OGH 6Ob119/09g

OGH6Ob119/09g18.12.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der zur Eintragung angemeldeten N*****GmbH mit dem Sitz in S*****, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch die Geschäftsführer Mag. E***** R*****, und C***** S*****, diese vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. März 2009, GZ 28 R 252/08x-10, womit über Rekurs der Gesellschaft der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 29. September 2008, GZ 18 Fr 2682/08h-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Abweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Gesellschafter der einzutragenden Gesellschaft mbH sind die B***** GmbH und die Stadt S*****. Die erstgenannte Gesellschaft bevollmächtigte Mag. M***** H***** mit der dem Gesellschaftsvertrag angeschlossenen Spezialvollmacht, „für sie einen Gesellschaftsvertrag mit der Stadt S***** zur Gründung der 'N***** GmbH' mit dem Sitz in S***** und einem voll einzuzahlenden Stammkapital von EUR 35.000, an welchem die B***** GmbH einen Geschäftsanteil entsprechend einer volleinbezahlten Stammeinlage von EUR 23.653 und die Stadt S***** einen Geschäftsanteil entsprechend einer voll einbezahlten Stammeinlage von EUR 11.347 übernimmt, sowie allfällige zur Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch erforderlichen Zusätze und Ergänzungen zu diesem in ihrem Namen abzuschließen und in der jeweils erforderlichen Form zu fertigen".

Nach einem erfolglosen Verbesserungsversuch wies das Erstgericht die von den Geschäftsführern beantragte Eintragung der Gesellschaft mbH in das Firmenbuch ab. Es begründete dies damit, dass eine Spezialvollmacht zur Unterfertigung des Gesellschaftsvertrags nach § 4 Abs 3 GmbHG die wesentlichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags zu enthalten habe, wozu auch, wie sich aus § 4 Abs 1 GmbHG ergebe, der Unternehmensgegenstand gehöre. Da die Vollmacht keine Bestimmungen zum Unternehmensgegenstand enthalte, sei sie unzureichend.

Das Rekursgericht gab dem von den Geschäftsführern erkennbar im Namen der Gesellschaft erhobenen Rekurs nicht Folge. Nach der Praxis der Firmenbuchgerichte habe die Spezialvollmacht (§ 4 Abs 3 GmbHG) den Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrags nach § 4 Abs 1 GmbHG zu enthalten. Zwar führten diese strengeren Kriterien für die Individualisierung des von der Spezialvollmacht erfassten Geschäfts zugleich auch zu einer Beschränkung der Vollmacht. Hiefür spräche aber Folgendes: § 4 Abs 3 GmbHG erfordere nicht nur die Beglaubigung der Spezialvollmacht, sondern auch deren Anschluss an den Gesellschaftsvertrag. Diese Regelung ziele offensichtlich darauf ab, Vertretungsmängel oder Streitigkeiten darüber möglichst hintanzuhalten. Dem gleichen Zweck diene auch die stärkere Konkretisierung der Spezialvollmacht durch den im § 4 Abs 1 GmbHG für den Gesellschaftsvertrag normierten Mindestinhalt. Die strengeren Voraussetzungen für die Spezialvollmacht seien überdies im Zusammenhang mit dem materiellen Publizitätsprinzip des Firmenbuchs zu sehen, das das Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Firmenbuchs schütze. Daher sei das Rekursgericht der Auffassung, dass die Spezialvollmacht nach § 4 Abs 3 GmbHG zur Individualisierung des Gesellschaftsvertrags die Mindestanforderungen des § 4 Abs 1 GmbHG für einen solchen Vertrag enthalten müsse.

Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil jüngere oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den inhaltlichen Mindestanforderungen einer Spezialvollmacht nach § 4 Abs 3 GmbHG fehle.

Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragen die beiden Geschäftsführer in dieser Eigenschaft, also namens der einzutragenden Gesellschaft, die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass dem Eintragungsantrag stattgegeben wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Gesellschaft mbH ist im Verfahren über die Ersteintragung parteifähig und wird von den vorgesehenen Organen vertreten (§ 15 Abs 2 FBG).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist auch berechtigt.

1. Die Gründer einer Gesellschaft mbH können sich beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags, der der Beurkundung durch einen Notariatsakt bedarf (§ 4 Abs 3 Satz 1 GmbHG), vertreten lassen. Die Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags durch Bevollmächtigte setzt „eine besondere, auf dieses einzelne Geschäft ausgestellte beglaubigte Vollmacht voraus, die dem Vertrage anzuschließen ist" (§ 4 Abs 3 Satz 2 GmbHG).

2. Der Oberste Gerichtshof hat dazu ausgesprochen (R I 588/14 NZ 1917, 243), dass mit der besonderen, auf das einzelne Geschäft ausgestellten Vollmacht die Individualisierung, nicht aber die Spezialisierung des Inhalts der Vollmacht gefordert ist. Deshalb ist es nicht notwendig, dass die Vollmacht den ganzen oder doch den gesamten wesentlichen Inhalt des erst abzuschließenden Gesellschaftsvertrags enthält. Es genügt vielmehr, wenn aus der Vollmacht zu ersehen ist, dass sie zwecks Abschlusses eines Gesellschaftsvertrags in Ansehung einer bestimmten, das ist im Einzelfall zureichend gekennzeichneten Gesellschaft mbH erteilt wurde. Im Übrigen kann dem Bevollmächtigten freie Hand gelassen werden.

