Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit der am 24. 12. 1991 gegen beide Beklagte als Streitgenossen beim Kreisgericht Korneuburg eingebrachten Klage begehrte der Kläger, den zwischen der Erstbeklagten und der "Konkursmasse nach Alice R*****" (seiner Mutter) geschlossenen Kaufvertrag über Liegenschaften ("Forstgut K*****") wegen Nichtigkeit aufzuheben und die Zweitbeklagte, der die Liegenschaften inzwischen weiterverkauft worden seien, schuldig zu erkennen, der Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers an diesen Liegenschaften zuzustimmen.
Mit Beschluss vom 3. 6. 1992 überwies das Kreisgericht Korneuburg die Klage betreffend die Zweitbeklagte gemäß § 230a ZPO an das Handelsgericht Wien. Hinsichtlich der Erstbeklagten blieb das Verfahren zunächst beim Kreisgericht Korneuburg anhängig. Anlässlich von Rekursen der Zweitbeklagten gegen die Bewilligung der Streitanmerkung und der Verfahrenshilfe durch das Handelsgericht Wien lehnte der Kläger die Richterin des Oberlandesgerichtes Wien Dr. Renate P*****, die damals Mitglied des für diese Rechtssache zuständigen Rechtsmittelsenates war, als ausgeschlossen und befangen ab, weil sie mit Dr. Erich P*****, einem "leitenden Direktor" der Erstbeklagten, der auch deren Eigentümerinteressen bei der Zweitbeklagten zu wahren habe, und zugleich stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Zweitbeklagten verschwägert sei.
Mit Beschluss vom 29. 10. 1992, 13 Nc 5/92, gab das Oberlandesgericht Wien diesem Ablehnungsantrag statt. Es liege zwar kein Ausschließungsgrund vor, weil Dr. Erich P***** nicht Vorstandsmitglied der (Zweit-)Beklagten, sondern stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates und somit nicht deren gesetzlicher Vertreter sei. Dessen Schwägerschaft zur genannten Richterin sei aber ein Umstand, der eine Befangenheit im Sinn des § 19 Z 2 JN begründe. Es werde daher der nach der Geschäftsverteilung berufene Vertreter an die Stelle der abgelehnten Richterin zu treten haben.
Mit Beschluss vom 29. 3. 1993 übertrug das Kreisgericht Korneuburg das dort gegen die Erstbeklagte weitergeführte Verfahren gemäß § 31a JN antragsgemäß an das Handelsgericht Wien, das die beiden Verfahren mit Beschluss vom 7. 4. 1993 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verband und den Akt 15 Cg 102/93d (gegen die Erstbeklagte) als führenden Akt bestimmte.
In der mündlichen Streitverhandlung vom 9. 3. 2000, in der die Verhandlung in erster Instanz geschlossen wurde, lehnte der Kläger auch den Erstrichter (abermals) als befangen ab. Der Ablehnungssenat des Handelsgerichtes Wien wies diesen Antrag mit Beschluss vom 21. 3. 2000 ab. Mit Beschluss vom 28. 4. 2000, an dem auch die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Renate P***** mitwirkte, bestätigte das Oberlandesgericht Wien diese Entscheidung.
Mit Urteil vom 24. 7. 2000 wies das Handelsgericht Wien das Klagebegehren hinsichtlich beider Beklagter ab. Mit Beschluss vom 29. 9. 2000 trug es dem Kläger die Ergänzung seines Verfahrenshilfeantrages durch Vorlage des Vermögensbekenntnisses seiner Ehefrau auf.
Mit Urteil vom 22. 1. 2001 und seinem in die Urteilsausfertigung aufgenommenen Beschluss bestätigte das Oberlandesgericht Wien diese beiden Entscheidungen. Es sprach in seinem Urteil aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. An dieser Entscheidung wie auch an der vorangehenden Berufungsverhandlung war abermals Dr. Renate P***** als Mitglied des zuständigen Rechtsmittelsenates beteiligt. Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien wurde dem Vertreter des Klägers am 6. 2. 2001 zugestellt.
Mit dem am 19. 2. 2001 eingebrachten Ablehnungsantrag lehnte der Kläger wiederum Dr. Renate P***** aufgrund ihrer Schwägerschaft zu Dr. Erich P***** ab, weil dieser nicht nur Prokurist der Erstbeklagten, sondern auch Mitglied des Aufsichtsrats der Zweitbeklagten sei. Der Kläger beantragte die Aufhebung des Urteils und des darin aufgenommenen Beschlusses vom 22. 1. 2001. Mit am 1. 3. 2001 eingebrachter Eingabe ergänzte der Kläger seinen Ablehnungsantrag dahin, dass er auch die Aufhebung des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 28. 4. 2000 als nichtig begehre.
