OGH 6Ob286/00b

OGH6Ob286/00b14.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der wiederaufnahmsklagenden Partei M***** Gesellschaft mbH, ***** wider die wiederaufnahmsbeklagte Partei Dkfm. Franz M*****, vertreten durch Dr. Willi Fuhrmann, Rechtsanwalt in Baden, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 33 Cg 151/92 des Handelsgerichtes Wien (Streitwert 118.815 S sA; hier: Ablehnung von Richtern) über den Rekurs der wiederaufnahmsklagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. Oktober 2000, GZ 13 Nc 22/00k-5, womit der Ablehnungsantrag der wiederaufnahmsklagenden Partei gegen drei Richter des Oberlandesgerichtes Wien in dem zu AZ 3 R 48/00a anhängig gewesenen Rekursverfahren zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die wiederaufnahmsklagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte die Wiederaufnahme eines näher genannten Verfahrens des Handelsgerichtes Wien und die Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwaltes zur Führung dieses Verfahrens. Das Handelsgericht Wien wies den Verfahrenshilfeantrag wegen Aussichtslosigkeit ab. Dem dagegen erhobenen Rekurs der wiederaufnahmsklagenden Partei und nunmehrigen Ablehnungswerberin gab der Senat 3 das Oberlandesgerichtes Wien (Senatspräsident des Oberlandesgerichtes Dr. Manfred Mayer als Vorsitzender sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Gerhard Jelinek und Dr. Angela Bibulowicz) mit Beschluss vom 15. Juni 2000, AZ 3 R 48/00a, nicht Folge.

Daraufhin lehnte die wiederaufnahmsklagende Partei die genannten Mitglieder des Senates 3 des Oberlandesgerichtes Wien im Wesentlichen mit der Begründung ab, sie habe durch die Zustellung des genannten zweitinstanzlichen Beschlusses von der Mitwirkung des Richters Dr. Gerhard Jelinek erfahren, welcher "seit dem Jahre 1993 kriminell verdächtig sei".

Der zuständige Ablehnungssenat des Oberlandesgerichtes Wien wies den Ablehnungsantrag zurück, weil nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptverfahrens eine Ablehnung nicht mehr zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der wiederaufnahmsklagenden Partei ist zufolge § 24 Abs 2 JN zulässig und bedurfte auch nicht der Fertigung durch einen Rechtsanwalt, weil er in einem Verfahren ohne Anwaltspflicht (Verfahrenshilfe) erfolgte (§ 72 Abs 3 ZPO; 1 Ob 273/99z); er ist auch rechtzeitig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 21 Abs 2 JN kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Diese gesetzliche Bestimmung ist ganz allgemein dahin zu verstehen, dass Ablehnungsgründe sofort nach ihrem Bekanntwerden und nicht erst in dem vom Ablehnungswerber nach prozesstaktischen Kriterien als richtig angesehenen Zeitpunkt vorzubringen sind, soll doch eine Prozessverschleppung tunlichst vermieden werden. Das Ablehnungsrecht kann nach herrschender Ansicht auch noch nach der Urteilsfällung vor Eintritt der Rechtskraft ausgeübt werden (RZ 1989/88; 1 Ob 90/97k = RdW 1998, 18; 1 Ob 199/99t mwN aus Lehre und Rspr ua). Dies gilt auch für einen - anfechtbaren - zweitinstanzlichen Beschluß im Rekursverfahren, wird doch die Geltendmachung der Befangenheit noch nach der Erlassung der zweitinstanzlichen Entscheidung als zulässig erachtet (JBl 1989, 664 mwN; 1 Ob 199/99t mwN aus Lehre und Rspr; 1 Ob 273/99z; RIS-Justiz RS0041933). Voraussetzung einer solchen Geltendmachung ist somit, dass in der Hauptsache noch ein Rechtsmittel an die dritte Instanz offensteht, in dem oder in einem gesonderten Schriftsatz - diese Streitfrage kann hier offen bleiben - die erfolgreiche Ablehnung als Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO (Teilnahme eines wegen Befangenheit erfolgreich abgelehnten Richters an der Entscheidung) geltend gemacht werden kann. Nach rechtskräftiger Beendigung des Hauptverfahrens ist hingegen nach herrschender Auffassung die Ablehnung nicht mehr zulässig (RZ 1989/88; 1 Ob 199/99t; 1 Ob 273/99z; Mayr in Rechberger2, § 19 JN Rz 3, § 21 JN Rz 3; Kodek in Rechberger2, § 477 ZPO Rz 4), heilt doch der Mangel des Nichtigkeitsgrundes nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung (RZ 1989/88; 1 Ob 199/99t; 1 Ob 273/99z ua; RIS-Justiz RS0041974; Kodek aaO § 529 ZPO Rz 3). Da die Teilnahme eines (noch nicht rechtskräftig) abgelehnten Richters selbst für den Fall seiner erfolgreichen Ablehnung mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung heilt, sodass eine Wiederaufrollung des Verfahrens aus diesem Grunde ausgeschlossen ist, fehlt der Ablehnungswerberin ein rechtlich geschütztes Interesse daran, die Befangenheit von Richtern nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache geltend zu machen (RZ 1989/88 mwN; 1 Ob 199/99t ua).

Im vorliegenden Fall war die Entscheidung des zweitinstanzlichen Rekurssenates zu AZ 3 R 48/00a zufolge § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ("über die Verfahrenshilfe") jedenfalls unanfechtbar und konnte nicht mehr mit einem zulässigen Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden; es fehlt daher der Rechtsmittelwerberin, wie der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichtes Wien zutreffend erkannte, die Beschwer als Voraussetzung der Zulässigkeit jedes Rechtsmittels.

Auf die weitwendigen Rekursausführungen kann aus diesen Erwägungen nicht eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 40 und 50 ZPO. Damit muss nicht mehr darauf eingegangen werden, dass die anwaltlich nicht vertretene Rekurswerberin für ihr Rechtsmittel Kosten nach TP 3B des RATG verzeichnete.

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