3. Die Auffassungen im Schrifttum sind uneinheitlich:

3.1. Umfahrer (GmbH6 Rz 45) versteht diese Entscheidung dahin, dass die Vollmacht nicht den gesamten Vertragsinhalt enthalten müsse, wohl aber die wesentlichen Bestimmungen des Vertrags, wie die Namen der Gesellschafter, die Stammeinlage des Vollmachtgebers, das Stammkapital der Gesellschaft und den Unternehmensgegenstand). Diese Auffassung steht mit der Entscheidung NZ 1917, 243 im Spannungsverhältnis, verlangt diese doch gerade nicht, dass die Vollmacht den gesamten wesentlichen Inhalt des abzuschließenden Gesellschaftsvertrags wiedergeben muss. Er scheint der Meinung zu sein, dass die Vollmacht den gesamten Inhalt des Vertrags enthalten muss.

3.2. Reich-Rohrwig, GmbHR I² 1/37 (vgl auch Gellis/Feil, GmbHG7 § 4 Rz 13) ist der Ansicht, die Bestimmungen, die die Vollmacht zur Individualisierung des Gesellschaftsvertrags enthalten müsse, seien die Firma und der Gegenstand der Gesellschaft.

3.3. Wünsch (GmbHG § 4 Rz 60) lehrt, die Spezialvollmacht müsse nicht den ganzen Vertragsinhalt enthalten, wohl aber die wesentlichen Bestimmungen des Vertrags, also etwa Angaben zum Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrags im Sinn des § 4 Abs 1 GmbHG.

3.4. Ch. Nowotny (in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 4/49), Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 4 Rz 24 (unter Berufung auf die NZ 1917, 243) und Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5, 346, vertreten, dass die Vollmacht nicht den ganzen Vertragsinhalt und nicht alle wesentlichen Bestimmungen, wie Firma, Unternehmensgegenstand, Stammkapital und Beteiligung des Vollmachtgebers, enthalten müsse; es reiche aus, wenn sie sich auf den Abschluss des Gesellschaftsvertrags einer bestimmten, ausreichend gekennzeichneten Gesellschaft mbH beziehe, bzw die zur Individualisierung des Gesellschaftsvertrags erforderlichen Angaben enthalte. Es sei kein Anlass, strengere Anforderungen als sonst an die Spezialvollmacht (§ 1008 ABGB) zu stellen (Kastner/Doralt/Nowotny, Gesellschaftsrecht5, 346 FN 23, mit der weiteren Ausführung, dass in der Regel die beabsichtigte Firma und der Unternehmensgegenstand ausreichen [so auch Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 4 Rz 24]).

4. Der erkennende Senat hält an der in der Entscheidung NZ 1917, 243 geäußerten Rechtsauffassung fest:

4.1. Die Entscheidung verweist bereits auf (die Ähnlichkeit zur) Einzel-(Spezial-)vollmacht nach § 1008 ABGB. Zweck des § 1008 ABGB ist der Gefahr zu begegnen, dass sich der Machtgeber durch Erteilung einer allgemeinen Vollmacht dem Machthaber völlig ausliefert (3 Ob 542/77 SZ 51/81; Apathy in Schwimann, ABGB³ § 1008 Rz 2; Ehrenzweig, System I/1², 279). Der Geschäftsherr soll dadurch, dass er in der Vollmacht das einzelne Geschäft angeben muss, darauf besonders hingewiesen werden, dass derartige wichtige, ungewöhnliche oder gefährliche Geschäfte mit inbegriffen sind (7 Ob 655/79; Stanzl in Klang² IV/1, 809), wobei das an den Geschäftsherrn gerichtete Konkretisierungsgebot nicht allzu streng ist (Strasser in Rummel, ABGB³ § 1008 Rz 15).

4.2. Aus diesem, auch auf die von § 4 Abs 3 GmbHG geforderte Spezialvollmacht zutreffenden Zweck ergibt sich ihr notwendiger Inhalt. Sie muss unzweideutig erkennen lassen, dass sie zum Abschluss des betreffenden Gesellschaftsvertrags ermächtigt (vgl zum deutschen GmbHG: Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GroßKzGmbHG § 2 Rz 30; Michalski in Michalski, GmbHG § 2 Rz 33). Zu dieser notwendigen Individualisierung des Geschäfts in der Vollmacht ist es nicht erforderlich, alle in § 4 Abs 1 GmbHG genannten Bestimmungen, die der Gesellschaftsvertrag enthalten muss, in die Vollmacht aufzunehmen.

4.3. Der Auffassung des Rekursgerichts lässt sich entgegenhalten, dass infolge der Formbedürftigkeit der Vollmacht in diese nicht aufgenommene Beschränkungen nicht wirksam sind. Den behaupteten Zusammenhang der strengeren Anforderungen an den Inhalt der Vollmacht mit dem materiellen Publizitätsprinzip des Firmenbuchs hat das Rekursgericht nicht begründet. Er ist auch nicht ersichtlich.

4.4. Im Anlassfall enthält die Vollmacht zum Abschluss des Gesellschaftsvertrags mit Ausnahme des Unternehmensgegenstands alle Bestimmungen, die der Gesellschaftsvertrag gemäß § 4 Abs 1 GmbHG enthalten muss. Die Vollmacht nennt zudem auch den einzigen Gesellschafter, mit dem der Vertrag abgeschlossen werden soll. Diese Angaben in der Vollmacht reichen zur Individualisierung des Gesellschaftsvertrags aus.

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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