Am 2. 3. 2001 gab der Kläger eine außerordentliche Revision zur Post, in der er unter anderem Nichtigkeit des angefochtenen Urteiles des Berufungsgerichtes wegen Teilnahme eines ausgeschlossenen Richters an der Entscheidung geltend machte. Über dieses Rechtsmittel wurde noch nicht entschieden.
Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 28. 3. 2001 wies das Oberlandesgericht Wien den Ablehnungsantrag zurück. In der Rechtssache gegen die Zweitbeklagte sei die Befangenheit der genannten Richterin des Oberlandesgerichtes bereits rechtskräftig bejaht worden, sodass es dem Gericht verwehrt sei, neuerlich über die Ablehnung zu entscheiden und damit im Zusammenhang die von der abgelehnten Richterin vorgenommenen Prozesshandlungen aufzuheben. Der Ablehnungsantrag des Klägers sei daher, soweit er das Verfahren gegen die Zweitbeklagte betreffe, wegen entschiedener Rechtssache zurückzuweisen. Der Beschluss vom 28. 4. 2000 sei im Übrigen in Rechtskraft erwachsen, in die nicht eingegriffen werden könne. Die Rechtskraft des Beschlusses vom 29. 10. 1992, 13 Nc 5/92 des Oberlandesgerichtes Wien über die Stattgebung des Ablehnungsantrages, die damals im noch getrennt geführten Verfahren gegen die Zweitbeklagte ergangen sei, erstrecke sich jedoch nicht auch auf das Verfahren gegen die Erstbeklagte. Insoweit sei der Ablehnungsantrag aber wegen Verspätung zurückzuweisen, weil dem Vertreter des Klägers der Ablehnungsgrund schon bei seinem ersten Ablehnungsantrag im Oktober 1992 bekannt gewesen sei und er spätestens in der mündlichen Berufungsverhandlung, die er selbst verrichtet habe, auf die unzulässige Mitwirkung der genannten Richterin hinweisen hätte müssen (§ 21 Abs 2 JN).
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.
Das Oberlandesgericht Wien hat zutreffend erkannt, dass das Ablehnungsrecht auch noch nach der Urteilsfällung, allerdings nur vor Eintritt der Rechtskraft ausgeübt werden kann. Die Geltendmachung der Befangenheit ist auch noch nach der Erlassung der Entscheidung der zweiten Instanz zulässig, falls diese noch anfechtbar ist (RIS-Justiz RS0041933; 1 Ob 199/99t). Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 28. 4. 2000 (mit dem die Abweisung des Befangenheitsantrages betreffend den Erstrichter bestätigt wurde) war gemäß § 24 Abs 2 JN und § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig (EvBl 1991/36 ua). Ebenso unanfechtbar ist der in die Urteilsausfertigung aufgenommene Beschluss, mit dem der Auftrag zur Vorlage des Vermögensbekenntnisses der Ehefrau des Klägers bestätigt wurde (§ 528 Abs 2 Z 4 ZPO). Soweit sich der Ablehnungsantrag bzw dessen Ergänzung auf diese beiden Beschlüsse bezieht, kommt eine Entscheidung darüber schon deshalb nicht in Betracht, weil die Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO mit der formellen Rechtskraft einer Entscheidung geheilt ist (RIS-Justiz RS0046032 und RS0041974; 1 Ob 302/00v; 6 Ob 286/00b).
Im Zeitpunkt der Einbringung des Ablehnungsantrages stand die Revisionsfrist gegen das Urteil, an dem die abgelehnte Richterin mitwirkte, noch offen, und es wurde über die inzwischen erhobene außerordentliche Revision noch nicht entschieden. Dieses Urteil ist daher noch nicht in Rechtskraft erwachsen (§ 505 Abs 4 letzter Satz ZPO). Dessen ungeachtet steht einer (neuerlichen) Stattgebung des Ablehnungsantrages der rechtskräftige Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. 10. 1992, mit dem der Ablehnung stattgegeben wurde, entgegen, an den das Gericht in dieser Rechtssache nach wie vor gebunden ist (§ 425 Abs 2 ZPO). Auch Beschlüsse über Ablehnungsanträge sind der Rechtskraft fähig (Ballon in Fasching, Zivilprozessgesetze2, Rz 2 zu § 24 JN), sodass eine neuerliche Antragsstattgebung nicht in Frage kommt. Der genannte Beschluss erging zwar damals wegen der konkret anstehenden Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien im Verfahren zur Bewilligung der Verfahrenshilfe und der Streitanmerkung. Dabei handelte es sich jedoch lediglich um einen vom Hauptverfahren nicht zu trennenden Zwischenstreit (9 ObA 25/94; 6 Ob 62/01p), sodass sich der Ablehnungsbeschluss auch auf das Hauptverfahren erstreckte.
