Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.925,93 EUR (davon 320,99 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Erstkläger war im März 2012 Klubobmann der Zweitklägerin.
Die Beklagte ist Medieninhaberin der Online‑Zeitung www.d *****. Auf dieser Website betreibt sie auch ein Online‑Diskussionsforum. Nutzer der Website haben dabei die Möglichkeit, ihre Meinungen und Kommentare zu Artikeln, die die Beklagte veröffentlicht hat, abzugeben, indem sie Beiträge posten. Hiefür müssen sich die Nutzer unter Angabe des Vor‑ und Nachnamens sowie ihrer E‑Mail‑Adresse registrieren und einen Benutzernamen mit Passwort wählen. Um die Posting‑Funktionen tatsächlich ausüben zu können, muss ein Benutzeraccount aktiviert werden. Diese Aktivierung erfolgt, nachdem ein im Bestätigungsmail angeführter Link aufgerufen wird, wobei aber die Angaben nicht überprüft werden.
Optional können auch Adresse, Geburtsdatum, Telefonnummer, Beruf, Ausbildung, Firma, Webadresse sowie Haushaltsnettoeinkommen angegeben werden. Bei jeder weiteren Nutzung müssen sich die User vorher mit Benutzernamen und Passwort anmelden.
Der Beklagten sind der im Registrierungsvorgang angegebene Name (verpflichtende Angabe), die Postanschrift (Optional) und die E‑Mail‑Adresse (verpflichtende Angabe) bekannt.
Seitens der Beklagten kommt es zu einer intensiven Kontrolle, um gegen die Forenregeln verstoßende Postings zu filtern. Vor der Freischaltung erfolgt diese Filterung automatisiert durch das Computerprogramm „Foromat“. Wenn dabei etwas Nichtentsprechendes auffällt, kontrollieren Mitarbeiter, ob freigeschaltet wird oder nicht. Die Nutzer posten zu den von der Beklagten veröffentlichten Artikeln Kommentare und Meinungen.
Am 19. 3. 2012 erschien auf der Website der Beklagten ein Artikel mit dem Titel „Gebrüder S***** gehen gegen Foren‑User vor“, zu dem mehr als 1.600 Beiträge im Diskussionsforum gepostet wurden.
Am 23. 3. 2012 veröffentlichte der Nutzer mit dem Benutzernamen rrrn folgendes Posting:
„War zu erwarten, dass FPOe/K, BZOe ...‑Gegner ueber die Straenge schlagen. Waere nicht passiert, wenn diese Parteien verboten worden waeren wegen ihrer dauernden Nazi‑wiederbelebung.“
Am 22. 3. 2012 veröffentlichte der Nutzer mit dem Benutzernamen Tango Korrupti2013 folgendes Posting:
„Korrupte Polit‑Arschlöcher vergessen, wir nicht Wahltag ist Zahltag!!!!!“
Ob bei diesen Postings der „Foromat angeschlagen“ hat und sie erst danach manuell freigegeben wurden, kann nicht festgestellt werden.
Um gegen die Nutzer rrrn und Tango Korrupti2013 sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich vorgehen zu können, forderten die Kläger die Beklagte am 3. 4. 2012 schriftlich auf, ihnen Namen, Adresse und E‑Mail‑Adresse dieser User bekanntzugeben, was die Beklagte ablehnte. Sie löschte aber die beiden Postings.
Der Erstkläger begehrt die Bekanntgabe des Namens, der Adresse und der E‑Mailadresse des Users Tango Korrupti2013, die Zweitklägerin die Bekanntgabe dieser Daten des Users rrrn.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beiden inkriminierten Äußerungen seien vier bzw fünf Tage nach dem Erscheinen des Artikels im Rahmen von insgesamt mehr als 1.600 Postings online gestellt worden. Der Bezug zum Artikel und damit auch zum Erstkläger sei daher ganz offensichtlich nicht mehr im Vordergrund gewesen, sondern die sich verselbständigende Diskussion der diversen Poster, die jeweils aufeinander und ihre Äußerungen Bezug nehmen. Ein direkter Bezug zum Erstkläger, der von keinen Korruptionsverfahren betroffen sei, sei durch das inkriminierte Posting nicht herzustellen. Die Zweitklägerin sei zwar Betroffene des Postings des Nutzers Tango Korrupti2013, jedoch hätten Politiker und Politikerinnen der Zweitklägerin tatsächlich Worte verwendet, die in der Diktion der Nationalsozialisten wurzelten. Damit sei ein Tatsachensubstrat und Faktengerüst vorhanden, das die Formulierung „Nazi-Wiederbelebung“ rechtfertige.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts im klagestattgebenden Sinn ab. Die Äußerungen der beiden User könnten grundsätzlich tatbestandsmäßig im Sinn des § 1330 ABGB sein. Die im Einzelfall notwendige Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung, Werturteil und Wertungsexzess sei erst im Verfahren gegen den konkreten Poster zu prüfen. Auf das Redaktionsgeheimnis könne sich die Beklagte auch im vorliegenden Fall des festgestellten „moderierten Forums“ nicht berufen. Unter einem moderierten Forum sei in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass alle Beiträge der User sofort gespeichert werden, aber die Veröffentlichung nicht vor Freigabe durch die Administration/Moderation erfolgt. Im nicht moderierten Betrieb seien Beiträge direkt nach dem Posten zu lesen. