OGH 6Ob104/08z

OGH6Ob104/08z5.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Silvia G*****, vertreten durch Jäger Url Rechtsanwälte GmbH in Knittelfeld, gegen die beklagte Partei Markus G*****, vertreten durch Mag. Karl Peter Resch, Rechtsanwalt in Knittelfeld, wegen 3.304 EUR sA und Feststellung, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht, vom 10. Jänner 2008, GZ 1 R 335/07t-27, berichtigt durch den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 11. März 2008, GZ 1 R 335/07t-31, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Handlungen oder Unterlassungen im Zuge sportlicher Betätigung, durch die ein anderer Teilnehmer in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet oder am Körper verletzt wird, insoweit nicht rechtswidrig, als sie nicht das in der Natur der betreffenden Sportart gelegene Risiko vergrößern (7 Ob 157/06y mwN). Dies gilt nicht nur für Kampfsportarten, sondern auch für sonstige Sportarten, bei denen es wegen des notwendigen Naheverhältnisses der Teilnehmer zueinander oder zu den dabei verwendeten Sportgeräten zu Gefährdungen oder zu Verletzungen der Teilnehmer kommen kann. Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken des Handelns auf eigene Gefahr. Wer sich einer ihm bekannten oder erkennbaren Gefahr aussetzt, wie etwa durch Teilnahme an gefährlichen Veranstaltungen, dem wird eine Selbstsicherung zugemutet. Ihm gegenüber wird die dem Gefährdenden sonst obliegende Sorgfaltspflicht aufgehoben oder eingeschränkt (7 Ob 157/06y mwN). In den Fällen echten Handelns auf eigene Gefahr ist die Rechtswidrigkeit des Verhaltens aufgrund einer umfangreichen Interessenabwägung zu beurteilen. Es ist stets zu prüfen, wie weit durch das echte Handeln auf eigene Gefahr die Sorgfaltspflichten anderer aufgehoben werden (7 Ob 157/06y). Ferner hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass diese Rechtssätze dann nicht ohne weiteres anwendbar sind, wenn der/die Verletzte sich im Unfallzeitpunkt (zwar) auf der für die Sportausübung vorgesehenen Fläche aufhielt, an dem Wettkampf oder wettkampfähnlichen Spiel oder einer gegeneinander oder auch nur gemeinsam ausgeführten Sportart (aber) nicht teilgenommen hat (6 Ob 26/05b).

Die Klägerin erblickt die Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darin, dass Rechtsprechung zur Frage des „Umfangs einer (Mit-)Haftung bei Verletzung einer Person, die erkennbar aus einem Spiel ausgeschieden war und sich erkennbar außerhalb der Spielfläche aufhielt", fehle. Das Berufungsgericht habe krass fehlerhaft verkannt, dass den Beklagten das Alleinverschulden an den schweren Verletzungen der Klägerin treffe. Sie sei seit geraumer Zeit aus dem Paintball-Spiel ausgeschieden gewesen, als der Beklagte entgegen jeglicher Spielregel auf sie geschossen habe, als sie außerhalb des Spielfelds völlig ungeschützt gestanden sei. Dass sie sich nicht hinter dem Schutznetz aufgehalten habe, könne ein Mitverschulden ihrerseits angesichts des immensen Gefährdungspotenzials der Handlungen des Beklagten nicht begründen.

Der Beklagte wirft dem Berufungsgericht vor, bei richtiger Anwendung der oberstgerichtlichen Entscheidungen 6 Ob 76/05b und 7 Ob 157/06y hätte es das Verhalten der Klägerin als Handeln auf eigene Gefahr beurteilen müssen, das die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten ausschließe. Jedenfalls überwiege die Sorglosigkeit der Klägerin in eigenen Angelegenheiten bei weitem ein Verschulden des Beklagten, der in der „Hitze des Gefechts" gehandelt habe. Keiner der Rechtsmittelwerber vermag mit seinen Ausführungen eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage darzutun:

1.) Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die eingangs wiedergegebenen Rechtssätze auch für das Paintball-Spiel gelten (7 Ob 157/06y = Zak 2006, 376).

2.) Zu wessen Gunsten die Interessenabwägung ausfällt, die zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Gefährdenden im Fall echten Handelns auf eigene Gefahr anzustellen ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, sodass der Lösung dieser Frage im Allgemeinen keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Sorgfaltspflicht des gefährdenden Beklagten gegenüber der erkennbar aus dem Spiel ausgeschiedenen, außerhalb des Spielfelds am Rand stehenden Klägerin, die die Schutzmaske abgenommen hatte, nicht (mehr) aufgehoben war, bedarf insbesondere im Hinblick darauf keiner Korrektur, dass auch der Beklagte vor Spielbeginn instruiert worden war, dass auf außerhalb des Spielfelds befindliche Teilnehmer nicht geschossen werden darf.

3.) Die Beurteilung des Verschuldensgrads und das Ausmaß eines Mitverschuldens bilden wegen ihrer Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0044262; RS0087606). Ob eine bestimmte Verschuldensteilung durch die Vorinstanzen angemessen ist, ist eine bloße Ermessensentscheidung, bei welcher im Allgemeinen - von einer krassen Verkennung der Rechtslage abgesehen - eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn der genannten Bestimmung nicht zu lösen ist (RIS-Justiz RS0042405 [T15]).

Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass es der Klägerin als Sorglosigkeit gegenüber ihrer Gesundheit anzulasten ist, dass sie sich entgegen der Belehrung bewusst ohne Schutzmaske am Spielfeldrand aufhielt und nicht den geschützten Bereich aufsuchte, ist ebenso wenig korrekturbedürftig wie die von ihm vorgenommene Verschuldensteilung. Nach den Feststellungen hat der Beklagte keinen „zielgerichteten" Schuss auf die Klägerin abgegeben. Dem Beklagten war klar, dass seine einzige verbliebene „Gegnerin" sich vor ihm auf dem Spielfeld befand.

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