Der neuerliche Ablehnungsantrag ist daher wegen rechtskräftig erfolgter Stattgebung der früheren Ablehnung unzulässig.
Dies gilt allerdings - wie der Kläger selbst einräumt - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichtes nicht nur für das Urteil des Berufungsgerichtes, soweit es die Zweitbeklagte betrifft, sondern hinsichtlich beider Beklagter. Im vorliegenden Fall wurde weder die Verbindung der Verfahren aufgehoben noch über einen der verbundenen Prozesse gemäß § 390 Abs 2 ZPO gesondert entschieden, sondern es wurden die beiden verbundenen Rechtsstreitigkeiten gemäß § 404 Abs 2 ZPO - auch in zweiter Instanz - durch ein gemeinschaftliches Urteil nach einer gemeinsamen Berufungsverhandlung entschieden. Daran hat jeweils eine Richterin teilgenommen, deren Ablehnung als berechtigt erkannt worden war. Damit ist nach der hier vom Senat vertretenen Auffassung hinsichtlich des einheitlichen, beide Beklagte umfassenden Urteiles der vom Kläger in seiner Revision auch geltend gemachte Nichtigkeitstatbestand des § 477 Abs 1 Z 1 ZPO verwirklicht. Der Umstand, dass sich der ursprüngliche Ablehnungsbeschluss nur auf eine der beiden nunmehr vom gemeinsamen Urteil betroffenen Beklagten bezog, vermag daran nichts zu ändern. Mangels vorangehender Aufhebung der Verbindung iS des § 192 Abs 1 ZPO war die erfolgreich abgelehnte Richterin nicht mehr befugt, an der Verhandlung und Urteilsfällung in den verbundenen Rechtssachen teilzunehmen. Die gegenteilige Rechtsansicht hätte zur Konsequenz, dass eine den Bestimmungen der §§ 5 ff JN und der Geschäftsverteilung entsprechende Gerichtsbesetzung in aufrecht verbundenen Rechtssachen gar nicht möglich wäre, läge ein Ausschließungs- oder Befangenheitsgrund des nach der Geschäftsverteilung primär zuständigen Richters nur gegenüber einem von mehreren Klägern oder Beklagten vor. Es hätte dann teils der primär zuständige Richter, teils sein Vertreter die gemeinsame Verhandlung zu führen und das gemeinschaftliche Urteil zu fällen. Der durch die Stattgebung der Ablehnung bewirkte Ausschluss der genannten Richterin von der weiteren Mitwirkung in dieser Sache gilt daher auch für ein erst später durch Verbindung einbezogenes Verfahren, solange die Verbindung aufrecht ist.
Eine Entscheidung dahin, dass die genannte Richterin nicht mehr befangen sei, ist in dieser Rechtssache nicht ergangen. Vielmehr trat aufgrund der erfolgreichen Ablehnung der Richterin an ihre Stelle der nach der Geschäftsverteilung zu ihrem Vertreter bestimmte Richter des Oberlandesgerichtes Wien als Senatsmitglied in allen dieses Verfahren betreffenden Rechtsmittelentscheidungen. Deshalb kann sich die Frage, ob bei geänderten Verhältnissen (hier: die von der Richterin in ihrer Stellungnahme zum neuerlichen Ablehnungsantrag behauptete Pensionierung ihres Schwagers als Prokurist der Erstbeklagten) überhaupt ein der Ablehnung stattgebender Beschluss in der Folge in dem Sinn abgeändert werden kann, dass die Befangenheit nicht mehr vorliegt, zumindest solange nicht stellen, als ein solcher Vertreter nach der Geschäftsverteilung vorgesehen und nicht auch selbst von einem Ausschließungs- oder Befangenheitsgrund betroffen ist. Zur Befangenheit gegenüber der Zweitbeklagten ist jedenfalls offensichtlich keine Änderung der Verhältnisse eingetreten.
Daraus folgt, dass der vorliegende Ablehnungsantrag insgesamt wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen war. Der teils wegen Verspätung der Antragstellung zurückweisende Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien ist daher aus diesem Grund im Ergebnis zur Gänze zu bestätigen. Über die Revision des Klägers wird gesondert zu entscheiden sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)