OGH 6Ob1/18t

OGH6Ob1/18t28.2.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten Dr. Schramm, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. E*****, gegen den Antragsgegner Dr. G*****, wegen Bestellung eines Kollisionskurators, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. September 2017, GZ 42 R 168/17t‑18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 10. März 2017, GZ 86 Nc 2/17g-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00001.18T.0228.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs im Kostenpunkt wird zurückgewiesen, im Übrigen wird ihm nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 2.227,86 EUR (davon 371,31 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Parteien sind die Gesellschafter einer Rechtsanwälte OG, die sich nach Kündigung durch den Antragsteller seit 1. 1. 2014 im Stadium der Liquidation befindet. Liquidatoren sind die Parteien.

Seit 24. 1. 2017 ist beim Handelsgericht Wien ein Prozess anhängig, in dem die (nicht vom Antragsgegner vertretenen) Kläger begehren, a) die beklagte Rechtsanwälte OG in Liquidation zur Unterlassung der Verwendung näher bezeichneter Informationen durch den Antragsteller zu verpflichten, b) die Haftung der Beklagten für alle Schäden aus der Verletzung dieser Verpflichtung festzustellen und c) die Beklagte zur Zahlung von 8.400 EUR für bereits entstandene Schäden zu verurteilen.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 11. 4. 2017 wurde auf Antrag des Antragstellers für die Rechtsanwälte OG in Liquidation ein Rechtsanwalt zum zusätzlichen Liquidator bestellt, der gemeinsam mit einem der beiden anderen Liquidatoren vertritt. Seine Vertretungsbefugnis wurde auf die zuvor genannte Rechtssache beschränkt.

Der Antragsteller beantragte am 24. 2. 2017 beim Erstgericht, für die Rechtsanwälte OG in Liquidation einen Kollisionskurator zu bestellen. Zwischen ihm und dem Antragsgegner bestehe ein Interessenwiderstreit, weil der Antragsgegner – ohne dies offenzulegen – den Erstkläger des Prozesses beim Handelsgericht Wien anwaltlich vertrete und dem Antragsteller vorgeworfen werde, in unzulässiger Doppelvertretung der Gattin des Erstklägers geschützte Informationen widerrechtlich gegen diesen verwendet zu haben.

Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sei zwar fraglich, ob der Notliquidator auch dann zur wirksamen Vertretung mit einem weiteren Liquidator berechtigt sei, wenn bei diesem eine Interessenkollision bestehe. Selbst wenn eine solche Kollision beim Antragsgegner vorläge, schließe dies allein jedoch eine ordnungsgemäße Vertretung der Rechtsanwälte OG in Liquidation noch nicht aus, weil der Notliquidator mit dem Antragsteller vertreten könne. Dieser habe nicht behauptet, dass auch er aufgrund einer Interessenkollision an einer Vertretung im genannten Prozess verhindert sei.

Das Rekursgericht sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, inwieweit die zusätzliche Bestellung eines Kollisionskurators zulässig ist, wenn schon ein Notliquidator nach § 146 Abs 2 UGB bestellt worden, dieser dabei aber nur gemeinsam mit allenfalls durch eine Interessenkollision befangene Mitliquidatoren zur Vertretung berufen sei.

Rechtliche Beurteilung

1. Soweit der Revisionsrekurs des Antragstellers die Kostenentscheidung des Gerichts zweiter Instanz bekämpft, ist er absolut unzulässig (§ 62 Abs 2 Z 1 AußStrG). Unter diese Bestimmung fallen auch Entscheidungen darüber, ob überhaupt ein Anspruch auf Kostenersatz besteht, oder die Ablehnung einer Kostenentscheidung (RIS-Justiz RS0017155 [T4]; vgl 5 Ob 103/09x [ErwGr 2]). Unanfechtbar ist auch jede Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz (RIS-Justiz RS0044233 [T20]), entscheidet doch dieses endgültig in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen (RIS-Justiz RS0044233). Der Zweck dieser Bestimmung ist, die Anrufung des Obersten Gerichtshofs im Kostenpunkt überhaupt auszuschließen (RIS‑Justiz RS0044233 [T18]). Die Kostenentscheidung der zweiten Instanz ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu prüfen (RIS‑Justiz RS0008483).

