OGH 6Ob126/23g

OGH6Ob126/23g15.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. DI T* L*, geboren *, 2. J* L*, geboren *, beide *, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P* GmbH, FN *, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, und deren Nebenintervenientin K* Rechtsanwälte GmbH, *, als Masseverwalterin im Konkurs der C* Aktiengesellschaft, FN *, wegen 80.945,58 EUR sA (Erstkläger) und 79.854,24 EUR sA (Zweitkläger), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2023, GZ 1 R 189/22d‑122, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00126.23G.0515.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Insolvenzrecht, Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[2] 2. Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile in einem ebenfalls eine Klage eines Bankkunden gegen die hier beklagte Abschlussprüferin der (selben) Bank betreffenden Verfahren (an dem die hier einschreitenden Parteienvertreter beteiligt waren) zur Frage der Aktivlegitimation bei Insolvenz der Bank und der Aufteilung der jeweiligen Haftungshöchstsumme des § 275 Abs 2 UGB zwischen der geprüften Gesellschaft und den geschädigten Drittgläubigern Stellung genommen (3 Ob 58/23k):

[3] Danach kommt der geprüften Gesellschaft bei Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Abschlussprüfer der Vorrang gegenüber den Schadenersatzansprüchen von Drittgläubigern zu (ErwGr 4.3.). Beim Anspruch auf vorrangige Befriedigung der geprüften Gesellschaft handelt es sich um einen anspruchsvernichtenden Einwand, der spätestens mit der Zahlung an die geprüfte Gesellschaft entsteht. Soweit dieser Umstand bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Titelverfahren eines nachrangigen Drittgläubigers eingetreten ist, muss er dort eingewendet werden, andernfalls handelt es sich um einen Oppositionsgrund (ErwGr 5.3.). Der Bankkunde ist, auch wenn sich die geprüfte Gesellschaft in Insolvenz befindet, für die von ihm wegen seines Vertrauens auf die angeblich fehlerfrei erteilten Bestätigungsvermerke geltend gemachten Schadenersatzansprüche aktiv klagslegitimiert (ErwGr 7.).

[4] Gegenständlich ist das Verfahren über die Schadenersatzklage der geprüften Gesellschaft (der Nebenintervenientin) gegen die (auch) hier Beklagte nach den Feststellungen aber noch anhängig, sodass eine bereits erfolgte Zahlung und damit eine allfällige Erschöpfung des Haftungsfonds zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht eingetreten ist.

[5] 3.1. Ein Vertrag zwischen einem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft ist ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, nämlich zu Gunsten jener (potentiellen) Gläubiger der geprüften Gesellschaft, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollen und dann bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen davon ausgehen können, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres (potentiellen) Schuldners nach fachmännischer Ansicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen (RS0116076). In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass ein Abschlussprüfer, der die gebotene Sorgfalt vernachlässigt und deshalb einen unrichtigen Bestätigungsvermerk ausstellt, einem Dritten, der im Vertrauen auf die Verlässlichkeit dieses Bestätigungsvermerks disponiert und dadurch einen Schaden erleidet, ersatzpflichtig wird (4 Ob 145/21h [ErwGr 3.3.2.]; 7 Ob 194/13z [ErwGr II.2.]; 8 Ob 105/13v [ErwGr 3.3.]; RS0116077; RS0129123).

[6] 3.2. Im vorliegenden Fall tätigten die Kläger bei der geprüften Bank Einzahlungen auf Sparbücher, ohne dass (Vermögens-)Berater involviert gewesen wären. Sie wussten, dass Banken geprüft werden und vertrauten auf die Richtigkeit der Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer, sahen sich Jahresabschlüsse der Bank und Bestätigungsvermerke aber nicht an.

[7] 3.3. Nach Ansicht des Berufungsgerichts genügte dieses (bloß) abstrakte Vertrauen auf die Prüfung der Bank durch Wirtschaftsprüfer nicht, um eine Haftung der Beklagten aufgrund der von ihr erteilten unrichtigen Bestätigungsvermerke zu begründen.

[8] Diese Beurteilung bewegt sich im Rahmen der erörterten Rechtsprechungsgrundsätze.

