor, weil ihre erbrechtliche Position durch das Vorhandensein eines unehelichen Kindes des Erblassers nicht berührt werden könne. Sie sei gesundheitlich in der Lage, den Hof zu bewirtschaften. Dagegen lägen bei Wolfgang B*** Ausschließungsgründe vor, weil er der Trunksucht verfallen sei und keine landwirtschaftliche Ausbildung genossen habe. Der Übernahmswert sei entsprechend dem eingeholten Schätzungsgutachten festgesetzt worden.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es führte aus, auch der überlebende Ehegatte sei anerbenberechtigt. Von der Übernahme des Hofes seien unter anderem Personen, die wegen geistiger oder körperlicher Gebrechen zur persönlichen Bewirtschaftung des Hofes unfähig erschienen, ausgeschlossen. Nach ausdehnender Auslegung des § 17 Z 4 lit b TirHG sei darunter auch die Unfähigkeit zur Selbstbewirtschaftung wegen sittlicher, nicht bloß geistiger oder körperlicher Gebrechen, namentlich wegen unverbesserlicher Faulheit, Trunksucht, Spielleidenschaft und anderer Ausschweifungen zu verstehen. Gerade das treffe nach den unbedenklichen Feststellungen des Erstgerichtes auf Wolfgang B*** zu. Dagegen sei die erbl. Witwe nicht ausgeschlossen. Es genüge, wenn der Anerbe persönlich auf dem Hof anwesend sei und die notwendigen Arbeiten anordnen und überwachen könne. Dagegen sei nicht erforderlich, daß der Übernehmer die Arbeiten auch persönlich verrichten könne. Die Frage, was zu verfügen sei, wären alle als Anerben in Betracht kommenden Personen von einem Ausschließungsgrund betroffen, stelle sich nicht, weil die erbl. Witwe nicht ausgeschlossen sei. Es sei auch nicht erforderlich, daß der Ausschließungsgrund im Spruch zum Ausdruck komme. Es genüge, wenn Spruch und Begründung des den Hof einer bestimmten Person zuweisenden Beschlusses des Abhandlungsgerichtes hierüber keine Zweifel offenließen. Da Wolfgang B*** ausgeschlossen sei, erübrige sich die Entscheidung, ob die erbl. Witwe als Anerbe dem unehelichen Kind vorgehe. Der Übernahmswert habe sich in erster Linie am Ertragswert zu orientieren. Vom Verkehrswert sei im Gesetz keine Rede. Gegen den von den Sachverständigen ermittelten Schätzwert habe Wolfgang B*** keine Erinnerungen angebracht. Der vom Erstgericht festgesetzte Übernahmswert lasse die Übernehmerin wohl bestehen.

Rechtliche Beurteilung

Der vom unehelichen erbl. Sohn Wolfgang B*** gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Da das Gericht zweiter Instanz den erstgerichtlichen Beschluß bestätigte, kann ein solches Rechtsmittel nur auf die im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe gestützt werden. Als offenbare Gesetzwidrigkeit rügt der Rechtsmittelwerber zunächst, die Vorinstanzen hätten die Berufung der erbl. Witwe als Übernehmerin des geschlossenen Hofes trotz des dieser Ansicht entgegenstehenden Regelungsinhaltes des § 17 TirHG bejaht.

