Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung
Das am 15. 8. 1998 geborene eheliche Kind ist wie seine Mutter österreichische Staatsbürgerin, der Vater ist deutscher Staatsbürger. Die Familie lebte gemeinsam in Deutschland. Die Ehe der Eltern wurde am 16. 10. 2001 von einem deutschen Amtsgericht geschieden. Ein Antrag der Mutter, ihr das alleinige Sorgerecht zu übertragen, wurde zurückgewiesen. Schon vor der Ehescheidung lösten die Eltern im August 2000 den gemeinsamen Haushalt auf. Das Kind blieb im Haushalt der Mutter. Die Eltern schlossen am 8. 5. 2001 eine gerichtlich genehmigte Besuchsrechtsvereinbarung.
Am 26. 7. 2002 übersiedelte die Mutter mit dem Kind nach Österreich in den Heimatort der mütterlichen Großeltern. Der Vater stellte einen Antrag auf Rückführung des Kindes nach dem Haager Übereinkommen vom 25. 10. 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ). Die Mutter habe das Kind trotz der gemeinsamen Obsorgeberechtigung ohne Einverständnis mit dem Vater nach Österreich verbracht.
Die Vorinstanzen wiesen den Antrag des Vaters ab. Von den getroffenen Feststellungen ist hervorzuheben, dass die gemeinsame Obsorge nicht ausgeübt worden sei. Der Vater habe sich auf die Ausübung seines Besuchsrechtes beschränkt. Die Mutter sei die primäre Bezugsperson des Kindes, das sich in der neuen Umgebung in Österreich gut eingelebt habe. Bei einer Rückführung des Kindes zum Vater sei mit dem Widerstand des Kindes zu rechnen. Die Rückführung würde einen traumatischen Einschnitt in der Kindesentwicklung bedeuten und zu einem seelischen Schaden führen.
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach Art 3 lit a und b HKÜ gilt das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes als widerrechtlich, wenn dadurch ein Sorgerecht verletzt wird und "dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte". Diese beiden Voraussetzungen (Sorgerecht und tatsächliche Ausübung desselben) müssen kumulativ vorliegen (8 Ob 368/97v). Dies wurde auch in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 35/97s = SZ 70/27 ausgesprochen. Auch wenn dort der Sachverhalt insofern anders lag, als die Mutter die alleinige Obsorgeberechtigung hatte, ändert sich an dem dort ebenfalls hervorgehobenen Umstand nichts, dass es nach dem klaren Wortlaut des HKÜ auch auf die tatsächliche Ausübung des angeblich verletzten Sorgerechts (hier des Mitobsorgerechts des Vaters nach deutschem Recht) ankommt.
2. Entgegen der Meinung des Revisionsrekurswerbers ist nach den getroffenen Feststellungen, an die der Oberste Gerichtshof, der nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, gebunden ist, die Bejahung eines Rückführungshindernisses nach Art 13 Abs 1 lit b HKÜ wegen der Gefahr eines seelischen Schadens des Kindes nicht zu beanstanden. Schon wegen dieser Bindung an den festgestellten Sachverhalt bedarf es nicht der vom Rekurswerber angestrebten Auseinandersetzung mit deutscher Judikatur zum Nachweis dafür, dass die mit einem neuerlichen Aufenthaltswechsels im Allgemeinen verbundene Belastung des Kindes für sich allein kein Rückführungshindernis bilde. Die Gefahr eines seelischen Schadens wurde hier ausdrücklich festgestellt. Im Übrigen hängt die Frage, ob die Rückführung des Kindes mit einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls verbunden ist, von den Umständen des Einzelfalls ab, ohne dass für andere Fälle präjudizielle Rechtsgrundsätze formuliert werden könnten (vgl 6 Ob 294/99z).
3. Zu der gerügten Unterlassung einer mündlichen Rekursverhandlung ist dem Rekurswerber nur zu erwidern, dass es im außerstreitigen Verfahren genügt, dass den Parteien das rechtliche Gehör durch die Einräumung von schriftlichen Äußerungen eingeräumt wird (RIS-Justiz RS0003696) und dass eine öffentliche Verhandlung nicht zwingend angeordnet ist (8 Ob 368/97v).
4. Die mangelnde Bestellung eines Vertreters für den Vater im Sinne des § 5 Abs 2 des Bundesgesetzes zur Durchführung des Kindesentführungsübereinkommens, BGBl 1988/513, wurde über Verfahrensrüge des Vaters vom Rekursgericht behandelt, das Vorliegen eines Verfahrensmangels aber verneint. Vom Gericht zweiter Instanz verneinte Nichtigkeiten oder Verfahrensmängel erster Instanz können auch im außerstreitigen Verfahren nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht zum Gegenstand eines Revisionsrekurses gemacht werden (RS0007232).
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