OGH 6Ob142/12v

OGH6Ob142/12v19.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. H***** S.A., *****, 2. B***** Ltd, *****, beide vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 30.300 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. April 2012, GZ 30 R 3/12z-18, mit dem das Versäumungsurteil des Handelsgerichts Wien vom 17. November 2011, GZ 49 Cg 341/10d-13, in Ansehung der erstbeklagten Partei als nichtig aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, der Erstbeklagten die mit 1.680,84 EUR (darin 280,14 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (vgl § 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig:

1. Ein Beschluss, mit dem das Berufungsgericht lediglich das Ersturteil und/oder (teilweise) das diesem vorangegangene Verfahren wegen Nichtigkeit aufhob, ohne auch auf Zurückweisung der Klage zu erkennen, ist - sofern dadurch nicht dem Verfahren ein Ende gesetzt wurde (jüngst 3 Ob 30/11z mwN [analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO]) - nur dann anfechtbar, wenn das Berufungsgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt hat (Fasching 1 IV 412 f; ders, Lehrbuch2 [1990] Rz 1981; Pimmer in Fasching/Konecny, ZPO2 [2005] § 479 Rz 6; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO2 [2005] § 519 Rz 46; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 [2006] § 479 Rz 2; 5 Ob 535/86; 9 ObA 120/89 mwN; 2 Ob 2317/96s; 1 Ob 103/03h). Diese Auffassung wird zum einen auf § 479 Abs 1 ZPO, zum anderen auf § 519 Abs 1 Z 3 ZPO idF vor der WGN 1989 (nunmehr § 519 Abs 1 Z 2 ZPO) gestützt, woraus weiters folgt, dass die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof zusätzlich vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne von § 519 Abs 2, § 502 Abs 1, § 528 Abs 1 ZPO abhängt (§ 519 Abs 2 ZPO ausdrücklich, § 479 Abs 1 iVm § 526 Abs 2 ZPO [E. Kodek aaO]).

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des Begriffs „Vertriebsgesellschaft“ in §§ 26, 29, 30 und 31 InvFG sowie zur Frage, ob bereits bei Zuweisung einzelner vertriebsähnlicher Aufgaben im Emissionsprospekt vom Vorliegen einer Vertriebsgesellschaft im Sinne der genannten Bestimmungen auszugehen ist.

2. Sowohl nach § 29 Abs 1 InvFG 1993 als auch nach § 180 Abs 1 InvFG 2011 vertritt der Repräsentant (hier: U***** AG) die ausländische Kapitalanlagegesellschaft (hier: Erstbeklagte) gerichtlich und außergerichtlich. Er gilt als zum Empfang der für die Kapitalanlagegesellschaft, die Verwaltungs-gesellschaft, die Vertriebsgesellschaft und den öffentlichen Anbieter bestimmten Schriftstücke ermächtigt. Diese Befugnisse können nicht beschränkt werden.

2.1. Dass die Erstbeklagte als Depotbank nicht Verwaltungsgesellschaft im Sinn dieser Bestimmungen ist, bezweifelt die Klägerin nicht. Einer Auseinandersetzung mit der an der Entscheidung 7 Ob 133/07w geäußerten Kritik (Kreisl, Zu Inhalt und Bedeutung des Rechtsbegriffs „Verwaltungsgesellschaft“ nach § 1a Abs 2 Z 1 iVm § 29 Abs 1 und 2 InvFG im Lichte des OGH Erkenntnis vom 4. 7. 2007, ZFR 2007/100; ders, ZFR 2007/114 [Entscheidungsanmerkung]; Kammel in Macher/Buchberger/Kalss/Oppitz, InvFG [2008] § 1a Rz 13) bedarf es somit nicht.

2.2. Nach herrschender Auffassung ist Vertriebsgesellschaft im Sinn dieser Bestimmungen die Hauptvertriebsgesellschaft (principal underwriter [Pfüller in Brinkhaus/Scherer, Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften - Auslandinvestment-Gesetz [2003] § 2 AuslInvestmG Rz 6; Buchberger in Macher/Buchberger/Kalss/Oppitz, InvFG [2008] § 26 Rz 42; Erhard in Berger/Lübbehüsen/Steck, Investmentgesetz [2010] § 138 Rz 3 mwN]; general distributor [Pfüller aaO]). Sie ist die für den Vertrieb der Anteile zuständige Verkaufsgesellschaft (Pfüller aaO), der also von der Kapitalanlagegesellschaft vertraglich das Recht eingeräumt wird, neue Fondsanteile zu emittieren; sie verpflichtet sich vertraglich gegenüber dem Fonds, dessen (gesamten) Anteile zu übernehmen, diese beim Publikum zu platzieren und die Anteilscheinrücknahme abzuwickeln (Buchberger aaO). Die Hauptvertriebsgesellschaft kann sich dazu eigener Vertriebsgesellschaften bedienen (Buchberger aaO), die aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der Hauptvertriebsgesellschaft (oder auch mit der ausländischen Kapitalanlagegesellschaft) den Vertrieb der Anteile an dem ausländischen Kapitalanlagefonds im Inland übernehmen (Paul, Investmentgeschäft [2003] 147).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen übt die Erstbeklagte nicht nur die Funktion einer Depotbank aus, sondern ist auch als Sub-Registrierungsstelle tätig. Zu ihren Aufgaben gehören also die Führung des Anteilinhaberregisters, die Ausgabe und Rückstellung der Anteile sowie das Behandeln von Kundenanfragen; des Weiteren sind Zahlungen aufgrund von Zeichnungen des Fonds an sie zu richten. Das Berufungsgericht hat daraus abgeleitet, die Erstbeklagte sei nicht zur Hauptvertriebsgesellschaft bestellt und auch nicht mit dem Vertrieb der Fondsanteile im Inland betraut worden.

Wenn nun die Klägerin dem in ihrer Revision entgegen hält, es sei „anders als über die [Erstbeklagte] zu keinem Zeitpunkt möglich [gewesen], Anteile des streitgegenständlichen Wertpapiers zu erwerben“, verstößt sie zum einen gegen das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO); zum anderen widerspricht sie auch ihrem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen, wonach sie die Fondsanteile von der M***** AG beziehungsweise der U***** AG erworben habe. Damit ist aber die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung - nach den hier maßgeblichen Verfahrensergebnissen - durchaus vertretbar, wonach die Erstbeklagte weder Hauptvertriebsgesellschaft noch eine in Österreich tätige (nachgeordnete) Vertriebsgesellschaft war.

Dann wurde die U***** AG aber auch nicht als Repräsentantin für die Erstbeklagte tätig.

3. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Erstbeklagte hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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