Der erkennende Senat hat in seiner ausführlich begründeten Entscheidung JBl 1986, 589 = EvBl 1986/157 = RZ 1986/46 ausgesprochen, daß der Ehegatte, der mit Verwandten des Erblassers der zweiten Linie oder mit dessen Großeltern als Miterbe eintritt, bei der Berufung zum Anerben (Hofübernehmer) allen übrigen Miterben vorgehe. Diese Entscheidung ist zwar zu § 7 KrntHöfeG ergangen, doch trifft der dieser Bestimmung entsprechende § 17 TirHG in allen für die Bestimmung des Anerben bei der Intestaterbfolge maßgeblichen Belangen, vor allem bei Gestaltung der Rangfolge, bei vielfach sogar nahezu wortgleicher Fassung eine inhaltlich übereinstimmende Regelung, so daß keinerlei Bedenken gegen die Übertragung der in der genannten Entscheidung ausgesprochenen Grundsätze auf den Geltungsbereich des Tiroler Höfegesetzes bestehen. Daraus folgt, daß der Ehegatte auch in diesem räumlichen Geltungsbereich in den Personenkreis, aus dem Hofübernehmer bei gesetzlicher Erfolge auszuwählen ist, miteinzubeziehen ist. Der erkennende Senat hat auch ausgesprochen, daß die Auslegung, die Abstammung von einem bestimmten Vorfahren sei nur dort Auswahlkriterium für die Bestimmung des Anerben, wo der Berufungsgrund auf Verwandtschaft und nicht auf anderer familienrechtlicher Beziehung, wie dem Eheband, beruhe, systemgerecht sei und damit keinesfalls offenbar gesetzwidrig sein könne (6 Ob 4/86). Soweit die Vorinstanzen daher sowohl die erbl. Witwe als auch den unehelichen Sohn des Erblassers in das Verfahren zur Bestimmung des Hofübernehmers gemäß § 17 TirHG einbezogen haben, kann von offenbarer Gesetzwidrigkeit keine Rede sein.

Ferner rügt Wolfgang B*** als offenbar gesetzwidrig, daß das Rekursgericht die Entscheidung über die behaupteten Ausschließungsgründe nicht im Spruch seines Beschlusses zum Ausdruck gebracht habe.

Der Rechtsmittelwerber mißversteht die Bestimmung des § 17 Z 4 zweiter Satz TirHG, derzufolge die Entscheidung über das Vorhandensein von Ausschließungsgründen dem Abhandlungsgericht zusteht. Damit wird - anders als etwa nach § 7 Z 4 KrntHöfeG - die Zuständigkeit des Abhandlungsgerichtes zur Entscheidung über Ausschließungsgründe festgelegt. In welcher Form diese Entscheidung zu treffen ist, kann dieser Bestimmung dagegen nicht entnommen werden. Schon deshalb kann die Entscheidung in Form der Zuweisung des geschlossenen Hofes an die erbl. Witwe und der Darlegung in der Begründung, daß der Hof schon deshalb der Witwe zuzuweisen sei, weil der uneheliche erbl. Sohn (gemäß § 17 Z 4 lit b TirHG) von der Hofübernahme ausgeschlossen sei, weder offenbar gesetzwidrig noch etwa - weil hiebei eine verfahrensrechtliche Frage angeschnitten wird - von einer Nichtigkeit betroffen sein. Im übrigen kann der Entscheidungswille der Vorinstanzen nach Inhalt des Spruches im Zusammenhalt mit der Begründung nicht zweifelhaft sein: Der geschlossene Hof wurde der erbl. Witwe deshalb zugewiesen, weil nicht sie, wohl aber der Rechtsmittelwerber von der Berufung zum Anerben ausgeschlossen sei. Von der behaupteten Unüberprüfbarkeit der bekämpften Entscheidung kann demnach keine Rede sein. Bei dieser Rechtslage ist das Rekursgericht zu Recht auf die Frage, wer von den beiden Bewerbern dem anderen als Anerbe vorgehe, nicht weiter eingegangen.

Als Nichtigkeit rügt Wolfgang B*** schließlich, daß die Vorinstanzen die Einholung eines gerichtsärztlichen Gutachtens zur Prüfung der Frage, ob er infolge des festgestellten Alkoholismus außerstande sei, den Hof ordnungsgemäß zu bewirtschaften, unterlassen hätten.

Das Rekursgericht hat dargelegt, weshalb es diese Feststellung des Erstgerichtes für unbedenklich hält. Tatfragen sind auch im Verfahren außer Streitsachen der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Mit den Rechtsmittelausführungen, die darauf abzielen, daß die erstinstanzlichen Feststellungen ohne gerichtsärztliche Begutachtung nicht hätten getroffen werden dürfen, will Wolfgang B*** einen Verfahrensmangel aufzeigen. Verfahrensmängel sind nach § 16 Abs 1 AußStrG nur dann taugliche Anfechtungsgründe, wenn ihnen das Gewicht einer Nichtigkeit zukommt. Das trifft bei Verstößen gegen die richterliche Stoffsammlungspflicht gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG jedoch im allgemeinen und auch im vorliegenden Fall nicht zu. Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.

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