2. Im Übrigen ist der Revisionsrekurs aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

2.1. Der Rechtsmittelwerber meint, den §§ 146 ff UGB könne nicht entnommen werden, dass die Bestellung des Notliquidators der Gesellschaft im Prozess beim Handelsgericht Wien der Bestellung eines Kollisionskurators entgegenstünde. Könne infolge der beim Antragsgegner gegebenen Interessenkollision der Notliquidator nur mit dem Antragsteller vertreten, sei das Rechtsschutzbedürfnis der Gesellschaft zu bejahen.

Hierzu wurde erwogen:

2.2. Sind mehrere Liquidatoren einer offenen Gesellschaft vorhanden, so können sie die zur Liquidation gehörenden Handlungen nur gemeinsam vornehmen, sofern nicht bestimmt ist, dass sie einzeln handeln können (§ 150 Abs 1 UGB). Nach dieser Bestimmung ist die gemeinschaftliche Vertretung durch alle Liquidatoren dispositiv. So ist etwa auch die gemeinschaftliche Vertretungsbefugnis von je zwei Liquidatoren möglich (Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann, UGB² § 150 Rz 12 mwN; U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 150 Rz 29).

2.3. Die abweichende Bestimmung über die Art der Vertretungsbefugnis muss den Anforderungen genügen wie die Bestellung der Liquidatoren selbst. Grundlage ist daher je nach Art der Bestellung der Gesellschaftsvertrag, der Gesellschafterbeschluss oder eine Entscheidung des Gerichts ( U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 150 Rz 22; Jabornegg/Artmann in Jabornegg/Artmann , UGB² § 150 Rz 11).

2.4. Ist einer von zwei kollektivvertretungsbefugten Liquidatoren durch Interessenkollision nicht mehr befugt, rechtswirksame Erklärungen für die Gesellschaft abzugeben, führt dies nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zur aktiven Alleinvertretungsbefugnis des verbliebenen Liquidators. Die gesetzliche Vertretung der Gesellschaft kann in einem solchen Fall durch eine Ermächtigung des verhinderten Liquidators nach § 150 Abs 2 UGB, durch Abberufung und/oder Bestellung von Liquidatoren durch das Gericht oder durch die Bestellung eines Kollisionskurators (nach § 271 ABGB analog) oder eines Prozesskurators nach § 8 ZPO gewährleistet werden (RIS-Justiz RS0049011; die Anwendbarkeit des § 150 Abs 2 UGB bezweifelnd (U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 150 Rz 26).

2.5. Die Entscheidung 8 Ob 557/77 betrifft den Fall, dass einer der gesamtvetretungsberechtigten Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft Prozessgegner der Gesellschaft ist. Der Oberste Gerichtshof führte aus, es sei die Bestellung eines Kollisionskurators für die Gesellschaft erforderlich. Ähnlich kann in einem Fall, in dem sich die Gesellschaft und der Liquidator als Prozessgegner gegenüberstehen, die Gesellschaft nicht von diesem Liquidator vertreten werden, sondern ist die Bestellung eines neuen Liquidators notwendig (RIS‑Justiz RS0062208).

2.6. Zusammengefasst folgt aus dieser Rechtsprechung: Liegt bei einem Gesellschafter eine Interessenkollision vor und kann die Gesellschaft ohne diesen Gesellschafter nicht vertreten werden, kann Abhilfe grundsätzlich nur durch eine Kuratorbestellung geschaffen werden (vgl auch Mondel, Die Kuratoren im österreichischen Recht² Rz 6/155 f mwN). Im Stadium der Liquidation können die Beteiligten aber auch gemäß §§ 146 f UGB Abhilfe schaffen (vgl U. Torggler in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 150 Rz 26).

2.7. Den Weg über § 146 UGB hat der Antragsteller gewählt. Der vom Gericht zum zusätzlichen Liquidator bestellte Rechtsanwalt kann nach der Entscheidung des Gerichts gemeinsam mit dem Antragsteller, der eine Interessenkollision bei sich nicht behauptet, vertreten. Es ist daher eine Vertretung der Gesellschaft ohne den nach dem Antragsvorbringen von der Kollision betroffenen Liquidator möglich, sodass die Vorinstanzen den Antrag auf Bestellung eines Kollisionskurators zu Recht abgewiesen haben, liegt doch in dieser Konstellation eine Gefährdung der Interessen der Gesellschaft nicht vor (vgl § 271 Abs 2 ABGB). Der Antragsteller führt auch nicht aus, worin denn das Rechtsschutzbedürfnis der Gesellschaft bestehen sollte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. Die Revisionsrekursbeantwortung wurde mittels ERV eingebracht; die Grundlage für einen „Post Zuschlag“ ist nicht erkennbar.

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