[9] 4.1. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt die Möglichkeit einer Haftung einer Abschlussprüferin gegenüber Anlegern für den Fall von Sorgfaltspflichtverletzungen auch dann bejaht, wenn die Information über eine pflichtgemäße, aber tatsächlich (pflichtwidrig) nicht erfolgte Einschränkung des Bestätigungsvermerks durch die Abschlussprüferin den Anlegern zugekommen wäre und die Anleger aufgrund dieser Information das Investment unterlassen oder sofort verkauft hätten (10 Ob 46/13g; 10 Ob 48/13a; 6 Ob 187/13p; 5 Ob 208/13v).

[10] 4.2. Bei ordnungsgemäßer Prüfung durch die Beklagte wären die wesentlichen Fehldarstellungen der Organe der Bank erkannt worden. Aufgrund der Berichtspflicht der Bankprüferin gemäß § 63 Abs 3 BWG an die Finanzmarktaufsicht (FMA) und die Österreichische Nationalbank (OeNB) hätte die FMA den Geschäftsbetrieb sogleich untersagt und es wäre gar nicht zur Erteilung eines Bestätigungsvermerks bzw zur Verweigerung des Bestätigungsvermerks gekommen.

[11] Mit seiner Ansicht, damit wäre der von den Klägern behauptete hypothetische Geschehnisablauf bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten, nämlich die Kenntnisnahme einer Versagung des Bestätigungsvermerks durch Medienberichte, nicht eingetreten, weshalb die Kläger auch auf diesen Umstand eine Haftung der Beklagten nicht stützen könnten, ist das Berufungsgericht (auch) nicht von dieser Judikatur abgewichen.

[12] 4.3. Ob zwischen den dargelegten Entscheidungen und der unter Punkt 3.1. erörterten Rechtsprechung allenfalls Divergenzen bestehen, muss daher im vorliegenden Fall mangels Relevanz nicht beurteilt werden. Dass sich die Malversationen der Organe der Bank bereits im Zuge einer ordnungsgemäßen Abschlussprüfung ergeben und verbreitet und die Kläger davon vor einer Schließung des Geschäftsbetriebs Kenntnis erlangt hätten, wurde weder festgestellt noch haben die Kläger dies in erster Instanz behauptet.

[13] 5.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der ebenfalls eine Klage eines Bankkunden gegen den Abschlussprüfer betreffenden Entscheidung 4 Ob 145/21h (ErwGr 3.4.) bereits ausgesprochen, dass der vom Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begünstigte Personenkreis von der Rechtsprechung im Sinne der von ihr entwickelten Grundsätze (vgl RS0022814) bewusst eng gezogen wird. Es reicht demnach noch nicht aus, dass der Schaden nur deshalb entstanden ist, weil die vom Beklagten geprüfte Gesellschaft wegen des allfällig fehlerhaften Vermerks noch Jahre weiterexistieren konnte, wodurch ein Investment des Klägers (überhaupt erst) möglich war.

[14] 5.2. Das Berufungsgericht hat sich dieser Beurteilung angeschlossen, gegen die die Revision keine inhaltlichen Argumente vorbringt. Auch eine Divergenz zuder Entscheidung 5 Ob 208/13v liegt insoweit nicht vor. Vielmehr wurde dort (unter Hinweis auf die [auch] hier unter Punkt 4.1. erörterten Judikate) als entscheidend angesehen, ob zu erwarten gewesen wäre, dass die Vermögensberaterin des dortigen Klägers bei Einwänden des Abschlussprüfers zu den einzelnen Jahresabschlüssen Kundenwarnungen vorgenommen hätte (5 Ob 208/13v [ErwGr 8.]). Das wäre aber nicht nötig gewesen, wenn als Haftungsgrundlage ausgereicht hätte, dass (wie dort vorgebracht wurde) eine Veranlagung 2007 bei pflichtgemäßem Verhalten des Wirtschaftsprüfers ohnehin schon mangels weiterer Existenz der geprüften Gesellschaft ab 2000 praktisch gar nicht mehr möglich gewesen wäre.

[15] 5.3. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vermag die Revision damit auch insoweit nicht aufzuzeigen.

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