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liege darin, dass zwar eine unmittelbare Veröffentlichung eines Beitrags hintangehalten werde und vor der Freischaltung eine durch ein Computerprogramm vorgenommene automatisierte Kontrolle erfolge, um gegen die Forenregeln verstoßende Postings zu filtern. Die von den Klägern inkriminierten persönlichen Angriffe verstießen wohl auch gegen die „Community‑Richtlinien“ der Beklagten, zumal solche Richtlinien die Grenzen des gesetzlich erlaubten „zulässigerweise“ nicht überschreiten dürfen. Allein die Installierung eines Computerprogramms zur „Moderation“ erfülle den für die Berufung auf das Redaktionsgeheimnis notwendigen Zusammenhang eines Postings mit einer journalistischen Tätigkeit eines Medienmitarbeiters nicht.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine Berufung auf das Redaktionsgeheimnis auch im Fall eines durch ein Computerprogramm moderierten Diskussionsforums eines Medienunternehmens zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Ein Diensteanbieter, der von einem Nutzer eingegebene Informationen speichert, ist für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen nicht verantwortlich, sofern er von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder Information keine tatsächliche Kenntnis hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird (§ 16 Abs 1 Z 1 ECG).
2. Nach § 18 Abs 4 ECG haben die in § 16 ECG genannten Diensteanbieter den Namen und die Adresse eines Nutzers ihres Dienstes, mit dem sie Vereinbarungen über die Speicherung von Informationen abgeschlossen haben, auf Verlangen dritten Personen zu übermitteln, sofern diese ein überwiegendes rechtliches Interesse an der Feststellung der Identität eines Nutzers und eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts sowie überdies glaubhaft machen, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet.
3. Nach ständiger Rechtsprechung besteht im Hinblick auf § 18 Abs 4 ECG grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft über eine E‑Mail‑Adresse (6 Ob 188 /14m mwN). Unter Name und Adresse eines Nutzers im Sinn des § 18 Abs 4 ECG sind grundsätzlich dessen Vor‑ und Zuname und dessen Postanschrift, aber auch dessen E‑Mail‑Adresse zu verstehen (RIS‑Justiz RS0127160).
4. In der Entscheidung 6 Ob 133/13x sprach der erkennende Senat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie die Materialien zum Mediengesetz aus, dass eine Berufung auf das Redaktionsgeheimnis dann unzulässig ist, wenn ein Posting in keinerlei Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit steht. Allein das Zurverfügungstellen des Online‑Forums reiche nicht aus, um den notwendigen Mindestzusammenhang zur Tätigkeit der Presse herzustellen (vgl 6 Ob 58/14v).
5. Nicht als geschützte Mitteilung sind Informationen zu qualifizieren, die eine der in § 31 Abs 1 MedienG genannten Personen gewinnt, ohne dass ihnen diese im Hinblick auf ihre Tätigkeit von jemandem (bewusst) zugänglich gemacht wurden (6 Ob 188/14m). Eine Berufung auf das Redaktionsgeheimnis ist dann unzulässig, wenn ein Posting in keinerlei Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit steht. Es muss also zumindest irgendeine Tätigkeit/Kontrolle/Kenntnisnahme eines Medienmitarbeiters intendiert sein, damit der Schutz des § 31 MedienG in Anspruch genommen werden kann (6 Ob 188/14m).
6. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. In dem der Entscheidung 6 Ob 133/13x zugrunde liegenden Fall gab es seitens der beklagten Partei überhaupt keine Moderation; die Benutzer dieser Website konnten ohne vorhergehende Kontrolle ihre Beiträge posten. Im vorliegenden Fall wurden die Beiträge dem gegenüber zwar nicht unmittelbar veröffentlicht, sondern vor der Freischaltung einer durch das Computerprogramm durchgeführten Kontrolle unterzogen. Wenn etwas Nichtentsprechendes auffällt, werden die Beiträge von Journalisten geprüft. Der bloße Umstand, dass ein Computerprogramm aufgrund von Schlagworten die Beiträge vorprüft, reicht ‑ wie der erkennende Senat jüngst in der Entscheidung 6 Ob 188/14m, die das Online‑Diskussionsforum der Beklagten betrifft, ausgesprochen hat ‑ nicht aus, den erforderlichen Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit herzustellen. Dass ‑ wie die Beklagte in der Klagebeantwortung behauptete ‑ unabhängig von dem ‑ vom Erstgericht festgestellten ‑ Überprüfungsvorgang die Postings auch von der Redaktion regelmäßig überprüft werden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Diese Prüfung betrifft bereits freigeschaltete Postings. Dies ergibt sich aus der unmittelbar an die Behauptung anschließenden Ausführung, dass manche Diskussionsforen sogar gesperrt würden, wenn Diskussionen eskalieren. Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt eine journalistische Kontrolle von Postings, die die Filterung durch das Computerprogramm passierten und ohne weitere Kontrolle durch einen Mitarbeiter veröffentlicht wurden, nicht für den Schutz nach § 31 MedienG. Dieser Fall liegt wertungsmäßig nicht anders als jener, der der Entscheidung 6 Ob 133/13x zugrunde lag. Postings, die völlig ohne journalistische Kontrolle und Bearbeitung und allein aus dem eigenen Antrieb des Nutzers veröffentlicht werden, fehlt es am notwendigen Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit.
