Spruch:
Für das Verfahren ist das Bezirksgericht Gmunden örtlich zuständig. Der Beschluss des Bezirksgerichts Gmunden vom 23. Oktober 2009, GZ 1 P 332/09t-9, wird aufgehoben.
Text
Begründung
In dem zur GZ 6 A 210/09i des Bezirksgerichts Gmunden anhängigen Verlassenschaftsverfahren zählt der erblasserische Cousin K***** B***** zum Kreis der gesetzlichen Erben. Da sein Aufenthaltsort unbekannt ist, eröffnete das Bezirksgericht Gmunden über Antrag des Gerichtskommissärs mit Beschluss vom 24. September 2009 gemäß § 156 Abs 1 AußStrG zur AZ 1 P 332/09t ein Pflegschaftsverfahren zur Bestellung eines Abwesenheitskurators. Es führte nähere Erhebungen über die persönlichen Daten des K***** B***** und seinen letzten Aufenthalt durch, welche ergaben, dass er in den USA geboren ist und dort auch zumindest bis vor zehn Jahren wohnhaft war. Sein genauer Aufenthaltsort konnte nicht ermittelt werden.
Das Bezirksgericht Gmunden erklärte sich daraufhin mit Beschluss vom 23. Oktober 2009 für örtlich unzuständig und sprach aus, dass „die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache zur Gänze gemäß § 109 Abs 2 JN" an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien „übertragen" werde. Mit „Verfügung" vom 12. November 2009 lehnte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien „derzeit" eine Übernahme des Verfahrens ab.
Das Bezirksgericht Gmunden legte den Akt direkt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschluss vom 23. Oktober 2009, mit dem das Bezirksgericht Gmunden unter Verweis auf § 109 Abs 2 JN seine Unzuständigkeit ausgesprochen hat, ist als Überweisung gemäß § 44 Abs 1 JN und nicht, wie der zweite Absatz des Spruchs andeuten würde, als „Übertragung der Zuständigkeit" iSd § 111 JN auszulegen, sodass ein (negativer) Kompetenzkonflikt iSd § 47 JN vorliegt.
Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem Kompetenzkonflikt setzt im Allgemeinen voraus, dass alle konkurrierenden Gerichte rechtskräftig über ihre (Un-)Zuständigkeit zur Entscheidung über die gleiche Rechtssache abgesprochen haben (Ballon in Fasching/Konecny² I § 47 JN Rz 1 ff; RIS-Justiz RS0118692). Diese Voraussetzung liegt hier zwar nicht vor, wäre aber beim derzeitigen Stand des Abwesenheitspflegschaftsverfahrens auch nicht erfüllbar, weil überhaupt noch keine Parteien, denen eine Rekurslegitimation zukäme, vorhanden sind. Zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands ist daher eine sofortige Entscheidung im vorliegenden Kompetenzkonflikt unumgänglich.
Gemäß § 156 Abs 1 AußStrG hat das Verlassenschaftsgericht über die Bestellung von Kuratoren in den Fällen des § 5 Abs 2 Z 1 lit a und Z 2 lit a AußStrG auf Antrag oder von Amts wegen zu entscheiden. Ist der Aufenthalt bekannter Erben oder Noterben unbekannt, so hat das Verlassenschaftsgericht für sie einen Kurator iSd § 5 Abs 2 Z 2 lit b AußStrG (§ 276 ABGB) zu bestellen.
Abweichend von der allgemeinen Bestimmung des § 5 Abs 2 AußStrG hat das Verlassenschaftsgericht somit nicht bloß für eine Bestellung des Abwesenheitskurators durch Anzeige an das zuständige Pflegschaftsgericht zu „sorgen", sondern ihn im Verlassenschaftsverfahren selbst zu bestellen (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP, in Fucik/Kloiber AußStrG § 156; Feil/Marent, AußStrG § 156 Rz 4; Wruhs in Rechberger, AußStrG § 156 Rz 3).
Das Verfahren über die Bestellung des Kurators für einen bekannten Erben mit unbekanntem Aufenthalt nach § 156 Abs 1 AußStrG ist Teil des Verlassenschafts- und richtigerweise nicht eines Pflegschaftsverfahrens, weshalb eine Anwendung der Zuständigkeitsregeln des § 109 Abs 2 JN ausscheidet. Das Bezirksgericht Gmunden ist daher nicht nur sachlich, sondern notwendigerweise auch örtlich für das Verfahren zur Bestellung des Abwesenheitskurators (und zwar entgegen der bisher eingehaltenen Vorgangsweise im Verlassenschaftsverfahren) zuständig.
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