6. Mangels eines derartigen Zusammenhangs mit der journalistischen Tätigkeit liegt aber auch kein unzulässiger Eingriff in das Recht der freien Meinungsäußerung nach Art 10 MRK oder das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG vor, wenn die Beklagte die Daten ihrer Benutzer bekannt geben muss, sobald eine Verurteilung des Posters nach § 1330 ABGB möglich erscheint.
7. § 18 Abs 4 ECG spricht lediglich von einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des überwiegenden rechtlichen Interesses an der Feststellung der Identität eines Nutzers, hinsichtlich eines bestimmten rechtswidrigen Sachverhalts und hinsichtlich des Umstands, dass die Kenntnis dieser Informationen eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtsverfolgung bildet. Die nach § 1330 ABGB im Einzelfall notwendige Grenzziehung zwischen Tatsachenbehauptung, Werturteil und Wertungsexzess ist damit nicht im Auskunftsverfahren gegen den Betreiber der Website näher zu prüfen, sondern erst im Verfahren gegen den konkreten Poster. Voraussetzung ist lediglich, dass aufgrund einer groben Prüfung der vom Kläger geltend gemachten Verletzungen eine Verurteilung nach § 1330 ABGB nicht gänzlich auszuschließen ist (6 Ob 188/14m; 6 Ob 133/13x).
8. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Diensteanbieter im Sinn des § 16 ECG nur dann für Rechtsverletzungen seiner Kunden in Anspruch genommen werden, wenn die Rechtsverletzungen auch für einen juristischen Laien ohne weitere Nachforschungen offenkundig sind (RIS‑Justiz RS0114374). Ob dies der Fall ist, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0114374 [T4]). Nach den Gesetzesmaterialien (817 BlgNR 21. GP ) ist auch für Zwecke des § 18 Abs 4 ECG ähnlich wie bei der Beurteilung der tatsächlichen Kenntnis im Sinn des § 16 ECG auf die Fähigkeiten und das Wissen eines juristischen Laien abzustellen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass bei § 16 ECG und bei § 18 Abs 4 ECG eine völlige Gleichsetzung hinsichtlich der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erfolgen könnte (6 Ob 188/14m). Bei § 16 ECG geht es darum, dass der Diensteanbieter von der Haftung freigestellt ist, wenn er sich keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird. Hiefür ist nach den Gesetzesmaterialien und herrschender Auffassung ‑ wie ausgeführt ‑ auf die Fähigkeiten eines juristischen Laien abzustellen. Dies gilt auch für § 18 Abs 4 ECG. Bei dieser Gesetzesstelle besteht jedoch die Besonderheit, dass es nicht darauf ankommt, ob der Laie von sich aus erkennen kann, dass ein rechtswidriger Sachverhalt vorliegt, sondern ob ihm gegenüber die Glaubhaftmachung eines rechtswidrigen Sachverhalts gelungen ist. Entscheidend ist daher, ob ein juristischer Laie nach entsprechendem Hinweis erkennen kann, dass eine Verurteilung nach § 1330 ABGB nicht gänzlich auszuschließen ist (6 Ob 188/14m; 6 Ob 133/13x). Diese Voraussetzung ist aber im vorliegenden Fall zu bejahen.
9. Der Zweitklägerin wird „dauernde Nazi‑Wiederbelebung“ vorgeworfen. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht einen hinreichenden Bezug der Äußerung „korrupte Polit-Arschlöcher“ zum Erstkläger ‑ einem der in der Artikelüberschrift genannten Brüder ‑ angenommen. Aus den Feststellungen ergibt sich nicht, dass dieses Posting bloß auf ein Posting eines anderen Users im Rahmen eines vom die Diskussion initiierenden Artikel losgelösten Forums Bezug nimmt. Dass diese Bezeichnung tatbestandsmäßig im Sinn der Fälle des § 1330 ABGB sein kann, ist nicht auszuschließen. Damit ist aber auch ein überwiegendes Interesse der Kläger an der Bekanntgabe der Daten der Nutzer dargetan. Die Beklagte hat zwar die beanstandeten Postings gelöscht. Die Kläger sind aber mit dem Risiko konfrontiert, dass diese Nutzer, gegen die sie ohne Bekanntgabe nicht vorgehen können, ihre Insultationen auf anderen Websites fortsetzen (vgl 6 Ob 133/13x).
10. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
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